Wolken können für die Erdatmosphäre sowohl einen wärmenden wie auch einen kühlenden Effekt haben. In aktuellen Klimamodellen sind detaillierte Bedingungen des Klimafaktors Wolke bisher noch unscharf erfasst. Es fehlen präzise Messungen, wie sich Wasser, Wasserdampf, Eispartikel und Wassertröpfchen bildende Aerosolpartikel in den hochaufragenden Kumuluswolken verteilen. Neue Messflüge in diese Regionen sollen diese Wissenslücke schließen helfen.
Das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) überschreitet diese Messgrenze und wird über weite Distanzen und bis in sehr große Höhen Wolken über dem Atlantik vermessen. Ebenso werden die Niederschlagsmengen erfasst. Vom 10. Dezember bis Weihnachten sind insgesamt drei Flüge vom DLR-Standort in Oberpfaffenhofen nach Barbados geplant.
Einzigartige Reichweite des HALO-Forschungsflugzeuges
HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen, und dies ist der erste HALO-Messflug, bei dem die Wolkenforschung im Mittelpunkt steht. Mitarbeiter des DLR in Oberpfaffenhofen starten gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-M) und der Universität Hamburg, der Universitäten zu Köln, Leipzig und Heidelberg sowie des Forschungszentrums Jülich zum Direktflug in Richtung der Karibikinsel. Die wissenschaftliche Leitung der Messflüge liegt beim MPI-M, das mit Prof. Bjorn Stevens und Dr. Lutz Hirsch zwei renommierte Wolkenforscher mit auf die Mission schickt.
"Mit den jetzt beginnenden Forschungsflügen über den Atlantik, schlagen wir ein weiteres Kapitel der HALO-Nutzung auf", sagt der Leiter des DLR-Forschungsflugbetriebs Oliver Brieger. "HALO wird bei den rund zehn Stunden dauernden Direktflügen seine Qualitäten als Forschungsträger mit einzigartiger Reichweite und Flughöhe erneut, nun für die Wolkenforschung, unter Beweis stellen."
Laser und Fallschirm-Sonden vermessen Wolken
Der aktuelle Flug ist Teil des Projekts NARVAL (Next-generation Aircraft Remote-Sensing for Validation Studies) und soll den Atmosphärenforschern detailliertere Informationen über die Beschaffenheit der tropischen Bewölkung liefern. Die Flüge über den Atlantik von Oberpfaffenhofen bis Barbados ergänzen dabei stationäre Beobachtungen am dortigen Wolkenobservatorium.
Messungen mit dem am DLR-Institut für Physik der Atmosphäre entwickelten und betriebenen Laser-Messgerät (LIDAR – light detection and ranging) liefern dabei wichtige Beiträge. Eine Technik, mit der nicht nur Staubteilchen erfasst werden, sondern mit der Forscher auch Luftwirbel direkt vor den Tragflächen vermessen wollen. "Neben der Feuchteverteilung in der Atmosphäre erhalten wir mittels der Lasermessungen auch Informationen über Schwebteilchen in der Luft", sagt Prof. Dr. Markus Rapp, Leiter des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre. "Diese sogenannten Aerosole haben eine direkte Auswirkung auf die Bildung der Wolken."
Die Daten tragen zu einem besseren Verständnis von Wolken- sowie Niederschlagsprozessen bei. Das LIDAR und weitere Fernerkundungsmessgeräte im Inneren des Flugzeugs sowie angebracht im "Belly Pod" unter dem Flugzeugrumpf, bestimmen vertikale Profile von Temperatur, Feuchte sowie der Verteilung von Wolkentröpfchen und Aerosolen.
Während des Fluges werden zudem sogenannte Dropsonden abgeworfen. Diese Radiosonden, die normalerweise mit einem Wetterballon von der Erde aufsteigen und auf ihrem Weg durch die Atmosphäre Wind, Temperatur und Feuchte messen, gleiten hierbei nach Abwurf aus dem Flugzeug an einem Fallschirm zu Boden.
Parallelflug mit Satellit zum Datenvergleich
Auf dem Hin- und Rückflug zur Insel Barbados mit dem dortigen Wolkenobservatorium des MPI-M wollen die Wissenschaftler im Idealfall auch Vergleichsmessungen mit dem Satelliten CloudSat durchführen. Der Satellit vermisst die atlantische Bewölkung in Bahnen quer zur Flugroute. Kurze Parallelflüge von HALO zu diesen Satellitenbahnen ermöglichen es, die Messungen des Satelliten zu überprüfen. Denn das Flugzeug fliegt deutlich tiefer und sieht die Wolken wesentlich genauer.
Die ersten drei Flüge Oberpfaffenhofen-Barbados bilden dazu den Missionsteil "NARVAL-Süd". Für den zweiten Flug ist dann ein lokaler Abstecher von Barbados in Richtung Osten durch die Passatbewölkung geplant. Ziel ist es, die Wolken zu erfassen, die direkt auf die Barbados-Messstation zuströmen und Daten des Messfluges mit Daten der Messstation an Land abzugleichen.
Stationierung auf Island: Blinder Fleck im Nordatlantik
Im Januar beginnt dann unter der Federführung der Universität Hamburg der zweite Teil der Mission: "NARVAL-Nord". Hierfür wird HALO auf Island stationiert, um die Rückseiten von Wolkenfronten über dem Nordatlantik zu untersuchen. Die Flüge ins Messgebiet entlang und quer zu den Wolkenfronten werden genutzt, um mit der einmaligen Kombination von aktiven und passiven Fernerkundungsmethoden die Struktur der Frontensysteme genauer zu vermessen.
Wie viel Niederschlag dort fällt, wird derzeit in der Wissenschaft heiß diskutiert, weil Satellitenbeobachtungen und Modellrechnungen unterschiedliche Ergebnisse liefern. "Es fehlen Messwerte, weil in diesen typischen Sturmzonen keine Schiffe fahren", erläutert Projektleiter Prof. Felix Ament vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. "Eine erfolgreiche HALO-Mission könnte wichtige Fakten liefern und gewissermaßen einen blinden Fleck auf der wissenschaftlichen Landkarte schließen."
HALO-Flugzeug für die Forschungsgemeinschaft
Das Forschungsflugzeug HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaates Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ, des Forschungszentrums Jülich und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).