Am 14. Juli 2017 sind um 08:36 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (MESZ) die beiden deutschen Kleinsatelliten „Flying Laptop“ und „TechnoSat“ an Bord einer russischen Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof Baikonur erfolgreich gestartet. Die Forschungssatelliten sollen neue Technologien unter Weltraumbedingungen testen und sind gleichzeitig Ausbildungsmissionen.
Denn die Satellitenprojekte wurden von Doktoranden entwickelt, gebaut und für ihren Flug in den Weltraum qualifiziert. Studierende haben dabei in Form von Abschlussarbeiten unterstützt. „Für uns ist die praxisnahe Ausbildung des Ingenieur-Nachwuchses ein wichtiger Teil dieser Kleinsatellitenmissionen. Ein weiterer ist die Technologieerprobung. Viele Hersteller – darunter auch Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) – möchten ihre Raumfahrttechnologie und Bestandteile für zukünftige Satelliten direkt im Orbit unter Weltraumbedingungen testen. Bis jetzt sind solche Missionen allerdings sehr kostspielig.
Kleinsatelliten könnten hier eine Wende bringen“, betont Christian Nitzschke, Programmleiter in der Abteilung Technik für Raumfahrtsysteme und Robotik im DLR-Raumfahrtmanagement, der für diese Missionen verantwortlich ist. Die Entwicklung, der Bau und der Start von TechnoSat sowie der Start von Flying Laptop werden vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.
Nanosatellit „TechnoSat“ testet sieben Experimente
„Bevor neue technische Komponenten in zukünftigen Weltraummissionen mitfliegen, müssen sie im Orbit getestet werden. Nanosatelliten können aufgrund ihrer geringen Größe und ihres Gewichts sowie dem Einsatz von modernen Bauteilen aus Informations- und Kommunikationstechnik und der Automobilindustrie Raumfahrtmissionen effizienter machen“, erklärt Projektleiter Merlin Barschke von der Technischen Universität Berlin. In dem achteckigen und rund 20 Kilogramm schweren Nanosatelliten TechnoSat sind sieben experimentelle Nutzlasten verbaut, deren Funktion und Leistungsfähigkeit im Orbit getestet werden soll.
Satelliten ausrichten und Position bestimmen
Mit an Bord ist auch ein neuartiges Konzept der TU Berlin zur Ausrichtung von Satelliten – der Fluiddynamische Aktuator. Statt eines Elektromotors wird eine elektromagnetische Pumpe eingesetzt. Diese leitet ein flüssiges Metall durch einen ringförmigen Kanal, wodurch der Satellit schnell und präzise ausgerichtet werden kann. Hierzu werden auch konventionelle, mit einem Elektromotor betriebene Reaktionsräder der Technischen Universität Berlin getestet.
Darüber hinaus muss auch der Sternsensor STELLA der Universität Würzburg seine Funktionstauglichkeit beweisen, indem er anhand der Position der hellsten Sterne die Lage des Satelliten bestimmt. Des Weiteren testet das Team den S-Band-Sender HISPICO, ein Gemeinschaftsprojekt der Technischen Universität Berlin und der IQ wireless GmbH. Im Gegensatz zur bisherigen Funkverbindung soll der Sender höhere Datenmengen aus dem Orbit zur Bodenstation senden. Hierfür nimmt die TechnoSat-Kamera Bilder auf, die über den S-Band-Sender zur Erde geschickt und zudem für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden.
Die Laser-Retroreflektoren der TU Berlin, des Helmholtz-Zentrums Potsdam sowie der Austrian Academy of Sciences sollen die Satellitenbahn präzise vermessen. Dafür wird ein Laserstrahl von der Bodenstation auf den Satelliten gerichtet und die Zeit gemessen, die vergeht bis dieser Strahl zurück auf die Erde reflektiert wird. Mit diesem Experiment soll gezeigt werden, dass kleine, günstigere und kommerzielle Reflektoren für diese Anwendung genutzt werden können. Darüber hinaus wird der am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme entwickelte In-Situ Sensor SOLID (Solar panel based Impact Detector) im Orbit erprobt. SOLID soll zukünftig die Häufigkeit der Weltraummüll- und Mikrometeoriden im Weltraum erfassen und bestehende Simulationsmodelle verbessern.
Flying Laptop – ein Kleinsatellit als Ausbildungs- und Testmission
„Für die Studierenden und Promovierenden bietet das Projekt Flying Laptop eine großartige Möglichkeit, die Theorie in die Praxis umzusetzen und Projekterfahrung an einer realen Raumfahrtmission zu sammeln. Mehr als 150 studentische Arbeiten sowie mehr als 20 Doktorarbeiten sind bisher im Rahmen dieses Projekts entstanden“, berichtet Prof. Sabine Klinkner, Projektleiterin an der Universität Stuttgart. Denn der 110 Kilogramm schwere Kleinsatellit Flying Laptop wurde von Doktoranden und Studierenden am dortigen Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) entwickelt und gebaut.
Außerdem wurde im Rahmen der Satellitenentwicklung die notwendige Infrastruktur für Bau, Qualifizierung und Betrieb von Kleinsatelliten geschaffen. Neben einem großen Reinraum für die Integration von Satelliten, einem Optiklabor und einer Thermal-Vakuumkammer wurde auch die Bodenstation mit einem Kontrollsegment an der Stuttgarter Universität aufgebaut und eine Satellitensimulationsumgebung entwickelt.
Praxistest von innovativen Technologien
Die Satellitenplattform selbst bildet den Hauptteil der Technologieerprobung im All. Sie verfügt über ein System zur hochpräzisen Lageregelung und drei Solarpaneele, die rund 270 Watt erzeugen. Zudem sind eine Reihe von innovativen Systemen mit an Bord, die ebenfalls im Orbit erprobt werden sollen. Dazu zählen ein innovativer Entfaltmechanismus für die Solarpaneelen, ein neuartiges Bordrechnersystem sowie das Datenübertragungssystem OSIRIS, das über einen infraroten Laserlink hohe Datenübertragungsgeschwindigkeiten unter Beweis stellen soll. In Zusammenarbeit mit der Firma TESAT wurde ein Nutzlastdaten-Kommunikationssystem im S-Band-Frequenzbereich entwickelt. Außerdem ist in Kooperation mit Airbus Defence and Space in Friedrichshafen ein innovatives Betriebs- und Sicherheitskonzept entstanden.
Für das Missionsziel Erderkundung wird darüber hinaus ein neuartiges Kamerasystem die Erde multispektral und unter verschiedenen Winkeln beobachten. Mit den Aufnahmen wird die Vegetation untersucht, um beispielsweise die Verbreitung von eingeschleppten Pflanzenarten zu untersuchen. Mit Hilfe des Automatic Identification System (AIS) Empfängers, der vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen zur Verfügung gestellt wurde, können Signale von Schiffen empfangen werden. Neu ist die Kombination mit den vom Satelliten aufgenommenen Bildern, da nun die reale Position der Schiffe mit den empfangenen Signalen verglichen werden kann. In Zusammenarbeit mit der Technischen Universtität Dänemark (DTU) sollen zudem die Sternenkameras, die im Satelliten verbaut sind, zur Suche von so genannten Near Earth Objects (NEOs) eingesetzt werden. Dabei sollen die vom Boden aus kaum zu sehenden Asteroiden, die sich innerhalb der Umlaufbahn der Erde befinden, aufgespürt werden.
Zum Abschluss der Flying Laptop Mission stellt ein De-Orbit-Mechanismus sicher, dass der Satellit innerhalb von 25 Jahren in der Atmosphäre verglüht und somit die Entstehung von zusätzlichem Weltraumschrott vermeidet.
Auf den Bildern
Der erfolgreiche Start der beiden Kleinsatelliten Flying Laptop und TechnoSat an Bord einer russischen Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof Baikonur.
Der Kleinsatellit Flying Laptop: Der 110 Kilogramm schwere Kleinsatellit soll neue Technologien erproben und hat wissenschaftliche Instrumente zur Erdbeobachtung an Bord. Die Missionszeit des Satelliten beträgt rund zwei Jahre.
Das TechnoSat-Team: Das TechnoSat-Team – bestehend aus Doktoranten und Studenten der Technischen Universität Berlin – vor dem Flug– und Ingenieursmodell des Forschungssatelliten.
Das Flugmodell TechnoSat: In dem rund 20 Kilogramm schweren Nanosatelliten TechnoSat sind sieben experimentelle Nutzlasten verbaut, die im Orbit getestet werden sollen.
Tests am Flugmodell von TechnoSat: Bevor der Satellit in den Weltraum starten kann, muss TechnoSat einen Thermal-Vakuum-Test, das heißt einen Test bei hoher und tiefer Temperatur im Vakuum beim Deutschen Zentrum für Luft– und Raumfahrt in Berlin durchlaufen.
Einbau von TechnoSat in die Rakete: Etwa zwei Wochen vor dem Start wird TechnoSat auf der Oberstufe der russischen Sojus-Rakete befestigt.