Vier Monate lang hat Lucie Poulet vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf dem Mars gelebt, hat im Raumanzug den Roten Planeten erkundet und im Inneren der kuppelförmigen Marsstation Gemüse gezüchtet. Allerdings: Dabei entfernte sie sich keinen Zentimeter von ihrem Heimatplaneten Erde, denn das Habitat steht auf Hawaii am nördlichen Hang des Mauna Loa.
"Auch wenn man beim Blick aus dem Fenster auf eine irdische Vulkanlandschaft gesehen hat – es hat sich oft so angefühlt, als ob man auf dem Mars leben würde", sagt sie über ihren mehrmonatigen Forschungsaufenthalt, der am 28. März 2014 begann.
Post im Voraus und Emails nur mit Zeitverzögerung
Aus dem kuppelförmigen Habitat der University of Hawaii wurde schnell ein Zuhause für Lucie Poulet. Niemals hätte sie daran gedacht, es ohne ihren Raumanzug zu verlassen, wenn es zum Beispiel darum ging, auswärts geologische Experimente durchzuführen. "Man fühlt sich tatsächlich von der Außenwelt auf der Erde isoliert." Kein direkter Kontakt zu anderen Menschen, ein gedrosseltes Internet und nur verzögerte Emails mit Nachrichten von außen, all das hat bei dem sechsköpfigen internationalen Team dazu geführt, dass man sich dann doch weit entfernt vom irdischen Alltag fühlte.
Gerade einmal die wichtigsten Nachrichten von der Erde gelangten mit Zeitverzögerung in der Marsstation an – "ich bin nach Deutschland zurückgekommen und habe tatsächlich viele neue Dinge erfahren". Damit die Erde nicht ganz aus den Gedanken verschwand und der Mars-Alltag zumindest ab und zu unterbrochen wurde, ließ sich die DLR-Wissenschaftlerin schon vor ihrer Mission Briefe und Postkarten von Familie und Freunden vorbereiten. Nach und nach öffnete sie diese während der monatelangen Isolation und stattete die Wand ihres kleinen Zimmers damit aus. "Wenn ich mich mal nicht so motiviert fühlte oder einfach mal nicht gutgelaunt war, habe ich einen der Briefe geöffnet – und der Tag war gleich wieder schöner."
Tomaten und Radieschen erst vermessen, dann gegessen
Dabei waren ihre Tage dicht gefüllt mit Experimenten, die sie für die Mission vorbereitet hatte. Die Wissenschaftlerin arbeitet normalerweise im EDEN-Labor (Evolution & Design of Environmentally-closed Nutrition-Sources) des DLR in Bremen, in dem unter anderem die Gemüsezucht für Langzeitmissionen erforscht wird. Auf dem Mars war sie dafür zuständig, das Pflanzenwachstum bei unterschiedlichen Wellenlängen zu untersuchen. Mit einem erfreulichen Nebeneffekt für das Team: Nachdem Salat, Tomaten oder auch Radieschen geerntet, gewogen und vermessen waren, landeten sie auf den Tellern der Crew und frischten deren Speiseplan auf.
"Ich habe sogar mit Tomatensamen gearbeitet, die sieben Jahren lang im Weltall waren." Immerhin funktionierten drei von zehn Samen noch, obwohl sie über einen so langen Zeitraum der Weltraumstrahlung ausgesetzt waren. Auch die Auswirkungen von Grünpflanzen auf die Psyche der isolierten Crew im Habitat untersuchte die Wissenschaftlerin. Die Antworten in den Fragebögen fielen einheitlich aus: "Alle haben es genossen, sich um die Pflanzen zu kümmern und etwas Frisches essen zu können."
Forschung bestimmte Alltag im Mars-Habitat
Einfach war die Zeit aber nicht immer, in der Lucie Poulet vier Monate ihres Lebens auf dem virtuellen Mars verbrachte. "Man verliert sehr schnell das Zeitgefühl". Jeden Tag dieselbe Umgebung, jeden Tag dieselben fünf Menschen um sich herum. Gerade einmal eine Woche vor dem Beginn der Mission lernte Lucie Poulet ihre Mitstreiter persönlich kennen, die sie zuvor nur als Stimmen in Telefonkonferenzen gehört hatte. Im ersten Monat der Mission musste sich das Team zunächst einmal kennenlernen.
"Zum Glück gab es aber keine großen Konflikte", betont sie. "Auch wenn wir mal unterschiedlicher Meinung waren, haben wir letztendlich immer wieder eine gemeinsame Entscheidung treffen können." Tagsüber arbeiteten alle in ihren individuellen Forschungsprojekten, zu den Mahlzeiten versammelten sich dann alle an einem Tisch. Selbst am Wochenende arbeiteten die Wissenschaftler, kümmerten sich um ihre Wäsche oder brachten das Habitat auf Vordermann – "wir haben uns dann regelrecht miteinander verabredet, um gleichzeitig einmal Pause zu machen."
Wunsch nach Wassermelone und Urlaub
Um fit zu bleiben und Energie abzubauen, stieg Lucie Poulet jeden Tag aufs Laufband. Dazu kamen Muskel- und Fitnesstraining. "Man bewegt sich nicht viel im Habitat selbst, die einzigen Gelegenheiten für Bewegung sind die Außeneinsätze im Raumanzug." Nach den vier Monaten in der selbstgewählten Isolation standen für die Wissenschaftlerin zwei Dinge auf dem Programm: eine frische Wassermelone essen und Urlaub auf der Insel, die für sie vier Monate lang der Rote Planet war.
Die vier Monate im Mars-Habitat bereut sie nicht: "Ich will gerne aktiv bei der bemannten Erkundung des Weltraums mitmachen und Erfahrungen beisteuern, die sie ermöglichen." Im DLR Bremen geht nun wieder ein Projekt mit dem EDEN-Team für sie weiter – die Planung eines Gewächshauses für den Mond.