Hubschrauber kappte 20.000 Volt-Stromleitung

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Am Unfalltag führte der mit einem Hubschrauber AS 350B2 mehrere Weinbergsprühflüge im Bereich Benningen am Neckar durch. Beim letzten geplanten des Tages, zum Reinigen der Sprüheinrichtung des Hubschraubers mit Wasser über einer Brachfläche, flog der Pilot um 09:04 Uhr nach seinen Angaben aus Westen kommend in Richtung Osten.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 08. Juli 2016
  • Ort: Nahe Benningen am Neckar
  • Luftfahrzeug: Hubschrauber
  • Hersteller / Muster: / AS 350B2
  • Personenschaden: ohne Verletzte
  • Sachschaden: Luftfahrzeug schwer beschädigt
  • Drittschaden: Freileitungsschaden
  • Ereignisse und weiterer Flugverlauf

Er flog entgegen dem Sonnenlicht, als er plötzlich mehrere Einschläge vernahm, in deren Folge der Hubschrauber normal flog, er lediglich ein Pfeifgeräusch vernahm. Da er von einem Freileitungskontakt mit einer Kufe ausging, flog er unmittelbar zum nahegelegenen Betankungspunkt zurück. Zwei weitere Zeugen vernahmen schnell hintereinander stattfindende Knallgeräusche am Boden. Das Titelbild zeigt eine Übersicht vom Unfallort (Bild: BFU / Google earthTM)

Nach der Landung stellte der unverletzte Pilot fest, dass der Hubschrauber Beschädigungen an den Rotorblättern und im Kabinendachbereich aufwies. Der Hubschrauber hatte vier Kabel mit ca. zwei Zentimeter Durchmesser einer von Nord nach Süd verlaufenden 20 KV-Freileitung durchtrennt. Aufgrund des Freileitungsschadens war die Schifffahrt auf dem Neckar zeitweilig beeinträchtigt. In Benningen am Neckar, Freiberg am Neckar und Peidelsheim kam es kurzfristig zu Stromausfällen.

Angaben zu Personen

Der 48-jährige Pilot war im Besitz einer Berufspilotenlizenz für Hubschrauber (CPL(H)), erteilt gemäß Teil-FCL. In die Lizenz war die gültige Musterberechtigung als verantwortlicher Luftfahrzeugführer auf AS350/EC130 eingetragen. Er verfügte über ein Flugtauglichkeitszeugnis Klasse 1 ohne Auflagen, gültig bis 30.09.2016 bzw. 30.03.2017 (sonstiger gewerbsmäßiger Betrieb).

Seine Gesamtflugerfahrung betrug ca. 3.666 Stunden, hiervon ca. 2.648 Stunden auf dem betroffenen Muster. Er hatte eine Agrarflugerfahrung von ca. 1.845 Stunden. Der örtliche Einsatzbereich am Unfalltag mit der betroffenen Freileitung war dem Piloten durch mehrfache Flüge in der Vergangenheit bekannt. Auch am Unfalltag hatte er die Freileitung mehrfach überflogen.

Angaben zum Luftfahrzeug

Der einmotorige Hubschrauber AS 350B2 des Herstellers ist ein leichter Mehrzweckhubschrauber für bis zu sechs Insassen. Er wurde 1989 nach FAR/JAR Part 27 zugelassen. Der Hubschrauber verfügt über ein Triebwerk Turbomeca Arriel 1D1, einen Star-Flex Dreiblatthauptrotor, ein Kufenlandegestell und einen Heckrotor für den Drehmomentausgleich um die Hochachse. Die maximal zulässige Abflugmasse beträgt 2.250 kg.

Der betroffene Hubschrauber, Baujahr 1998, hatte die Werknummer 9005. Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit wurde am 17.12.2015 durchgeführt. Zum Unfallzeitpunkt hatte der Hubschrauber eine Gesamtbetriebszeit von ca. 8.156 Stunden. Er war in Deutschland zum Verkehr zugelassen, Halter war ein deutsches Luftfahrtunternehmen. Der Hubschrauber war für den Sprüheinsatz in Weinbergen ausgerüstet. Er verfügte über ein Simplex 5100 Sprühsystem. Er verfügte nicht über so genannte „Cable-Cutter“, entsprechende Ausrüstungssätze wären für das betroffene Hubschraubermuster verfügbar gewesen.

Meteorologische Informationen

Entsprechend der Routinewettermeldung (METAR) wurden ca. 14 Minuten vor dem Unfall an dem ca. 17 nautische Meilen (NM) entfernten folgende Wetterbedingungen beobachtet: Der Wind kam aus 130° mit drei Knoten. Die Sicht in Bodennähe betrug mehr als zehn Kilometer, keine Bewölkung unterhalb 5.000 ft (CAVOK). Die Temperatur lag bei 19 °C und der Taupunkt bei 14 °C. Der Luftdruck (QNH) betrug 1.018 hPa. Zeugen beschrieben das Wetter vor Ort als wolkenlos und windstill.

Angaben zum

Der Betankungsplatz zur Aufnahme des Sprühmittels befand sich in unmittelbarer Nähe östlich der Freileitung.

Flugdatenaufzeichnung

Der Hubschrauber war nicht mit einem Flight Data Recorder (FDR) oder Cockpit Voice Recorder (CVR) ausgerüstet. Diese Aufzeichnungsgeräte waren entsprechend den gültigen Luftfahrtvorschriften nicht gefordert.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die durchtrennte Freileitung befand sich nördlich von Benningen am Neckar. Die Freileitung führte von dem Weinberghang am nördlichen Ufer des Neckars herab zum tiefer gelegenen, südlichen Ufer. Abb. 2 zeigt eine Ansicht der beiden Strommasten im Bereich des Freileitungsdurchflugs.

Der Hubschrauber wies nach dem Freileitungsdurchflug Schäden und Kabelabdruckspuren im Bereich der Rotorblätter, einen Einschnitt im Bereich der Rotormastverkleidung und Schäden am Kabinendach auf. Abb. 3 bis 5 zeigen die Schäden nach dem Freileitungsdurchflug.

Brand

Es entstand kein Brand.

Organisationen und deren Verfahren

Der Halter des Hubschraubers war ein vom -Bundesamt genehmigtes Luftfahrtunternehmen, das sich neben Rundflügen auf Arbeitsflüge mit Hubschraubern spezialisiert hatte.

Das Luftfahrtunternehmen verfügte u.a. über eine Erlaubnis für den Einsatz von Hubschraubern zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln im Weinbau in Steillagen, ausgestellt vom Regierungspräsidium am 29.04.2016, gültig für das Jahr 2016. Im Beiblatt der Erlaubnis war der betroffene Pilot in der Liste der genehmigten Luftfahrzeugführer aufgeführt.

Das Luftfahrtunternehmen hatte als Bestandteil des Flugbetriebshandbuches (OM) eine Standard Operating Procedure (SOP) und ein Training Manual (TM) über „Sprühen mit Hubschraubern“ für die Festlegung der Verfahren und die interne Ausbildung für Sprühflüge erstellt. Darin wurde die Gefahr von Freileitungseinflügen mehrfach erwähnt.

Zusätzliche Informationen

Eine Abfrage der Datenbank der BFU ergab insgesamt 61 Freileitungsberührungen von Hubschraubern im Zeitraum 1973 bis 2016, die zu Schweren Störungen bzw. zu Flugunfällen geführt haben. Insgesamt wurden hierbei 18 Hubschrauber schwer beschädigt und 25 zerstört.

Die australische Flugunfalluntersuchungsbehörde (ATSB) erstellte im Jahr 2006 eine Studie „Wire-strike Accidents in General : Data Analysis 1994 to 2004″mit Empfehlungen zur Vermeidung von Leitungseinflügen. Diese verweist u.a. auf das Situationsbewusstsein des Piloten als eine der Hauptvermeidungsstrategien gegen Leitungseinflüge.

7.3 Wire-strike prevention, 7.3.1 Situational awareness

Risk mitigation strategies associated with low-level flying rely heavily on the level of situational awareness maintained by the pilot. Strategies used to establish and maintain adequate situational awareness include reading the physical structure indicators (ie orientation of insulators, presence of bucked arms and sighting two or more poles), self-discipline, pre-flight briefing, pre-flight reconnaissance and observation, memory and awareness, appropriate flying techniques, maintenance of a good visual scan and consideration of weather factors (BASI, 1991). Additionally, pilots need to guard against deviating from low-flying routes and areas previously checked for wires.

An dieser Stelle wurde die Untersuchung gemäß § 18 FlUUG summarisch abgeschlossen, d.h. ausschließlich mit Darstellung der Fakten.

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, in Ortszeit. Quelle und Bilder, wenn nicht anders angegeben: BFU.

 

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