Schon kurzzeitige Ablenkung, z. B. wegen anderer Flugzeuge im selben Aufwind oder Orientierungsversuche für den Abflug, reichen aus, um ungewollt in einen überzogenen Flugzustand zu geraten. Wird dieser nicht erkannt, genügt ein Seitenruderausschlag in Kurvenrichtung oder ein Querruderausschlag entgegengesetzt, um ins Trudeln zu geraten. Ist dann nicht klar, wie das Trudeln zu beenden ist, kann dies zu einem tödlichen Unfall führen. Der Grund kann in der Ausbildung liegen, wenn nicht trudelfähige Flugzeuge eingesetzt werden bzw. wenn das Trudeln nicht ausreichend trainiert wurde.
Seit Jahren haben „unkontrollierte Fluglagen“ einen beständigen Platz im Flugunfallgeschehen der Allgemeinen Luftfahrt. 15,5% der Unfälle im Bereich Segelflug/Motorsegler der letzten 5 Jahre sind ursächlich auf Kontrollverlust im Fluge zurückzuführen. Bei 74 Unfällen in diesem Zeitraum verloren 34 Menschen ihr Leben, 27 wurden schwer verletzt. Beim Thermikfliegen bewegen sich Segelflieger überwiegend im unteren Geschwindigkeitsbereich.
Beispiel:
Ein Flugschüler startet unter Aufsicht im Flugzeugschlepp mit einer Ka 6Cr zu einem Thermikflug. Vor diesem Flug hatte der Fluglehrer mit ihm einen doppelsitzigen Schulflug durchgeführt, bei dem auch die überzogenen Flugzustände geübt wurden. Mit dem verwendeten Schulflugzeug konnte das Trudeln jedoch nicht geübt werden. Nach einer Flugzeit von ca. 20 Minuten wurde die Ka 6 an der Position des Flugplatzes in einer Höhe von etwa 250 Metern gesehen. Es wurde beobachtet, wie das Segelflugzeug aus der Kreisflugbewegung heraus ins Trudeln geriet. Nach ca. 1- Trudelumdrehungen ohne erkennbare Ausleitaktion prallte es fast senkrecht auf den Boden auf. Der Flugschüler wurde dabei tödlich verletzt und das Segelflugzeug zerstört.
Die Höhe hätte für ein erfolgreiches Ausleiten des Trudelns ausgereicht. Dem Flugschüler fehlten jedoch offensichtlich die fliegerisch-handwerklichen Fähigkeiten, um das Ausleitmanöver durchzuführen. Diese Befähigung sollte in der Ausbildung praktisch vermittelt werden. Die rechtlichen Grundlagen dazu finden sich u.a. in den NfL und Ausbildungsrichtlinien Segelflug.
Erkennen und Beenden überzogener Flugzustände
Besondere Beachtung ist auf das Erkennen und Beenden überzogener Flugzustände zu richten, bevor es zum Trudeln kommt. Wird dieses Erkennen und Beenden nicht beherrscht, sind entsprechende Situationen in geringer Höhe mit Strömungsabriss, z. B. in der Landekurve, kaum überlebbar. Piloten haben beim Trudeln auch mit Einschränkungen ihrer Handlungsfähigkeit durch ungewohnte Beschleunigungen und optische Eindrücke zu rechnen. Das Trudeln selbst muss praktisch geübt werden, um diesen Flugzustand und seine Besonderheiten kennen zu lernen. Die eigenen Erfahrungen sind durch theoretische Erklärungen nicht zu ersetzen.
Ein Pilot wird sich in der unerwarteten Situation eines plötzlich trudelnden Segelflugzeugs weniger an ein Tafelbild oder bunte Folien erinnern! Ein abrufbereites Handlungsmodell zum Ausleiten des Trudelns kann ihm aber das Leben retten.
Sicherheitstraining:
Nehmen Sie regelmäßig an einem Sicherheitstraining teil. Inhalte sollten sein:
- Überzogene Flugzustände erkennen und vermeiden
- Strömungsabriss
- Trudeln mit Lehrer auf geeigneten Flugzeugen
Bei der Einweisung auf neue Muster:
- Befassen Sie sich ausführlich mit dem Flug– und Betriebshandbuch.
- Erfliegen Sie sich danach die Eigenschaften des Segelflugzeuges bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Beladungen (Wasserballast, Schwerpunktlagen).
- Schenken Sie dem Bereich Langsamflug/überzogene Flugzustände besondere Beachtung.
Trudeln ausleiten kann nur, wer es regelmäßig übt!
Als Streckenflieger sollten Sie beachten, dass sich die Flugeigenschaften des Segelflugzeugs durch übliche Tuning-Maßnahmen (Wasserballast, hintere Schwerpunktlage) erheblich verändern können. Als verantwortlicher Ausbilder im Verein sollten Sie sich der Wichtigkeit der regelmäßigen Schulung von überzogenen Flugzuständen bewusst sein.
Quelle: BFU