In knapp einem Jahr soll der ESA-Astronauten Alexander Gerst zu seiner nächsten Mission „Horizons“ starten. Ende April 2018, fliegt der 41-jährige Geophysiker mit der Expedition 56/57 in seiner zweiten „Forschungsreise“ zur Internationalen Raumstation ISS.
Gerst wird nach dem Belgier Frank de Winne der zweite Europäer sein, der als Kommandant auf der ISS eingesetzt wird. Ein halbes Jahr – bis Ende Oktober 2018 – soll Gerst in knapp 400 Kilometern Höhe unterwegs sein. Der englische Name der Mission, Horizons, symbolisiert dabei die Neugier und Faszination, Unbekanntes zu entdecken und zu erforschen.
Erstmals haben sich zudem kreative Köpfe außerhalb der Raumfahrt wesentlich an der Logo-Entwicklung beteiligt: Studierende im Fach Kommunikationsdesign der Hochschule Darmstadt um Prof. Christian K. Pfestorf, Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums rhein.main.international.institute, haben auf Initiative des Raumfahrtmanagements im Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und in enger Kooperation mit Alexander Gerst selbst aus acht Entwürfen das finale Horizons-Logo entwickelt.
Bei der Vorstellung seiner zweiten Langzeitmission auf der ISS am 29. Mai 2017 im Europäischen Astronautenzentrum der ESA in Köln betonte Alexander Gerst denn auch: „Neue Horizonte zu erreichen und auch zu überwinden treibt uns an. Mit der ISS sind wir zum ersten Mal in der Lage, unser Raumschiff Erde zu verlassen. Denn die Raumstation ist nicht nur ein einzigartiges Labor, sondern auch ein erstes Schiff, dass uns in einer Kontinente übergreifenden Gemeinschaft zeigt, wie wir außerhalb der Erde zusammen leben können. Horizons ist für mich auch eine ziemlich perfekte Fortführung meiner Blue Dot-Mission. Dort lag der Fokus auf unserem blauen Planeten, jetzt freue ich mich, mit Horizons den Blick noch zu erweitern.“
Prof. Pascale Ehrenfreund, DLR-Vorstandsvorsitzende, hob hervor, dass die Forschung auf der ISS und auch die Mission Horizons wichtige Beiträge und Impulse im Umgang mit gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen liefere, zum Beispiel mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung, den Klimawandel und Industrie 4.0. „Für einen Hochtechnologiestandort und eine Exportnation wie Deutschland ist die astronautische Raumfahrt als Spitzentechnologie unverzichtbar. Deutschland ist bei den ESA-ISS-Elementen und bei der europäischen ISS-Nutzung der wichtigste Partner. Denn nicht zuletzt ist die ISS eine einzigartige und innovative Labor- und Testumgebung für Experimente, die auf der Erde in dieser Form nicht durchgeführt werden können. Alexander Gerst ist bei seiner kommenden Mission `Horizons‘ der erste deutsche Kommandant der ISS. Wir bieten ihm unsere volle Unterstützung an, aus Science Fiction echte Science Facts zu machen.“
Etwa 35 Experimente aus Deutschland
Etwa 35 Experimente sollen Wissenschaftler deutscher Universitäten und Forschungseinrichtungen, deutsche Firmen und das DLR als Forschungszentrum für die Mission Horizons beisteuern. Die geplante thematische Bandbreite reicht dabei von biologischen und medizinischen Experimenten über (astro-)physikalische und materialwissenschaftliche Fragestellungen bis hin zu reinen Technologiedemonstrationen, einem Bildungsprogramm für Kinder und Jugendliche und industriell oder kommerziell motivierten Anwendungen.
Tweets zu Alexander Gersts neuer Mission „horizons“
Von Technologiedemonstrationen…
„Die ISS wird zunehmend auch für industriell motivierte Technologiedemonstrationen genutzt. So soll zum Beispiel das Experiment SpaceTex, das Materialien für eine optimale Funktionsbekleidung testet und das im Rahmen der ersten ISS-Mission Blue Dot von Alexander Gerst 2014 begonnen wurde, fortgesetzt werden, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu verbessern und statistisch zu untermauern“, erläutert Volker Schmid, Horizons-Missionsmanager im DLR. Im Experiment MetabolicSpace soll ein am Körper tragbares Messsystem den menschlichen Metabolismus analysieren. So sollen wichtige Daten der Atmung und andere Indikatoren während sportlicher und normaler Aktivitäten der Astronauten aufgenommen werden. Aktuelle Systeme an Bord der ISS sind nicht am Körper tragbar, so dass bislang nur kurze Beobachtungsfenster zur Verfügung stehen.
Die geplante Technologiedemonstration Bake in Space, die auch im Rahmen des diesjährigen DLR INNOspace-Masters mit dem ESA-BIC-Startup-Challenge-Preis ausgezeichnet worden ist, möchte einen weltraumqualifizierten Ofen auf die ISS schicken, um die Astronauten dort mit frischem Brot zu versorgen – mithilfe einer ebenfalls für die Weltraumumgebung geeigneten Teigmischung. DLR Missionsmanager Volker Schmid: „Wenn dieses Experiment tatsächlich alle notwendigen Qualifikationen im Vorfeld schafft und auf die ISS kommt, kann dies auch interessant im Hinblick auf die Versorgung mit frischen Lebensmitteln für Langzeitmissionen sein, wie etwa einen Flug zum Mars.“
… über Grundlagenforschung…
Voraussichtlich zwölf deutsche Experimente der Horizons-Mission befassen sich mit biologischen, medizinischen, physikalischen und materialwissenschaftlichen Grundsatzfragen. Eine Auswahl:
Premiere auf der ISS hätte FLUMIAS – ein hochauflösendes Fluoreszenzmikroskop, das bisher schon auf DLR Parabelflügen für kurze Zeit im schwerelosen Einsatz war: Mit FLUMIAS kann „live“ beobachtet werden, was sich in den Zellen von Pflanzen, Tieren und Menschen abspielt. Das Mikroskop zeigt gezielt bestimmte Strukturen und Zellbestandteile und wie sie sich ohne Schwerkraft verändern. FLUMIAS ist ein Technologie-Demonstrator. In Zukunft soll es ein größeres Mikroskop mit Zentrifuge auf der ISS geben, mit dem die Schwerkraft „an-“ und „abgeschaltet“ werden kann. So lassen sich auf zellulärer Ebene Rätsel lösen zur Wirkung der Schwerkraft etwa auf Muskel- und Knochenstoffwechsel und auf das Immun- und Nervensystem.
Im europäischen Columbus-Modul der Internationalen Raumstation soll im Experiment MyotonS ein kleines Gerät Alexander Gerst helfen, zu überprüfen, wie fit er wirklich ist: Das Gerät kann durch einen Impuls auf der Haut in Sekundenschnelle das Verhalten der darunter liegenden Muskulatur kontrollieren. So lässt sich erstmals schnell und einfach der Erfolg von Maßnahmen gegen den in der Schwerelosigkeit auftretenden Muskel- und Knochenschwund überwachen und bewerten. Langfristig wird es so möglich, individualisierte, auf Muskelgruppen bezogene Trainingsprogramme für die Astronauten zu erstellen. Und auch für uns Erdenbürger gilt: jeder, der sich nach langer Krankheit oder Verletzung in der Rehabilitation befindet, kann durch das Gerät gezielter trainieren.
Bereits Ende 2017 soll die neue NASA-Forschungsapparatur CAL (Cold Atoms Lab) – ein Minilabor zur Erforschung ultra-kalter Atome – zur ISS gebracht werden. Bei den Experimenten im CAL arbeiten deutsche und amerikanische Wissenschaftler eng zusammen. Unter anderem wollen sie auch Bose-Einstein-Kondensate in Schwerelosigkeit untersuchen – dies sind sehr fragile, aus mehreren tausenden von Atomen bestehende Quantengase, die unter Schwerkraft sehr schnell wieder auseinandergerissen werden.
Alexander Gerst soll die deutschen Wissenschaftler bei ihrer Forschung im CAL unterstützen, denn die ISS bietet ein einzigartiges Beobachtungsfenster für diesen ansonsten extrem „unanschaulichen“ Mikrokosmos. Die Forschung ist zum einen interessant für die Überprüfung der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein, zum anderen spielen ultra-kalte Atome eine Rolle bei extrem genauen Messverfahren für Längen und Zeiten, für die Messung von Gravitationswellen oder auch die Entwicklung von Quantencomputern.
Die bereits laufenden Experimentserien zu Plasmakristallen und Elektromagnetischer Levitation – also der Erforschung des Erstarrungsverhaltens von Metallen in der Schmelze – soll Alexander Gerst fortführen. Ebenso fortgesetzt werden soll die Simulation MagVector/MFX, die Gerst 2014 erfolgreich in Betrieb genommen hat. Das Experiment aus dem Bereich Astrophysik untersucht die Wechselwirkungen des Erdmagnetfelds mit anderen Himmelskörpern mithilfe von elektrisch gekühlten Hochtemperatur-supraleitern.
… bis hin zu Assistenzsystemen…
CIMON (Crew Interactive Mobile CompanioN) ist ein mobiles und autonomes Assistenzsystem, das Alexander Gerst bei seinem Alltag auf der ISS unterstützen soll. Zum Einsatz kommt hierbei zum ersten Mal eine künstliche Intelligen (KI). CIMON ist ein Experiment des DLR Raumfahrtmanagements in Kooperation mit Airbus Defence and Space, IBM und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das System ist ein Technologiedemonstrator, der unter anderem folgende Bereiche abdecken soll: Effektivitäts- und Produktivitätssteigerung, persönliche Assistenzfunktionen mit Sprach- und Gesichtserkennung und Erprobung der Mensch-Maschine-Interaktion mit KI über längere Phasen.
Im Experiment ICARUS (International Cooperation for Animal Research Using Space) geht es um das Migrationsverhalten von Tieren. Das Wanderverhalten von Zugvögeln aber auch von kleineren Tieren wie Insekten gibt zum Beispiel Aufschluss über klimatische Veränderungen auf der Erde. Es können auch Rückschlüsse zum Schutz von Arten und Lebensräumen gezogen werden. Dazu werden die Tiere mit Minisensoren ausgestattet (Animal-Tracker), deren Daten von der ISS empfangen und zurück zur Erde gesendet werden. Die entsprechende Hardware soll Ende 2017 zur ISS transportiert werden und an der Außenseite des russischen Swesda-Moduls installiert werden. Das Projekt wird vom DLR Raumfahrtmanagement mit Mitteln den BMWi gefördert, die wissenschaftliche Leitung liegt beim Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell.
… und Nachwuchsförderung
Auch Bildungsarbeit ist fester Bestandteil der Horizons-Mission von Alexander Gerst 2018 – neben dem Schülerwettbewerb „Earth Guardian 2“ und dem Studentenwettbewerb „Überflieger“ gibt es verschiedene Mitmachexperimente („Flying Classroom 2“) – und das „Projekt _4D – Die Zeitkapsel“: Eine Aluminiumkugel, gefertigt von Auszubildenden des DLR, wird von Gerst an Bord der ISS versiegelt und soll erst 50 Jahre später, also 2068, geöffnet werden. Den Inhalt können alle mitbestimmen: Noch bis zum 30. Juni 2017 läuft die Aktion „Projekt_4D“, bei der das Jugendportal DLR_next gemeinsam mit der Stiftung Lesen Schülerinnen und Schüler deutschlandweit dazu aufruft, ihre Wünsche und Vorstellungen für die Zukunft zu formulieren.
Auf den Bildern
„Horizons“ – die neue Mission von Alexander Gerst: Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst hat am 29. Mai 2017 seine „Horizons“-Mission vorgestellt, bei der er voraussichtlich im April 2018 zur Internationalen Raumstation aufbrechen soll. Er wird der zweite europäische Commander an Bord der ISS.
Zeitkapsel übergeben: Die DLR-Vorstandsvorsitzende Prof. Pascale Ehrenfreund (r.) hat dem deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst die Zeitkapsel überreicht. Auch ESA-Generaldirektor Prof. Johann-Dietrich Wörner war bei der Missionsvorstellung mit dabei.
„Horizons“-Logo vorgestellt: Am 29. Mai 2017 präsentierte der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst zum ersten Mal das Logo seiner nächsten Mission zur Internationalen Raumstation. Mit im Bild der Studierende Marcel Marquardt, Logo-Mitgestalter Michael Hartmann, die Studierende Megan Luedke und Studienleiter Prof. Christian K. Pfestorf (v. l.).
Missionslogo „Horizons“: Die ISS-Mission „Horizons“ soll Ende April 2018 starten und bis Ende Oktober andauern. Während der Mission wird der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst zeitweilig die Aufgabe des Commanders übernehmen.