Der Luftfahrzeugführer startete um ca. 09:00 Uhr zu einem Flug nach Sichtflugregeln (VFR) vom Sonderlandeplatz Stade (EDHS) zum Flughafen Heringsdorf auf Usedom (EDAH), wo er zu einem Geschäftstermin erwartet wurde.
Kurz nach dem Start meldete er sich bei Hamburg Turm und erbat das Durchfliegen der Kontrollzone vom Pflichtmeldepunkt WHISKEY nach DELTA.
Identifikation
- Art des Ereignisses: Unfall
- Datum: 19. Dezember 2016
- Ort: nahe Flughafen Heringsdorf
- Luftfahrzeug: Flugzeug
- Hersteller / Muster: Costruzioni Aeronautiche Technam / P 2006 T
- Personenschaden: Pilot tödlich verletzt
- Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
- Drittschaden: Flurschaden
Ereignisse und weiterer Flugverlauf
Aufgrund der Radaraufzeichnungen der zuständigen Flugsicherungsorganisation konnte der Flugverlauf rekonstruiert werden. Der aufgezeichnete Flugweg deutet darauf hin, dass das Luftfahrzeug nach dem Ausflug aus der Kontrollzone Hamburg überwiegend mit aktiviertem Autopilot flog. Abb. 2 zeigt die Radaraufzeichnung des gesamten Fluges.
Nach einer Flugzeit von ca. 01:10 Stunden meldete sich der Pilot um 10:10:12 Uhr über Funk beim Flugleiter in Heringsdorf und teilte seine Landeabsicht mit. Darauf antwortete der Flugleiter: „[…] ich bezweifle das sie hier landen können, wir haben overcast einhundert.“
Der Luftfahrzeugführer erwiderte: „[…] hier in Anklam ist es noch gut.“ Die Antwort des Flugleiters lautete: „Wir haben hier Sichten bei drei Kilometern, overcast bei einhundert, komplett dicht.“ Luftfahrzeugführer: „Ja, ich flieg erstmal hin, sonst gehe ich nach Anklam.“ Das Luftfahrzeug befand sich zu dieser Zeit östlich des Verkehrslandeplatzes Anklam (EDCA).
Der nächste Funkkontakt mit dem Flugleiter erfolgte um 10:13:50 Uhr, während das Luftfahrzeug über den Pflichtmeldepunkt WHISKEY, der nicht aktiven Kontrollzone des Flughafens Heringsdorf flog. Der Luftfahrzeugführer meldete: „[…] bei WHISKEY ist noch gute Sicht.“ Der Flugleiter erwiderte: „[…] verstanden, na dann fliegen sie mal weiter an und schauen mal.“ Abb. 3 zeigt einen Ausschnitt der Sichtanflugkarte Heringsdorf.
Um 10:17:48 Uhr bot der Flugleiter aufgrund leichter Sichtverbesserung die Piste 10 zur Landung an. Der Luftfahrzeugführer setzte den Anflug zur Piste 28 fort und befand sich zu dieser Zeit nahezu südlich des Flughafens. Die letzte Radardatenaufzeichnung der zuständigen Flugsicherungsorganisation erfolgte um 10:19:05 Uhr. Das Luftfahrzeug befand sich zu dieser Zeit ca. 2 NM südöstlich der Piste 28 in ca. 900 ft AMSL. Mit den Radardaten der Bundeswehr konnte der weitere Flugweg rekonstruiert werden. Abb. 4 zeigt den weiteren rekonstruiertern Flugweg; Zeitangaben in UTC.
Um 10:19:58 Uhr fragte der Flugleiter nach der Position des Flugzeuges. Zu dieser Zeit hatte das Luftfahrzeug den Radardaten nach eine Flughöhe von ca. 470 ft AGL. Der Luftfahrzeugführer antwortete: „Ich bin gerade über den Platz geflogen, ich versuche mal die eins eins.“ Der Flugleiter übermittelte den aktuellen Wind und sagte weiter „[…] Landung nach eigenem Ermessen auf der eins null.“ Der Luftfahrzeugführer bestätigte die übermittelte Information mit seinem Luftfahrzeugkennzeichen.
Unmittelbar danach fragte der Flugleiter, ob der Luftfahrzeugführer die Befeuerungsanlage benötige. „Wäre nicht verkehrt, wenn das geht.“, lautete die Antwort aus dem Cockpit. Das Luftfahrzeug befand sich zu dieser Zeit nördlich der Piste kreisend über dem Waldgebiet. Zwischen 10:20:12 Uhr und 10:20:53 wurde vom Radar ein Steigflug von ca. 470 ft AGL auf ca. 1.170 ft AGL aufgezeichnet.
Um 10:21:38 Uhr wurde das Einschalten der Beleuchtung durch den Flugleiter an den Luftfahrzeugführer weitergegeben, mit dem Hinweis auf Bauarbeiten querab der Schwelle 10. Diese übermittelte Information wurde vom Piloten wiederum mit dem Luftfahrzeugkennzeichen bestätigt. Das Luftfahrzeug befand sich wiederum im Sinkflug und gegen 10:21:54 Uhr wurde eine Flughöhe von ca. 370 ft AGL aufgezeichnet. Vom Radar wurde das letzte Signal um 10:22.04 Uhr mit ca. 470 ft aufgenommen. Ab 10:26:52 Uhr wurde der Luftfahrzeugführer mehrmals vom Flugleiter über Funk gerufen, aber es kam keine Antwort.
Zur gleichen Zeit gab ein Zeuge telefonisch bei der Polizei an, dass er zunächst ein Flugzeug mit zwei Propellern sehr tief fliegend gesehen habe. Dieses verschwand seiner späteren Aussage nach wieder in den Wolken, nach kurzer Zeit habe er dann wieder Motorengeräusche und anschließend einen lauten Knall gehört. Zwei weitere Zeugen, die auf dem Flughafengelände tätig waren, sahen ein Flugzeug dicht über dem Wald fliegen. Das Flugzeug flog zwei Kreise dicht über den Bäumen, zog dann nochmal kurz hoch und verschwand in den Wolken. Nach einer kurzen Suche der alarmierten Polizei wurde das zerstörte Luftfahrzeug im Hochwald, auf einem ehemaligen Bahndamm nördlich des Flughafens, gefunden. Der Pilot wurde tödlich verletzt.
Angaben zu Personen
Der 74-jährige Luftfahrzeugführer war seit dem 09.01.2014 Inhaber einer EU-Lizenz gemäß Teil-FCL für Privatpiloten. Er besaß die Berechtigungen als verantwortlicher Pilot auf ein- und mehrmotorigen Landflugzeugen (SEP/MEP land), gültig bis zum 30.06.2017. Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis zum 01.07.2018 gültig, verbunden mit der Auflage eine Brille zu tragen.
Er besaß ein Allgemein Gültiges Sprechfunkzeugnis für den Flugfunkdienst (AZF). Die Gesamtflugerfahrung betrug ca. 1.337 Stunden, davon ca. 47 Stunden auf dem betroffenen Muster. In den letzten 90 Tagen betrug seine Flugzeit ca. 05:49 Stunden.
Angaben zum Luftfahrzeug
Die Tecnam P 2006 T ist ein zweimotoriger Hochdecker mit Einziehfahrwerk und Zweiblatt-Festdrehzahlpropellern. Die Tragflächen sind mit Winglets ausgerüstet. Das Luftfahrzeug war mit zwei Rotax-912-Motoren mit einer Leistung von je 74 kW (100 PS) ausgestattet, in den Tragflächen waren zwei 100-Liter-Tanks eingebaut. Laut Wägeprotokoll lag die Leermasse bei 874 kg. Die höchstzulässige Abflugmasse betrug 1.230 kg. Das Flugzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und wurde von einem privaten Halter betrieben. Die Grafik in Abb. 4 zeigt die Konturen einer Tecnam 2006 T.
An dem im Jahr 2016 gebauten Flugzeug erfolgte die Prüfung der Lufttüchtigkeit am 11.02.2016. Das Luftfahrzeug hatte seit der letzten Kontrolle eine Betriebszeit von ca. drei Stunden. Die Gesamtflugzeit betrug ca. 51:25 Stunden mit 77 Starts und Landungen. Das Luftfahrzeug war mit einem GPSmap-695-Glascockpit und nem 2-Achsen-Autopilot ausgerüstet.
Meteorologische Informationen
Die Routinewettermeldung (METAR) für den Flughafen Heringsdorf lautete um:
- 07:20 UTC: Wind 180°/06 KT, Bodensicht 3.200 m; Bedeckungsgrad 8/8 in 100 ft; Temperatur 02 °C/Taupunkt 02 °C; QNH 1.032 hPa
- 07:50 UTC: Wind 180°/05 KT, Bodensicht 3.300 m; Bedeckungsgrad 8/8 in 100 ft; Temperatur 02 °C/Taupunkt 02 °C; QNH 1.032 hPa
- 08:20 UTC: Wind 190°/05 KT, Bodensicht 3.700 m; Bedeckungsgrad 8/8 in 100 ft; Temperatur 02 °C/Taupunkt 02 °C; QNH 1.032 hPa
- 08:50 UTC: Wind 200°/04 KT, Bodensicht 3.500 m; Bedeckungsgrad 8/8 in 100 ft; Temperatur 02 °C/Taupunkt 02 °C; QNH 1.032 hPa
- 09:20 UTC: Wind 200°/04 KT, Bodensicht 3.200 m; Bedeckungsgrad 8/8 in 100 ft; Temperatur 02 °C/Taupunkt 02 °C; QNH 1.032 hPa
Der Pilot hatte vor dem Flug mehrmals die aktuellen Wetterdaten beim Deutschen Wetterdienst (DWD) abgerufen und sich zusätzlich eine telefonische Flugwetterberatung eingeholt. Nachfolgend einige Auszüge aus dem umfassenden Wettergutachten des DWD.
Der Pilot des Luftfahrzeuges- […]- war Kunde beim Deutschen Wetterdienst mit Zugangsdaten zum Pilotenbriefingportal pc_met Internet Service. Mit seiner persönlichen Kundenkennung wurden am 19.12.2016 Wetterdaten vor dem Startzeitpunkt abgerufen. Außerdem hat Herr […] telefonisch eine individuelle Flugwetterberatung an der LBZ Nord eingeholt.
Daraus ist ersichtlich, dass der erste Wetterdatenabruf bereits um 04:42 UTC erfolgte. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Übersicht der GAFOR-Vorhersage Deutschland aufgerufen. Da jedoch die erste GAFOR-Vorhersage im Winterhalbjahr erst um 04:55 UTC veröffentlicht wird, wurde um 04:42 UTC noch die letzte GAFOR-Vorhersage vom Vortag angezeigt.
Ein zweiter Datenabruf wurde zwischen 05:36 und 05:50 UTC durchgeführt. Dort wurde erneut die GAFOR-Übersicht Deutschland aufgerufen. Es wurde die GAFOR-Vorhersage, die von 06:00 bis 12:00 UTC gültig war, mit den drei Karten für die zweistündigen Vorhersagezeiträume angezeigt. Danach wurde die Karte für den Zeitraum 08:00 bis 10:00 UTC angeklickt, um in die Detailansicht zu gelangen. […] Die Karte wurde auf Grundlage der GAFOR-Einstufungen, die um 04:55 UTC veröffentlicht wurden, erstellt. Jedes Gebiet ist entsprechend der GAFOR-Einstufung eingefärbt. Außerdem sind die Einstufung und das erwartete Wetter in das Gebiet eingetragen. Verweilt der Mauszeiger des Computers über einem GAFOR-Gebiet, werden zusätzliche Informationen angezeigt, z.B. Nummer und Bezugshöhe des Gebietes sowie Detailinformationen zur GAFOR-Einstufung wie die räumliche Ausdehnung des vorhergesagten Wetters.
Der letzte Datenabruf erfolgte etwa eine Dreiviertelstunde vor dem Start um 07:16 UTC. Es wurde erneut die Übersicht der GAFOR-Vorhersage Deutschland für den Zeitraum 06:00 bis 12:00 UTC aufgerufen. Dabei wurde die amendierte Vorhersage der LBZ Nord von 06:44 UTC berücksichtigt […]. Der andere Teil der meteorologischen Flugvorbereitung war das telefonische Beratungsgespräch mit dem Flugwetterberater der LBZ Nord. Es fand am Unfalltag zwischen 05:57 und 06:04 UTC statt.
Herr […] begann das Gespräch mit der Frage nach dem Wetter zwischen Hamburg und Heringsdorf für den fraglichen Morgen ab 08:00 UTC. Die Gegenfrage des Flugwetterberaters „VFR oder IFR?“ beantwortete er mit „VFR“. Daraufhin entgegnete der Berater, dass das Wetter auf dieser Strecke nur eingeschränkt VFR-tauglich ist und schilderte anfangs die Wetterlage, wonach ein schwacher Hochdruckeinfluss vorherrschend ist. Danach beschreibt er, dass über dem Meer, Schleswig-Holstein und Hamburg die Bedingungen relativ gut sind, weil dort etwas trockenere Luft eingeflossen ist. Da der Bodenwind aber nun zurück auf Südost dreht, wird wieder feuchtere Luft herangeführt.
Suche nach alternativen Flugrouten
Der Flugwetterberater sagt, dass es in Mecklenburg-Vorpommern aktuell noch relativ verbreitet Nebel und darüber eine Stratocumulus(SC)-Schicht mit Untergrenzen zwischen 2.000 und 3.000 ft AGL auftritt. Er gibt zu bedenken, dass Nebel und Stratocumulus zeitweise auch zusammenwachsen können, z.B. meldet Stettin derzeit 600 ft AGL. Der Flugwetterberater schildert weitere aktuelle Beobachtungswerte: Hamburg hat eine Sicht von zehn km oder mehr, auf der Höhe Boizenburg bis Schwerin gibt es die ersten Sichteinschränkungen in Form von Dunst und Nebel, teilweise 200 bis 700 m dicht. Danach erwähnt er nochmals die darüber liegende SC-Bewölkung in 2.000 bis 3.000 ft AGL. Der Flugwetterberater informiert Herr […], dass Heringsdorf selbst noch keine Wettermeldung veröffentlicht hat und dass seiner Einschätzung nach im unmittelbaren Zielbereich mit Stratusfeldern zwischen 600 bis 1.300 ft AGL gerechnet werden muss. Er schließt seine Ausführungen mit der Aussage, dass es aus seiner Sicht bis 09:00 oder 10:00 Uhr local time kaum möglich sein wird, die Strecke VFR zu bewältigen.
Während der Schilderungen des Flugwetterberaters äußerte Herr […] immer wieder ein zustimmendes „Ja“ oder „Hm“. Nun fragte er direkt, ob die Bedingungen später besser oder schlechter werden. Der Flugwetterberater antwortet, dass es tendenziell etwas besser werden sollte, dass aufgrund der Jahreszeit jedoch keine großen Sprünge zu erwarten seien. Es sei schwer zu sagen, ob sich der Nebel überall auflöst oder Dunst und Stratus bleiben, z.B. meldet der Automat Ueckermünde aktuell sieben Achtel in 100 ft AGL und darüber die SC-Bewölkung. Anschließend schildert der Flugwetterberater eine Flugstrecke als Option, bei der eine erfolgreiche Flugdurchführung am wahrscheinlichsten wäre: an der Ostseeküste entlang und von Norden her die Insel Usedom anfliegen, da aus den Bereichen Ueckermünde und Stettin, dort wo der Stratus liegt, auch die Insel angeströmt wird. Es besteht dann jedoch die Gefahr, dass man in EDAH letztendlich nicht landen kann. Daraufhin erwidert Herr […], dass er dann wahrscheinlich später nochmal nach dem Wetter fragt. Der Flugwetterberater bestärkt den Piloten in diesem Vorhaben und empfiehlt in jedem Falle die erste Wettermeldung von Heringsdorf abzuwarten, um dann zu überlegen, ob die empfohlene Flugstrecke Sinn macht. Herr […] bedankt sich für das Gespräch und gibt seine LFZ-Kennung […] durch. Der Flugwetterberater antwortet, dass es eine gute Entscheidung ist, man sich ggf. später nochmal hört und beendet das Telefonat.
Fazit des DWD
Die bei der Flugvorbereitung am Unfalltag eingeholten Informationen zeigen die zu erwartenden kritischen Sichtflugwetterbedingungen für die geplante Strecke Stade-Heringsdorf und die Flugzeit zwischen 08:00 und 10:00 UTC im Bereich Mecklenburg- Vorpommern. Das gilt sowohl für die routinemäßig vom DWD ausgegebene GAFOR- Vorhersage (M8 ISOL FG) als auch für die telefonische Flugwetterberatung durch einen Mitarbeiter der LBZ Nord. Zudem kann nicht nachvollzogen werden, ob sich der Pilot die aktuellen METAR-Wettermeldungen von Heringsdorf von 07:20 und 07:50 UTC vor Beginn des Fluges angeschaut hat, wie bei der telefonischen Flugwetterberatung empfohlen.
Die tatsächlichen Bedingungen entlang der Flugstrecke waren – vor allem was die Ceiling betrifft – schlechter als die GAFOR-Einstufung Mike. Entlang des Flugweges waren zwischen dem Schweriner und dem Kummerower See durchweg X-Ray-Bedingungen gemeldet. Laut den Radaraufzeichnungen des Flugweges, die die BFU dem DWD zur Verfügung gestellt hat, ist die Maschine […] die Strecke zwischen den Ortschaften Trittau (in Schleswig-Holstein) und Anklam in 2.000 ft AMSL geflogen.
Die Schichtwolkenanalysen der Radiosondenmessungen der Stationen Bergen um 06:00 UTC (in Anlage 14) und Greifswald um 12:00 UTC (in Anlage 11) legen jedoch nahe, dass aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit von über 85 Prozent in diesem Niveau der Pilot nur eine sehr geringe Sichtweite unterhalb der SC-Schicht hatte oder er direkt in den Wolken geflogen ist. Ein Flug nach Sichtflugregeln kann bei diesen Bedingungen nicht durchgeführt werden.
Es liegen keine Wettermeldungen vom Westteil der Insel Usedom vor, von wo der Pilot (über WHISKEY) den Flugplatz EDAH angeflogen ist. Daher können nur Aussagen anhand der Flugplatzwettermeldungen (METAR) von Heringsdorf abgeleitet werden. Die meteorologische Sichtweite lag zum Unfallzeitpunkt etwa bei 3 km oder etwas darunter. Die Ceiling wurde lediglich in 100 ft AGL beobachtet. Das bedeutet, dass auch beim Landeversuch in Heringsdorf die Sichtflugminima zum Teil deutlich unterschritten waren.
Funkverkehr
Zwischen dem Luftfahrzeug und Hamburg Turm bestand in der Zeit von 09:02:26 Uhr und 09:16:30 Uhr auf der Frequenz 121,275 MHz eine Funkverbindung. Im weiteren Flugverlauf bestand ab 10:10:12 Uhr eine Funkverbindung mit Heringsdorf Info auf der Frequenz 132,825 MHz. Der Funkverkehr wurde von beiden Bodenfunkstellen aufgezeichnet und stand der. BFU zur Auswertung zur Verfügung. Navigationshilfen waren keine verwendet.
Angaben zum Flugplatz
Der Flughafen Heringsdorf befindet sich vier nautische Meilen südlich von Heringsdorf auf der Insel Usedom. Er verfügt über eine befestigte Landebahn in den Richtungen 103°/283° mit den Abmessungen 2.305 mal 35 Metern bei einer Flugplatzhöhe von 94 ft AMSL. Der Flughafen ist von einer zeitweise aktiven Kontrollzone (CTR)(HX) mit der Obergrenze von 2.500 ft MSL umgeben. Er ist für beide Landrichtung mit einer, in der Helligkeit regelbaren, Anflug- und Pistenrandbefeuerung sowie einer optischen Gleitweganzeige (PAPI) ausgerüstet.
Flugdatenaufzeichnung
Das Luftfahrzeug war nicht mit einem Flugdatenschreiber (FDR) oder einem Cockpit Voice Recorder (CVR) ausgestattet. Keiner der Rekorder war durch entsprechende luftrechtliche Regelungen gefordert. Der Flugweg wurde durch die zuständige Flugsicherungsorganisation aufgezeichnet, deren Datenmaterial der BFU zur Verfügung stand.
Eine weiterführende Aufzeichnung des Flugweges wurde durch das Amt für Flugsicherung der Bundeswehr (AFSBw) bereitgestellt und stand der BFU ebenfalls für die Auswertung zur Verfügung. Diese Radardatenaufzeichnung erfolgte in dem Zeitraum von 10:17:20 Uhr bis um 10:22:04 Uhr. Die Daten für Position, Geschwindigkeit sowie die Flughöhe wurden in einer Zehn-Sekunden-Rate aufgezeichnet.
Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Die Unfallstelle befand sich ca. 300 Meter nördlich der Piste in einem Hochwald mit Mischbaumbestand. Abb. 5 zeigt eine Übersicht des Flughafens Heringsdorf. Die erste Berührung des Luftfahrzeuges fand mit der Tragfläche an einem ca. 25 Meter hohen Baum statt. Die Schneise durch die Bäume bis zur Endlage des Wracks verlief nahezu gradlinig in Richtung 291°.
Nach der ersten Baumberührung wurden ein ca. 22,5 Meter hoher Baum im Bereich der Krone sowie ein ca. 60 cm starker Baumstamm in einer Höhe von ca. 14,5 Meter gekappt. In der Schneise hingen mehrere kleinere Teile des Rumpfes sowie Gegenstände aus dem Cockpit in den Bäumen. Am Fuß eines ca. 40 cm dicken Baumstammes lag ca. sechs Meter vor dem Hauptwrack, das aus der rechten Tragfläche gerissene Triebwerk am Boden. Das Luftfahrzeug war bis auf die Tragflächen und das Heck fast vollständig verbrannt. Das Titelbild zeigt das Flugzeugwrack an der Unfallstelle.
Medizinische und pathologische Angaben
Die Leiche des Piloten wurde obduziert. Der Rechtsmedizin nach ist der Pilot nach stumpfer Gewalteinwirkung im Brust / Bauchbereich mit Durchtrennung der Wirbelsäule verstorben. Es wurden keine Hinweise auf eventuelle gesundheitliche Beeinträchtigungen festgestellt. Aufgrund der beim Absturz erlittenen Verletzungen war der Unfall für den Piloten nicht überlebbar.
Brand
Beim Eintreffen der Polizei am Unfallort wurde ein Brand am Luftfahrzeug festgestellt. Der Versuch, diesen mit einem Feuerlöscher des Einsatzfahrzeuges zu bekämpfen, blieb erfolglos. Die Brandlöschung begann durch die alarmierten Freiwilligen Feuerwehren gegen 10:50 Uhr.
Versuche und Forschungsergebnisse
GARMIN GPSmap 695
Das Main board aus dem GARMIN GPSmap 695 konnte an der Unfallstelle geborgen werden und wurde dem Flugschreiberlabor der BFU zum Auslesen von Flugwegdaten übergeben. In der Zusammenarbeit mit den Kollegen der französischen Untersuchungsbehörde (BEA) wurde festgestellt, dass der entsprechende Speicherchip nicht mehr auf der Platine vorhanden war und damit keine Daten des Flugweges zur Verfügung standen.
Organisationen und deren Verfahren
Die Mindest-Sichtwetterbedingungen für Flugsicht und Abstand von Wolken im Luftraum GOLF und FOXTROTT waren im Anhang SERA.5001 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 wie folgt festgelegt:
In und unter 900 Meter (3.000 ft) über MSL oder 300 Meter (1.000 ft) über Grund; die größere Höhe ist maßgebend Flugsicht fünf km, frei von Wolken und mit Bodensicht.
In der Luftverkehrsordnung (LuftVO) § 40 sind die Mindestsichtwetterbedingungen in den Lufträumen der Klassen F und G nachfolgend genannt.
In den Lufträumen der Klassen F und G gelten ergänzend zu Anhang SERA.5001 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 923/2012 folgende Mindestwerte für Flugsicht:
1.
1.500 Meter in und unter 900 Metern (3.000 Fuß) über Normalnull oder 300 Meter (1.000 Fuß) über Grund für Flüge
a) mit einer Geschwindigkeit von 140 Knoten oder weniger, sodass anderer Verkehr und Hindernisse rechtzeitig genug erkannt werden können, um Zusammenstöße zu vermeiden,
b) unter Bedingungen, in denen die Wahrscheinlichkeit eines Zusammentreffens mit anderem Verkehr in der Regel gering ist, zum Beispiel in Gebieten mit geringem Verkehrsaufkommen und bei Arbeitsflügen in geringer Höhe,
2. […]
Es ist jeweils die größere Höhe maßgeblich.
Zusätzliche Informationen
Fluglotse/Flugleiter
Der diensthabende Fluglotse auf dem Kontrollturm in Heringsdorf übt bei einer nicht aktiven Kontrollzone die Funktion eines Flugleiters aus und hat damit andere Rechte und Pflichten. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass der Flugleiter gegenüber den in der Luft befindlichen Luftfahrzeugführern nur eine beratende Funktion hat. Demzufolge gibt er keine Anweisungen über Funk, sondern lediglich Empfehlungen, Ratschläge und Informationen. Letztendlich bleibt die Entscheidung, den Flug rechtzeitig abzubrechen oder fortzuführen beim Luftfahrzeugführer.
Beurteilung
Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und für Flüge nach Instrumentenflugregeln ausgerüstet. Der Luftfahrzeugführer war für die Durchführung des Fluges nach Sichtflugregeln ausreichend qualifiziert. Seine Gesamtflugerfahrung ist als gut und die Erfahrung auf dem Muster als gering einzuschätzen. In seiner Lizenz war keine Instrumentenflugberechtigung eingetragen. Diese Berechtigung ist aber für Flüge in Instrumentenwetterbedingungen (Instrument Meteorological Conditions, IMC) zwingend notwendig.
Der Einflug in IMC ohne entsprechende Ausbildung kann schnell den Verlust der räumlichen Orientierung zur Folge haben. Die alleinige Zulassung des Luftfahrzeuges für Flüge nach Instrumentenflugbedingungen sowie Ausrüstung des Luftfahrzeuges mit einem Autopiloten und deren Nutzung reicht zur Durchführung eines Fluges in IMC nicht aus.
Während der zur Unfallzeit herrschenden Wetterbedingungen gab es erhebliche Einschränkungen den Sichtflugbedingungen. Diese verschlechterten sich mit Annäherung an den Flughafen bis hin zu Instrumentenwetterbedingungen. Schon während des Fluges nach Heringsdorf war das Luftfahrzeug laut des Wettergutachtens teilweise in IMC geflogen.
Aus dem Funkverkehr mit dem Flugleiter am Flughafen Heringsdorf ging hervor, dass der Luftfahrzeugführer kurz vor dem Flughafen noch Sichtflugbedingungen hatte. Obwohl der Flugleiter mehrmals den Piloten informierte, dass aufgrund der aktuellen Wetterbedingungen eine Landung nicht möglich sei, setzte der den Anflug fort. Eventuell ermutigt durch die Bemerkung des Flugleiters „na dann fliegen sie mal weiter und schauen mal“, versuchte er doch noch den Flughafen zu erreichen. Dabei wurde höchstwahrscheinlich der Mindestwert für Flugsicht von 1.500 Metern unterschritten.
Die vom Piloten geäußerte Absicht es noch auf der Piste 10 zu probieren deutet darauf hin, dass sich ein gewisser Handlungsdruck bei ihm aufbaute doch in Heringsdorf zu landen. Unklar blieb, warum der Pilot den Anflug weiter versuchte, obwohl er selbst vorher über Sprechfunk die Möglichkeit nach Anklam auszuweichen, in Betracht gezogen hatte. Wie die Radaraufzeichnungen zeigten flog der Pilot östlich der Piste in nördlicher Richtung über die Anfluggrundlinie der Piste 28 in ca. 470 ft AGL hinweg und änderte danach seinen Flugweg in westliche Richtung.
Das zu dieser Zeit vom Flugleiter angebotene Einschalten der Befeuerung zur besseren Erkennung der Piste hatte keine Wirkung, da sich das Luftfahrzeug jetzt nördlich der Piste und in IMC befand und somit weder die Pistenrandbefeuerung noch die Anflugbefeuerung für den Luftfahrzeugführer sichtbar waren. Höchstwahrscheinlich versuchte der Pilot nördlich der Piste mit den Vollkreisen und im Sinkflug unterhalb der Sicherheitsmindesthöhe wieder Erdsicht zu erlangen. Nach Aussagen von Zeugen lag der Nebel zum Zeitpunkt der Kollision des Luftfahrzeuges mit den Bäumen fast in Höhe der Baumkrone. Aus diesem Grund hat der Pilot wahrscheinlich bis zur Baumberührung die Erdsicht nicht wiedererlangt.
Bei seiner meteorologischen Flugvorbereitung und nach der telefonischen Flugwetterberatung hätte für den Piloten ersichtlich sein müssen, dass während des Fluges mit starken Sichteinschränkungen und mit Nebel am Zielflughafen zu rechnen war. Den Rat des Meteorologen, den Flug eventuell zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen ignorierte er. Aufgrund der zweifelhaften Wetterlage und abnehmenden Sichtflugbedingungen bereits auf dem Flug nach Heringsdorf hätte sich der Pilot rechtzeitig zum Ausweichen oder zur Umkehr entscheiden müssen. Es ist davon auszugehen, dass der Pilot nach dem Ausflug aus der Kontrollzone Hamburg bis Heringsdorf aufgrund der direkten Kurslinie den Autopiloten aufgeschaltet hatte.
Möglicherweise Termindruck, Fehlbeurteilung des aktuellen Wetters und der Einflug in Instrumentenwetterbedingungen bei einem Flug nach Sichtflugregeln waren die Begleitumstände, die zum Unfall geführt hatten. Denkbar ist auch, dass zusätzlich die geringe Flugerfahrung auf dem neuen Muster und die komplexe Avionik den Piloten überforderte und der Verlust der Übersicht im Cockpit die Folge war. Nach Auffassung der BFU flog der Pilot nach dem zweiten Vollkreis ohne Referenz zum natürlichen Horizont zu langsam. Im Anschluss erfolgte ein Strömungsabriss, das Luftfahrzeug kam in eine unkontrollierte Fluglage und prallte nach einer Baumberührung auf den Boden.
Schlussfolgerungen
Der Flugunfall ist darauf zurückzuführen, dass der Pilot unter zum Teil herrschenden Instrumentenwetterbedingungen den Flug nach Heringsdorf und den Anflug auf den Flughafen fortsetzte. Zum Unfall haben eine falsche Einschätzung der Wetterbedingungen durch den Piloten und seine fehlerhafte Entscheidung den Flug unter IMC fortzusetzen, beigetragen.
Alle angegeben Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, soweit nicht anders angegeben: BFU