Vor 30 Jahren kehrte das weltweit älteste original bei Junkers in Dessau gebaute und bis heute funktionstüchtige Flugzeug des Typs Ju 52 nach einer jahrzehntelangen abenteuerlichen und strapaziösen Flug-Odyssee durch etliche Länder nach Hause zurück – nach Deutschland und zur Lufthansa. Dabei war, als sie am 28. Dezember 1984 erstmals wieder auf deutschem Boden landete, äußerlich eine US-Amerikanerin.
Der Name "Iron Annie", auf den man sie in den Siebzigern in Florida getauft hatte, erinnerte am Seitenleitwerk an die langen Jahre im weltweiten Einsatz fern der Heimat. Aber in wesentlich größeren Lettern prangte der Schriftzug "Going Home" auf ihrer faltenreichen Wellblechhaut.
Nach zweijähriger aufwändiger Restaurierung und Modernisierung bei der Lufthansa Technik in Hamburg wieder topfit, ist die "alte Tante Ju" bis heute ein Sympathieträger der Kranichlinie und als "Grande Dame der Lüfte" ein beliebter Gast auf Airports und Flugschauen in Deutschland und in den Nachbarländern.
In 16 Tagen von Florida nach Hamburg
Der Heimflug im Dezember 1984 war für den Oldtimer, Baujahr 1936, ein fliegerischer Kraftakt. Während ein moderner Airbus die Strecke von Miami nach Deutschland in zehneinhalb Stunden fliegt, brauchte die betagte Tante Ju für den Überführungsflug 1984 von Titusville in Florida nach Hamburg den halben Dezember – 16 Tage mit etlichen Zwischenstopps an der Ostküste der USA, in Kanada, Grönland, Island, Schottland und England.
Jahr für Jahr begeistert die "alte Tante Ju" bei hunderten Strecken- und Rundflügen Luftfahrtbegeisterte und Oldtimerfreunde. In der abgelaufenen Flugsaison absolvierte das mit großem Abstand älteste und kleinste Flugzeug der Lufthansa 580 Flüge und ermöglichte dabei mehr als 8.600 Fluggästen, die Welt aus wenigen hundert Metern Flughöhe zu sehen. Dabei demonstriert die Ju 52 die schöne Tugend der "Entschleunigung", wenn sie mit sonorem Brummen in einem gemächlichen Tempo ihre Kreise zieht.
Neue Flug–Technik unter alter Wellblech-Haube
Bei der Lufthansa Technik in Hamburg schenkte man dem lange vermissten Veteran mit einer gründlichen Verjüngungskur ein "zweites Leben". Unter der auf Hochglanz gebrachten silberglänzenden Wellblechhaut verbirgt sich nun ein modernisiertes und komplett digitalisiertes Cockpit, und die drei Neunzylinder-Sternmotoren von Pratt & Whitney arbeiten wesentlich leiser und zuverlässiger als die Motoren von 1936. Bis zu 16 Passagiere, sämtlich auf Fensterplätzen, können in dem "Großraumflugzeug der 30er Jahre" das Reisen im Stil der Anfangszeit der Passagierluftfahrt erleben – stilecht mit Gardinen und Gepäcknetz.
Bei den Passagieren ist das Oldtimer-Flugzeug ebenso beliebt wie bei ihrer Stammbesatzung, zu der 25 Piloten, 15 Flugingenieure und 23 Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen gehören. Es sind erfahrene Lufthansa-Crews mit tausenden Stunden Flugerfahrung, die normalerweise ihren Dienst an Bord moderner Jets bis hin zum Superjumbo Boeing 747-8 oder dem Riesen-Airbus A380 versehen.
Im Dienst von Norwegen bis Ecuador
Die Lufthansa Ju 52 mit der Registrierung D-AQUI ist ein Flugzeug mit sehr bewegter Geschichte. Das Flugzeug mit von "Geburt" an faltiger Haut kam schon bald nach ihrer Fertigstellung 1936 in den Dessauer Junkers-Werken und ihrer Auslieferung an die damalige Lufthansa nach Norwegen, wo sie – zeitweise mit Schwimmern statt Rädern ausgestattet – teils zivil, teils militärisch für Flugeinsätze zwischen den Fjorden eingesetzt wurde. 1957 wurde die Ju 52 nach Ecuador verkauft, wo sie für die Fluggesellschaft "Transportes Aéreos Orientales" Passagiere und Fracht im Amazonasgebiet beförderte.
Acht Jahre lang stand die alte Propellermaschine ungenutzt und vergessen am Rande des Flughafens von Quito, ehe ein Oldtimer-Fan sie 1970 kaufte und in die USA brachte. Dort wechselte sie noch einmal den Besitzer und tingelte etliche Jahre als "Iron Annie" von einer Flugshow zur nächsten.
Anfang der achtziger Jahre entdeckten Lufthansa Piloten die "verlorene Tochter" zufällig in recht bemitleidenswertem Zustand auf einem Flugfeld im Süden der USA und überzeugten die Unternehmensführung, die Ju 52 zu kaufen und nach Deutschland zurückzuholen. In fast zweijähriger freiwilliger Handarbeit wurde sie von Lufthansa Technikern in Hamburg liebevoll restauriert.
D-AQUI kommt nachhause: zum Flughafen Berlin-Tempelhof
Den offiziellen Start in ihr "zweites Leben" mit Erstflug über Hamburg und feierlicher Taufe auf den Namen ihres einstigen Heimatflughafens "Berlin-Tempelhof" erlebte die "Tante Ju" – äußerlich im alten Gewand, aber mit neuen Motoren und moderner Technik und Elektronik ausgestattet – im April 1986. Seither avancierte die alte Dame zu einem wahren Star unter den Oldtimer-Flugzeugen. Die Wintermonate verbringt die Junkers Ju 52 stets in einem der Hangars der Lufthansa Technik in Hamburg. Dort wird sie Jahr für Jahr von Spezialisten auseinandergenommen, auf Herz und Nieren geprüft, generalüberholt und für die nächste Saison fit gemacht. Nur ein Facelifting bekommt die "alte Tante Ju" nie: Ihre würdevollen, charakteristischen Wellblechfalten sind unveränderlich.
Die Erinnerungen an einige der 10.000 Flugstunden aus den vergangenen 27 Jahren haben sich besonders tief eingegraben im Gedächtnis von Heinz-Dieter Bonsmann, dem langjährigen Chefpiloten der Ju 52. Zu den fliegerischen Highlights, die der mittlerweile pensionierte Kapitän Bonsmann am Steuerhorn der Ju 52 erleben durfte, zählte die erste Landung in Tempelhof am 20. Juni 1991. Den 31. Oktober 2008, kurz vor Mitternacht, als nach dem historischen letzten Start der D-AQUI auf dem alten Berliner Zentralflughafen für immer die Runway-Lichter erloschen, würde er hingegen am liebsten aus seinem Gedächtnis streichen.
Abschied von der Ju 52 – Flott gemacht für nächste Flugsaison
Keiner kennt die Ju 52 mit all ihren Einzelteilen so gut wie Gerhard Stelling (62). Der Triebwerksmechaniker der Lufthansa Technik hat das "zweite Leben" der alten Dame seit ihrer Landung am 28. Dezember 1984 in Hamburg mit ermöglicht und begleitet. Jahrzehntelang war er Werkstattleiter des Instandhaltungsbetriebs der Deutsche Lufthansa Berlin-Stiftung (DLBS), der das Oldtimer-Flugzeug gehört. Jetzt heißt es für ihn Abschied nehmen wie von einer sehr guten alten Freundin: Gerhard Stelling geht zum Jahresende nach drei Jahrzehnten bei der Lufthansa Technik in Rente.
Nicht so sein Schützling: Für die "Tante Ju" beginnt im Frühjahr 2015 "in alter Frische" die nächste Flugsaison – und für tausende Fluggäste eine faszinierende, nostalgische Zeitreise. Für Bernhard Conrad, den Vorsitzenden der DLBS, steht sogar fest: "Dank der vielen fleißigen Hände bei Lufthansa wird die heute 78 Jahre junge Ju 52 ganz sicher fliegend hundert Jahre alt!"
Die jeweils 30-, 45- oder 60-minütigen Oldtimer-Flüge mit der Ju 52 im Sommerhalbjahr 2015 sollen für 219 bzw. 299 oder 389 Euro gebucht werden können. Die Preise der Streckenflüge richten sich nach der Länge der jeweiligen Route. Auch Vollcharter ist möglich. Einen detaillierten Ju 52-Flugplan für 2015, ob Strecken- und Rundflug, sowie allgemeine Informationen und Buchungen gibt es online oder telefonisch: 040-50701717.