„NewSpace“ lautet das Schlagwort, unter dem strömen immer mehr kommerziell geprägte Geschäftsmodelle auf den Raumfahrtmarkt drängen. Die Kommerzialisierung der Raumfahrt ist daher ein zentrales Thema beim 67. Deutschen Luft- und Raumfahrtkongress (DLRK) vom 04. bis 06. September 2018 in Friedrichshafen.
Private Unternehmer wie SpaceX-Gründer Elon Musk wollen den Weltraum mit neuen Technologien erobern und sind dabei erfolgreich. Für die internationale Raumfahrt ergeben sich durch die neuen Akteure Herausforderungen aber auch Chancen, den Weltraum schneller und günstiger zu erforschen. Der Kongress der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DGLR) ist das größte wissenschaftlich-technische Networking-Event der Branche. Jährlich treffen sich hier rund 600 Teilnehmer, um sich über die neuesten Entwicklungen in der Luft- und Raumfahrt auszutauschen.
Start-ups im All neue Konkurrenz
Den Auftakt des Vortragsprogramms am Dienstag macht Grazia Vittadini, CTO bei Airbus. In ihrem Plenarvortrag geht sie der Frage nach, inwieweit kommerzielle Technologien im All das Leben auf der Erde verändern können und welche Rolle Unternehmer und Start-ups aber auch etablierte Institute und Konzerne wie Airbus zukünftig spielen. Walther Pelzer, Vorstandsmitglied für das Raumfahrtmanagement beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), geht in seinem anschließenden Plenarvortrag davon aus, dass es verschiedene Wege einer Kommerzialisierung der Raumfahrt gibt. Es könne sein, dass die einen den anderen mit großen Sprüngen vorauseilen, aber auch eine Politik der „kleinen Schritte“ führe schließlich zum Ziel. Denn auch in der Raumfahrt gelten ökonomische Prinzipien.
Welche Möglichkeiten und Grenzen durch die kommerzielle Raumfahrt entstehen, analysieren Grazia Vittadini, Walther Pelzer, ESA-Astronaut Reinhold Ewald, ESA-Space-Debris-Analyst Holger Krag und Carsten Linz vom Softwarehersteller SAP bei der nachfolgenden Podiumsdiskussion. Bedenken herrschen vor allem bei Aspekten der Sicherheit oder auch dem zunehmenden Weltraummüll und lassen Fragen nach Zuständigkeiten und Regelungen im Zuge der steigenden Privatisierung der Raumfahrt lauter werden.
Auch die Internationale Raumstation ISS bietet zunehmend Chancen für die Kommerzialisierung. Die deutsche Beteiligung an den ISS-Programmelementen hat eine hohe wirtschaftliche Relevanz für die Bundesrepublik. Von europäischer Seite kümmert sich der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst derzeit um die Fortführung des Forschungsprogramms in Schwerelosigkeit. Bis Dezember ist Gerst noch an Bord der ISS. Der DLR-Missionsleiter der Horizons-Mission, Volker Schmid, berichtet beim DLRK aus erster Hand über Gersts Experimente und den Alltag an Bord der Raumstation.
Weltraumforschung für ein besseres Leben
Stichwort Alltag: Vom Satellitenfernsehen über das Navigationsgerät bis hin zur Wettervorhersage – viele Selbstverständlichkeiten im täglichen Leben wären ohne die Raumfahrt nicht möglich. Und der Bedarf nach neuen Erkenntnissen aus dem All steigt: Globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel oder der Digitalisierung kann nur mit Innovationen und neuen Technologien begegnet werden. Die Raumfahrt liefert dazu neues Wissen, das nicht nur auf der Erde allein generiert werden kann.
Viele der insgesamt rund 280 Vorträge beim DLRK beschäftigen sich deswegen mit der Frage, wie die Raumfahrt das Leben auf der Erde weiter verbessern kann. So werden auch einige Projekte aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) vorgestellt. Wie zum Beispiel das Projekt COP4EE, das die Gestaltung der Energiewende verbessern soll. Die Forscher nutzen Satellitenbilddaten, um das Potenzial von Windkraftanlagen, Photovoltaik und Fernwärme sowie die Produktion von Biomasse räumlich detailliert zu bestimmen.
High-Tech und neue Raketen
In knapp zwei Jahren, im Juli 2020, soll die neue europäische Ariane-6-Rakete zum ersten Mal starten. Viele Systeme befinden sich in der Entwicklungs- und Testphase. Den genauen Stand erläutern Vortragende beim DLRK. So erhalten die Teilnehmer zum Beispiel eine aktuelle Entwicklungsübersicht von der Ariane-6-Oberstufe. Mit dieser Neuentwicklung soll das Ariane-Trägersystem technisch weiterentwickelt und kostengünstiger werden, um auf die schnellen Veränderungen im kommerziellen Trägermarkt reagieren und konkurrenzfähig bleiben zu können. Dafür werden auch Verantwortlichkeiten, Kosten und Risiken im europäischen Trägersektor zukünftig zwischen der ESA und der europäischen Raumfahrtindustrie geteilt.
Auch bei den Antrieben muss langfristig gedacht werden, um auf dem internationalen Raumfahrtmarkt erfolgreich zu sein. Elektrische Antriebssysteme gelten als besonders zukunftsträchtige Raumfahrttechnologie zum Beispiel bei Satelliten. Sie haben zwar weniger Schubkraft, verfügen dafür aber über eine deutlich höhere Treibstoff-Effizienz als herkömmliche chemische Triebwerke. So können Satelliten leichter und langlebiger werden. Der DLRK stellt Entwicklungsfortschritte und aktuelle Trends bei Stromversorgungen für elektrische Triebwerke vor.
Bevor es am Dienstag mit dem Vortragsprogramm des DLRK losgeht, kommen Raumfahrtinteressierte schon am Tag zuvor auf ihre Kosten. Airbus Defence & Space lädt die Kongressteilnehmer zu einer technischen Besichtigungstour am Unternehmensstandort Immenstaad am Bodensee bei Friedrichshafen ein. Hier wird vor allem die Entwicklung von Satelliten, Instrumenten und Komponenten für Erdbeobachtung, Meteorologie und die wissenschaftliche Weltraumerkundung vorangetrieben.