Atmosphärische Schwerewellen beeinflussen das Wetter und auch langfristig das Klimageschehen. Vom 29. Juni bis 23. Juli 2014 fliegt das Forschungsflugzeug Falcon des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in mehreren Nächten über die Neuseeländischen Alpen, um mit moderner Laser-Messtechnik und weiteren Instrumenten zu untersuchen, wie sich diese Wellen von der Erdoberfläche bis in 100 Kilometer Höhe ausbreiten.
Die Ergebnisse sollen helfen, Klimamodelle sowie Wettervorhersagemodelle zu verbessern. Die internationale Flugzeug-Messkampagne wird gemeinsam mit US-amerikanischen Partnern wie dem National Research Center for Atmospheric Research (NCAR), dem Naval Research Laboratory, der Universität Yale und der Universität von Utah durchgeführt und von der National Science Foundation (NSF) unterstützt.
Das Forschungsflugzeug der amerikanischen Wissenschaftler ist eine Gulfstream V. Zudem beteiligt sich das neuseeländische National Institute of Water and Atmospheric Research (NIWA) an der Forschungsmission mit weiteren Partnern aus der Region.
Strömungsmuster der Atmosphäre bis zur Weltraum-Grenze
In der Vergangenheit untersuchten Wissenschaftler Schwerewellen entweder in der unteren Atmosphäre, der sogenannten Troposphäre, oder in den großen Höhen der darüberliegenden mittleren Atmosphäre. Bisher war es nicht möglich den kompletten Lebenszyklus der Wellen von der Anregung am Boden bis zur Auflösung an der Grenze zum Weltraum in rund hundert Kilometer Höhe durchgehend zu messen.
"In Neuseeland haben wir nun weltweit erstmalig eine internationale Forschungskampagne ins Leben gerufen, die atmosphärische Schwerewellen durchgängig vom Boden bis hinauf in die mittlere Atmosphäre erfasst", freut sich denn auch der Direktor des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre, Prof. Dr. Markus Rapp. "Für die Klimaforschung sind Schwerewellen ein wichtiger Baustein, um globale Strömungsmuster der Atmosphäre besser zu verstehen und gezielter vorhersagen zu können", so Rapp weiter.
Entwicklungen in der Laser-Messtechnik, der Einsatz dieser Instrumente auf Forschungsflugzeugen und die internationale Zusammenarbeit sind die Eckpfeiler der Forschungsmission DEEPWAVE (Deep Propagating Gravity Wave Experiment), die nun ein umfassenderes Bild der Schwerewellenausbreitung in der Erdatmosphäre liefern wird.
Schwerewellen: Periodisches System meteorologischer Parameter
Schwerewellen entstehen, wenn atmosphärische Zirkulationssysteme gestört werden. Sie zeigen sich als periodische Temperatur-, Druck- und Windschwankungen, die sich bis hinauf in die mittlere Atmosphäre, die Stratosphäre und Mesosphäre umfasst, ausbreiten. Dort wo starke Windsysteme auf hohe Gebirge treffen, sind sie zu finden. In Neuseeland zeigt sich das Phänomen entlang der Strömung, die über die südlichen Alpen Neuseelands hinwegzieht. Schwerewellen wurden bereits über der südlichen Halbinsel Neuseelands und dem umgebenden südlichen Ozean beobachtet. Mit seinen in Nord-Süd-Richtung ausgedehnten Bergen direkt am Pazifischen Ozean ist Neuseeland ein idealer Standort, um den Lebenszyklus dieser Wellen zu untersuchen.
Damit die Lasermessungen möglichst störungsfrei verlaufen, finden die Forschungsflüge ausschließlich in der Nacht statt. "Für unsere Crew sind die zahlreichen Nachtflüge eine Herausforderung", erzählt DLR-Testpilot Philipp Weber. "Denn in der Dunkelheit sind Wolken und das damit verbundene Auftreten von Turbulenzen oder gar Vereisung, gerade in der Nähe der Berge, schwer zu erkennen."
Ausgangspunkt der Flüge ist jeweils Christchurch, wo die DLR-Falcon in einem Hangar am internationalen Flughafen untergebracht ist. Zuvor waren Forschungsflugzeug und Crew Ende Juni in sechs Tagen und elf Etappen vom heimischen DLR-Standort Oberpfaffenhofen bei München über die arabische Halbinsel, Indien, Südostasien und Australien bis auf die südliche Insel Neuseelands geflogen. Ende Juli steht die ebenso lange Heimreise an.
Laser erfassen Wolkentemperatur am Nachthimmel
Um die Schwerewellen durchgehend bis in die mittlere Atmosphäre zu erfassen, verteilt sich das Team der DEEPWAVE-Mission auf zwei Messflugzeuge und eine Bodenstation. Vor allem kommt dabei das laserbasierte Messverfahren LIDAR (Light Detecting and Ranging) zum Einsatz. "Unser Flugzeug, die DLR-Falcon, fliegt zehn bis zwölf Kilometer hoch und blickt mit dem LIDAR von dort nach unten in die Troposphäre hinein – in den Bereich, wo Schwerewellen durch die Überströmung von Bergen ausgelöst werden", erklärt Markus Rapp.
"Mit einem nach oben blickenden LIDAR fliegt dazu in ähnlichen Höhen die Gulfstream V des US-amerikanischen NCAR (letztes Bild), um den weiteren Wellenverlauf in der mittleren Atmosphäre zu verfolgen." Mittels der Laser messen die Forscher die Wind- und Temperaturschwankungen der Schwerewellen in der Atmosphäre. Ein beim neuseeländischen NIWA in Lauder in einem Container untergebrachtes mobiles LIDAR des DLR (drittes Bild) dient neben den Flugzeugmessungen als zusätzliche Informationsquelle. Damit können die Forscher von Schwerewellen ausgelöste Temperaturschwankungen in 30 bis 80 Kilometer Höhe vermessen. Ebenso setzen sie in Lauder Radiosonden ein, um die Wellen im Höhenbereich darunter, also vom Boden bis in 30 Kilometer Höhe zu erfassen.
Zukünftig will das DLR seine Kapazitäten für die Erforschung atmosphärischer Schwerewellen ausbauen. Dazu sind derzeit weitere nationale und internationale koordinierte Forschungskampagnen in Vorbereitung. Ziel ist es, in den nächsten Jahren bei der Beschreibung dieser Wellen in Wetter- und Klimavorhersagemodellen einen deutlichen Fortschritt zu erzielen.