Weltweit erstmalig wird ein Zeppelin für die Küsten- und Meeresforschung eingesetzt. Das Luftschiff startete heute unter der Flagge des Wissenschaftsjahres Meere und Ozeane vom Flughafengelände Berlin-Schönefeld aus zu der Expedition „Uhrwerk Ozean“.
In den nächsten zwölf Tagen suchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) im Gebiet zwischen Usedom und Bornholm nach Meereswirbeln, um diese zu vermessen.
Potenziell großer Einfluss aufs Klima
Um die Meere zu verstehen, müsse noch viel geforscht werden, betonte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka. Dafür brauche es hochtechnische Geräte. Mit dem Einsatz eines Zeppelins und exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und seine Forschungsinfrastruktur nehme Deutschland hier international eine Spitzenposition ein. Die grundlegenden ozeanografischen Prozesse dieser kleinen Wirbel, die wie die Zahnräder eines großen Uhrwerks ineinander greifen, sind nahezu unerforscht. Es wird angenommen, dass sie einen großen Einfluss auf die Nahrungskette der Ozeane, die Algenblüte und das Klima haben.
„Die Expedition ‚Uhrwerk Ozean‘ wird unser Verständnis von klimatischen und ozeanografischen Zusammenhängen grundlegend verändern“, erläuterte Dr. Otmar Wiestler, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. „Sie zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie wichtig es für uns alle ist, dass unsere besten Köpfe sich der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie z.B. des Klimawandels, annehmen.“ Auf der Konferenz wurde auch der diesjährige „Jugend forscht“-Sieger Alexander Rotsch mit dem Preis für die beste interdisziplinäre Arbeit ausgezeichnet. Er gewann neben einer Teilnahme am London International Youth Science Forum auch einen Rundflug im Forschungszeppelin über Berlin.
Das unbekannte „Uhrwerk Ozean“
Im Takt von Wind und Gezeiten transportieren die globalen Meeresströme, wie zum Beispiel der Golfstrom, riesige Wassermassen. Vergleichbar mit den Rädern eines sich ständig bewegenden Uhrwerks sind diese Meeresströme eng mit großen Wirbeln verzahnt. Den bisherigen Satellitenmessungen blieb verborgen, dass sich nahe der Wasseroberfläche noch weitere unzählige kleine Wirbel drehen. Während diese Wirbel das Wasser intensiv vermischen, bilden sich Turbulenzen. Dadurch haben diese vergleichsweise kleinen bislang kaum erforschten „Zahnräder“ wahrscheinlich einen großen Einfluss auf die Ozeanzirkulation, die Nahrungskette der Ozeane, das Klima sowie das Wachstum von Algenblüten.
„Mit einem Durchmesser von etwa 100 Metern bis zu zehn Kilometern und einer Lebensdauer von wenigen Stunden bis zu einem Tag stellen diese kleinen Meereswirbel noch immer eines der großen Rätsel der Ozeanografie dar“, erläuterte Prof. Dr. Burkard Baschek, Leiter am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Die Vermessung der Wirbel setzt eine besondere Messtechnik und Schnelligkeit voraus und gelang einem internationalen Team unter der Leitung von Baschek weltweit erstmalig im Jahr 2009.
Temperaturunterschiede von 0,03 Grad Celsius
Der am 15. Juni in Friedrichshafen gestartete 75 Meter lange Zeppelin NT, ist mit Spezialkameras ausgerüstet und soll diese kleinen Meereswirbel in der Ostsee aufspüren. Mit dem Zeppelin können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – anders als mit bis dato eingesetzten Forschungsflugzeugen – direkt über den Wirbeln parken. Spezialkameras können Temperaturunterschiede an der Meeresoberfläche von etwa 0,03 Grad Celsius messen und das Farbspektrum des Meerwassers erfassen. Aus den gewonnen Daten wird bestimmt, wie sich der kalte Kern des Wirbels mit dem außen liegenden warmen Wasser vermischt und wie Mikroalgen darauf reagieren. „Mit dieser Messtechnik erzielen wir eine Auflösung, die um eine Million genauer ist als die von Satelliten“, verdeutlichte Baschek.
Zeppelin als Botschafter
„Wir freuen uns, dass der Zeppelin auch das Logo des Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane trägt und wir dazu beitragen können, die Sichtbarkeit dieser Initiative zu stärken“, erklärte Prof. Wolfgang Kaysser, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen die Ozeane seit langem; und doch sind sie noch immer in weiten Teilen unerforscht. Im Wissenschaftsjahr 2016*17 geht es um die Entdeckung der Meere und Ozeane, ihren Schutz und eine nachhaltige Nutzung.
Die Wissenschaftsjahre sind eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog (WiD). Sie tragen als zentrales Instrument der Wissenschaftskommunikation Forschung in die Öffentlichkeit und unterstützen den Dialog zwischen Forschung und Gesellschaft. Das Wissenschaftsjahr 2016*17 wird vom Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM) als fachlichem Partner begleitet.
Unter der Federführung von Prof. Dr. Burkard Baschek, Institutsleiter am Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) sind mehr als 40 weitere Ozeanografen beteiligt. Neben verschiedenen Gruppen des HZG sind das Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, die Universität Lübeck und das Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven mit von der Partie. Aus den USA nehmen das Naval Research Laboratory und die Woods Hole Oceanographic Institution an der Expedition teil.
Auf dem Foto (v.l.n.r.): Der Zeppelin startet in Berlin seinen Forschungsflug zur Ostsee: Staatssekretär Georg Schütte vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (Mitte) mit Wolfgang Kaysser (Wissenschaftlicher Geschäftsführer der Helmholtz-Gemeinschaft), Otmar Wiestler (Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft), Alexander Rotsch („Jugend forscht“-Sieger) und Expeditionsleiter Burkard Baschek.