Die OHB System AG hat mit dem Deutschen Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) den inoffiziellen Countdown für den Start des ersten Satelliten der SmallGEO-Baureihe gestartet. Rund 60 Gäste aus Fachöffentlichkeit und Politik informierten sich über Europas neue geostationäre Satellitenplattform aus Deutschland.
Mit der Entwicklung der SmallGEO-Plattform beweist Deutschland nach gut 25 Jahren wieder Kompetenz zum Bau von Telekommunikationssatelliten. Marco Fuchs, Vorstandsvorsitzender der OHB System AG, verdeutlichte, dass der Start des Satelliten aus mehreren Gründen für OHB von besonderer Bedeutung sein wird: „Unsere Vision, einen geostationären Satelliten in der 3-Tonnen-Klasse für den kommerziellen Markt zu entwickeln, ist Realität geworden: Erstmalig startet ein von OHB entwickelter Telekommunikationssatellit. H36W-1 haben wir für unseren ersten kommerziellen Auftraggeber, den spanischen Satellitenbetreiber HISPASAT, entwickelt und gebaut.“
Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen der Freien Hansestadt Bremen, Martin Günthner, zeigte in seinem Grußwort auf, dass SmallGEO ein „echter Bremer“ ist: „Die Idee, mit kleineren, flexibleren Satelliten einen neuen Markt unterhalb der klassischen, großen geostationären Satelliten zu erschließen, kam vom Raumfahrtvisionär Manfred Fuchs − und wurde in der „City of Space“ ersonnen und entwickelt“, so der Senator. Der erste SmallGEO-Satellit wird derzeit am ESA-Weltraumbahnhof Kourou für seinen Start heute Nacht vom 27.01.2017 auf den 28.01.2017 vorbereitet und trägt den Namen H36W-1.
Der Telekommunikationssatellit basiert auf der neuen, von der OHB System AG im Rahmen des ARTES-Programms (Advanced Research in Telecommunications Systems) der ESA entwickelten Satellitenplattform SmallGEO. H36W-1 wurde im Rahmen eines PPP-Projektes (public-private-partnership) zwischen der ESA, dem spanischen Satellitenbetreiber HISPASAT und dem Raumfahrtsystemhaus OHB System AG realisiert.
Eingegliedert in die Satellitenflotte von HISPASAT wird H36W-1 künftig aus 36.000 km Höhe zur Versorgung der Iberischen Halbinsel, der Kanarischen Inseln und Südamerika mit Multimediadiensten beitragen. Der Satellit HISPASAT 36W-1 verfügt über die innovative regenerative Nutzlast RedSAT, die aus einem Prozessor sowie einer Antenne besteht, die den rekonfigurierbaren Strahl aktiv empfängt. Damit erreicht HISPASAT bei den Kommunikationsdienstleistungen eine größere Flexibilität.
Hoher Wertschöpfungsanteil in Deutschland
Dr. Gerd Gruppe leitet als Vorstand das Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) in Bonn und verwaltet und steuert im Auftrag der Bundesregierung die deutschen ESA-Beiträge sowie die nationalen Programme und stellte bei der Veranstaltung die Bedeutung des SmallGEO-Programms für Deutschland in den Vordergrund: „Mit SmallGEO erreichen wir eine neue Systemfähigkeit in Deutschland. Das stärkt unsere Industrie, auch im internationalen Wettbewerb. Zudem wird damit ein zentrales Ziel der deutschen Raumfahrtstrategie umgesetzt.“
Mit OHB als Gesamtverantwortlichem, der Tesat-Spacecom GmbH aus Backnang als Hauptauftragnehmer für die Telekommunikationsnutzlast und der Jena Optronik GmbH als Lieferant der Sternsensoren sowie weiteren kleinen und mittelständischen Unternehmen, ist die Wertschöpfung bei H36W-1 in Deutschland außerordentlich hoch. Vertreter der Tesat-Spacecom GmbH und der Jena Optronik GmbH waren heute ebenfalls als Gesprächspartner im Rahmen der Informationsveranstaltung anwesend. Günther Adam, Mitglied der Tesat-Spacecom Geschäftsführung, wies auf die Besonderheit der Nutzlast hin: „Mit SmallGEO finden unsere Telekommunikationsnutzlasten aus Backnang endlich wieder einen optimalen Satellitenbus aus Deutschland. Deshalb freuen wir uns umso mehr, dass wir nach H36W-1 auch auf dem nächsten europäischen SmallGEO-Satelliten, EDRS-C, wieder mitfliegen werden.“
Antrieb für SmallGEO: Klassisch, voll elektrisch und hybrid
Die SmallGEO-Plattform ist modular aufgebaut und aufgrund verschiedener Konfigurationsmöglichkeiten vielseitig verwendbar: Die klassische Konfiguration mit chemischem Antrieb ermöglicht frühestmögliche Einsatzbereitschaft durch minimale Transfer-Zeiten in den geostationären Orbit nach der Separation des Satelliten von der Rakete. Bei der Konfiguration FLEX kann dank voll elektrischen Antriebs die Nutzlastkapazität bei gleicher Satellitenmasse nahezu verdoppelt werden. Eine weitere Konfiguration mit chemischem Apogäumsmotor und elektrischen Triebwerken zum Positionserhalt ist optimiert für Erdbeobachtungsanwendungen.
Entsprechend zuversichtlich sieht COO Andreas Lindenthal die Zukunft der SmallGEO Satellitenfamilie: „SmallGEO bedeutet für uns, in einen entscheidenden Zukunftsmarkt einzusteigen. Wir haben nicht nur große Nachfrage bei kommerziellen Kunden, sondern können auch den institutionellen Markt optimal bedienen – und dies sowohl im Telekommunikationssegment als auch in der Erdbeobachtung. Darüber hinaus bietet der Einstieg in die SmallGEO-Familie eine Innovationsplattform mit wesentlichen Impulsen für sämtliche weitere Programme der OHB-Gruppe.“
Auf dem Foto: Marco Fuchs, Vorstandsvorsitzender der OHB System AG, eröffnet die Veranstaltung. Auf dem Podium sitzen v.l.n.r.: Senator Martin Günthner, Dr. Gerd Gruppe, Andreas Lindenthal, Günther Adam und Dietmar Ratzsch.