Damit der Luftverkehr der Zukunft leiser und emissionsfrei werden kann, entwickeln die Forscher des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) auch in diesem Jahr Konzepte für neue Antriebstechnologien weiter. Heute kam das DLR mit Highlights aus Forschung und Organisation 2019 nach Berlin.
Die Vorstandsvorsitzende des DLR, Prof. Dr. Pascale Ehrenfreund, sprach über die besonderen Herausforderungen und Ziele für das laufende Jahr. Sie stellte zudem Forschungsarbeiten aus den Bereichen Digitalisierung und Sicherheit vor – den Querschnittsbereichen, bei denen die DLR-Wissenschaftler fachbereichsübergreifend arbeiten.
Ehrenfreund betonte die Bedeutung der Forschung an künstlicher Intelligenz sowie Big- und Smart-Data und sagte: „Wissenschaftliche Erkenntnisse bilden das Fundament aller späteren Anwendungen. Um uns neue Technologien und Forschungsfelder zu erschließen, von der Quantentechnologie über das unbemannte Fliegen bis hin zu neuen Wärmespeicherkraftwerken, benötigen wir eine interdisziplinäre und bahnbrechende Forschung. Dies wird uns durch die sieben neuen DLR-Institute und -Einrichtungen möglich sein, mit deren Aufbau wir 2019 beginnen werden.“
Elektrisch, unbemannt, digitalisiert für Luftfahrtforschung
Elektrische Antriebe haben das Potenzial, zugleich lärmreduziert, energieeffizient und klimaneutral zu fliegen. Luftfahrt- und Energieforscher des DLR testeten bereits 2016 das erste viersitzige Brennstoffzellen-Flugzeug im Flug. Für 2019 sind Testflüge der nächsten Evolutionsstufe dieser Passagiermaschine geplant. Neben verschiedenen Energieträgern und Antriebstechnologien arbeiten Wissenschaftler außerdem an neuen Betriebsmodellen und Flugzeugkonfigurationen, die zum Beispiel verteilte Antriebe am Flügel vorsehen.
Ob urbaner Gütertransport, Unterstützung bei der Katastrophenhilfe oder zukünftig Personentransport mit Air Taxis: Unbemannte Luftfahrtsysteme, sogenannte Unmanned Aereal Systems (UAS), stehen an der Schwelle, im zivilen Bereich eine große wirtschaftliche Rolle zu spielen. Um die Entwicklung neuer Technologien für den sicheren Flug, präzise Positionsbestimmung und stabile Datenverbindungen zu Bodenstationen voranzubringen, wird das DLR erstmals in Europa ein nationales Erprobungszentrum für UAVs errichten.
Die DLR-Luftfahrtforschung geht auch die nächsten Schritte in der Digitalisierung der Luftfahrt. Mit dem virtuellen Produkt – einem hochgenauen digitalen Abbild des realen Produkts über seinen kompletten Lebenszyklus – kann in Zukunft sowohl die Entwicklung als auch die Wartung von Luftfahrtsystemen effizienter und damit kostengünstiger werden.
Röntgenastronomie und neue Raumfahrtinstitute
Ab 2019 sollen insgesamt sieben neue DLR-Institute und -Einrichtungen entstehen, darunter vier für die Raumfahrtforschung und -technologie. Der Standort Neustrelitz wird um das DLR-Institut für Weltraumwetter ergänzt. Stößt die Sonne elektrisch geladene Teilchen aus, spricht man von Sonnenwinden – oder eben von Weltraumwetter. Bei starken „Winden“, den sogenannten Koronalen Masseauswürfen (KMA), treffen Teile der Sonnenmaterie und Magnetfelder auf die Ionosphäre der Erde. Dies erzeugt Ströme in der Atmosphäre, die die Kommunikationsinfrastruktur stören und sogar zu Stromausfällen führen können. Das Institut soll die Schnittstelle zu relevanten Nutzergruppen bilden und frühzeitige Warnungen an gefährdete Infrastrukturen ausgeben.
Mit der Gründung des DLR-Instituts für Satellitengeodäsie und Inertialsensorik in Hannover baut das DLR Kompetenzen im Bereich anwendungsorientierter Sensorik für künftige Erdbeobachtungsmissionen und Navigationssysteme auf. Durch neuartige, hochgenaue Sensoren soll die weltraumgestützte Präzisionsvermessung der Erde weiterentwickelt werden.
In Ulm wird sich das neue DLR-Institut für Quantentechnologien mit robusten, anwendbaren Technologien aus der aktuellen Quantenwissenschaft beschäftigen und Schlüsseltechnologien für den Einsatz im Weltraum entwickeln. Dies beinhaltet Forschung an und Entwicklung von Instrumenten zur Messung von Ort, Zeit, Frequenz, Beschleunigung und Rotation sowie von Instrumenten für die Quantenkommunikation.
Raumfahrt vorn dabei
Ziel des am DLR-Standort Oberpfaffenhofen geplanten Galileo-Kompetenzzentrums (Galileo Competence Center) ist es, neue Konzepte und Technologien für die nächste Generation von globalen Navigationssystemen zu entwickeln. Dort werden Ideen im Labor getestet, zu Prototypen entwickelt und als sogenannte Technologiedemonstrationen validiert. Die Arbeit der Wissenschaftler soll dazu beitragen, das System Galileo gezielt weiterzuentwickeln und seinen Weg in neue Anwendungen zu ebnen.
Die NASA-Sonde InSight landete am 26. November 2018 sicher auf dem Mars. An Bord ist das DLR-Experiment HP3 (Heat Flow and Physical Properties Package) – der „Maulwurf“. Vorgestern erst wurde HP3 mit einem Greifarm auf der Oberfläche abgesetzt. Derzeit werden schrittweise die Vorbereitungen für den Betrieb der Rammsonde durchgeführt. Am 23. Februar soll er beginnen, sich in den Marsboden zu hämmern, um in den nachfolgenden Wochen eine Tiefe von bis zu fünf Metern zu erreichen.
Dabei wird das Instrument immer wieder in unterschiedlichen Tiefen Messungen vornehmen. Hauptziel des Experiments ist, den Wärmefluss unter der Oberfläche zu messen und daraus den thermischen Zustand des Marsinneren abzuleiten. Mithilfe der Daten wollen die Wissenschaftler Modelle der Entwicklung des Mars, seiner chemischen Zusammensetzung und seines inneren Aufbaus überprüfen, um so Schlüsse auf die frühe Entwicklung des Roten Planeten und auch der Erde ziehen zu können.
Ministerratsentscheidungen für Arbeiten der Zukunft
Für das DLR Raumfahrtmanagement in Bonn steht die ESA-Ministerratskonferenz (MK) Ende November 2019 in Sevilla im Fokus. Das Raumfahrtmanagement ist im Auftrag der Bundesregierung für die Steuerung der deutschen ESA-Beiträge verantwortlich. Bei der MK geht es um richtungsweisende Entscheidungen bei Themen wie Launchern, Exploration und den Anwendungsprogrammen. Außerdem soll die Arbeitsteilung zwischen der europäischen Weltraumorganisation ESA und der EU konkretisiert werden.
Darüber hinaus stehen für das Raumfahrtmanagement Anwendungs- und Transferthemen wie der Nutzen der Raumfahrt für den Breitbandausbau auf der Agenda. Die 6. Nationale Konferenz für Satellitenkommunikation am 14. und 15. Mai 2019 in Bonn beleuchtet dieses Thema intensiv. Weitere „Highlights“ sind die deutsch-russische Mission Spektrum-Röntgen-Gamma mit dem in Deutschland entwickelten und gebauten Röntgenteleskop eROSITA, das am 21. Juni auf der Suche nach der „Dunklen Energie“ ins All starten soll sowie die Fortsetzung der branchenübergreifenden Treffen, dieses Jahr mit dem Schwerpunkt „Raumfahrt und Medizin/Medizintechnik“.
Sicherheit in Häfen und KI
Im Projekt AIS-Plus der maritimen Sicherheitsforschung wird 2019 ein System zur verbesserten Positionsmeldung von Schiffen bei hoher Verkehrsdichte und schlechten Übertragungsbedingungen weiterentwickelt, um die Sicherheit auf See und besonders in Häfen zu erhöhen. Ziel ist ein vollständiges maritimes Lagebild durch die neue Technologie – „made/invented by DLR“. Dazu gehört unter anderem die Verwendung von Algorithmen der künstlichen Intelligenz (KI).
KI spielt auch in vielen weiteren Forschungsbereichen des DLR eine immer stärkere Rolle. In der satellitengestützten Erdbeobachtung wären die enormen Datenmengen der aktuellen und zukünftigen Missionen ohne die Anwendung von künstlicher Intelligenz nicht mehr sinnvoll zu verarbeiten. Zudem ergeben sich dadurch ganz neue Möglichkeiten in der Ableitung von wertvollen Informationen aus Satellitendaten, die mit klassischen Verfahren undenkbar wären. Auch für eine intelligente Vernetzung von automatisierten Fahrzeugen oder von Energiesystemen wird KI künftig immer wichtiger werden.
Ein Beispiel aus der Raumfahrt, das aber auch auf der Erde zum Einsatz kommen kann, ist der humanoide Roboter Agile Justin des DLR. Im Zentrum der KI-Forschung steht hierbei das Lernen als das Grundprinzip aller autonomen Systeme. Um selbständig eine Strategie für das Ausführen von Aufgaben zu entwickeln und entsprechend in einer komplexen Umgebungen zu agieren, werden Methoden des Deep Learnings sowie des Deep Reinforcements eingesetzt, bei dem Verhalten auf Basis von Erhalt oder Ausbleiben einer Belohnung gelernt wird.
Justins Grundfertigkeiten kommen der menschlichen Vielseitigkeit bereits nahe. So hat er verschiedene Aufgaben erfolgreich ausgeführt, etwa das geschickte „Aufbauen“ einer Gerüststruktur, das hochdynamische Fangen von zugeworfenen Bällen oder – sehr feinfühlig – das Erkennen eines Materials durch das Streichen über die Oberfläche mit dem Finger. Intelligente Roboter werden in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Weltraum– und Planetenexploration und auf der Erde beispielsweise für die Pflegeunterstützung von Personen im Alter oder mit körperlichen Beeinträchtigungen spielen.