Am 03. Dezember 2015 ist die Sonde LISA Pathfinder endlich ins All gestartet. Mehr als zehn Jahre lang dauerte die Vorbereitung dieser ESA-Mission zur wissenschaftlichen Technologie-Erprobung. Eine einzigartige Herausforderung an Ingenieurskunst, Technik und Sonde.
Zunächst war der für gestern vorgesehene Start sicherheitshalber wegen technischer Probleme abgebrochen worden. Um 05:04 Uhr Mitteleuropäischer Zeit war es dann so weit, LISA-Pathfinder startete an Bord einer Vega-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou (Französisch-Guyana, im Titelbild).
Die heftigsten astrophysikalischen Ereignissen unseres Universums
LISA Pathfinder stellt einen entscheidenden Schritt bei der Realisierung des ersten Weltraumobservatoriums zur Beobachtung von Gravitationswellen dar, mit dem unser Verständnis des Weltalls vorangebracht werden soll. „LISA Pathfinder wird im Weltraum wichtige Technologien für das von der Europäischen Weltraumorganisation ESA geplante Gravitationswellen-Observatorium eLISA (evolved Laser Interferometer Space Antenna) erproben. Dessen Funktions- und Leistungsfähigkeit kann auf der Erde nicht oder nur eingeschränkt getestet werden“, erläutert Hans-Georg Grothues, LISA Pathfinder-Projektleiter im DLR. eLISA soll ab 2034 Gravitationswellen aus dem Weltraum „beobachten“ und damit den energiereichsten und heftigsten astrophysikalischen Ereignissen unseres Universums auf die Spur kommen.
Gravitationswellen wurden erstmals vorhergesagt durch den deutschen Physiker Albert Einstein 1916 auf der Grundlage seiner Allgemeinen Relativitätstheorie, die nahezu auf den Tag genau vor einhundert Jahren, am 25. November 1915, veröffentlicht wurde. Die Gravitationswellen sollen von eLISA mit Hilfe einer Laserinterferometrie zwischen drei Sonden gemessen und nachgewiesen werden. Diese werden rund zwei Millionen Kilometern voneinander entfernt in einem Dreieck angeordnet sein.
1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt
Wenn LISA Pathfinder nach rund zwei Monaten an ihrem Ziel, dem Lagrangepunkt L1, angekommen ist, kann die eigentliche Mission beginnen. Im Lagrangepunkt halten sich die Gravitationskräfte von Sonne und Erde die Waage, lediglich geringfügig gestört durch den Mond und die Planeten. Der Punkt befindet sich rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt in Richtung Sonne. Hier herrschen nahezu konstante Kräfteverhältnisse, Temperaturen und geringstmögliche Störungen – ideale Bedingungen für die Technologieerprobung.
Im Inneren des Wissenschaftsmoduls, dem sogenannten LISA Technology Package (LTP), werden zwei kleine würfelförmige Testmassen – bestehend aus einer Gold-Platin-Legierung mit einer Kantenlänge von 46 Millimetern und einer Masse von zwei Kilogramm – freigegeben und driften dann freischwebend in der Sonde – fast vollständig unbeeinflusst von Störungen durch die Sonde selbst und die Außenwelt. Die verbleibenden Einflüsse auf diese beiden Testmassen werden durch eine hochpräzise Lagekontrolle mit Hilfe spezieller Mikro-Newton-Triebwerke ausgeglichen. Abstand und Ausrichtung der beiden Testmassen werden durch ein Laserinterferometer sowie durch Inertialsensoren mit einer Genauigkeit von weniger als zehn Pikometern – das ist weniger als ein Zehnmillionstel eines Haardurchmessers – bestimmt.
Simulation von eLISA auf engstem Raum
LISA Pathfinder soll nun nachweisen, dass die Inertialsensoren, die Laserinterferometrie und die Stabilitätskontrolle wie vorgesehen betrieben werden können. Die beiden würfelförmigen Testmassen werden dabei die frei schwebenden, so genannten Endspiegel des späteren Laserinterferometers von eLISA simulieren. Anders als bei eLISA, wo die Spiegel, verteilt auf drei Raumsonden rund zwei Millionen Kilometer voneinander entfernt angeordnet sein werden, beträgt deren Abstand bei LISA Pathfinder nur etwa 40 Zentimeter.
CGS SpA – Compagnia Generale per lo Spazio ist ein führendes italienisches Unternehmen, das im Bereich der Konzeptionierung, Entwicklung und Integration von Weltraumsystemen tätig ist. Das Unternehmen ist Mitglied des Satellitenbauers OHB SE aus Bremen. Der durch CGS erfolgreich entwickelte Inertialsensor stellt den Kern der hochpräzisen Metrologie des Observatoriums dar. Mit seinen Fähigkeiten zur Erkennung und Messung selbst kleinster Bewegungen, die durch die Wirkung von Gravitationswellen entstehen, sind es die empfindlichsten jemals gefertigten Sensoren dieser Art.
Neben dem LTP befindet sich eine zweite Nutzlast an Bord von LISA Pathfinder: das so genannte „Disturbance Reduction System“ (DRS) des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA. Gezeigt werden soll so, dass die Testmassen als nahezu störungsfrei „aufgehängte“ Spiegel eines Laserinterferometers in einem zukünftigen Gravitationswellen-Observatorium wie eLISA dienen können.
Das LISA Pathfinder-Team
Neben der ESA sind an LISA Pathfinder Forschungseinrichtungen und Industriefirmen aus Italien, Deutschland, Großbritannien, Spanien, der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden beteiligt. Der deutsche Beitrag wird maßgeblich vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/Albert-Einstein-Institut (AEI) in Hannover geleistet und von der Max-Planck-Gesellschaft sowie dem DLR Raumfahrtmanagement finanziert.
Auf den Bildern: Die Nutzlastverkleidung (Abb. 2) – die sogenannte Fairing – wird abgeworfen (künstlerische Darstellung) und die Raumsonde LISA Pathfinder nimmt Kurs auf ihr Ziel: den Lagrange-Punkt 1. Dieser Punkt befindet sich rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt in Richtung Sonne und bietet ideale Bedingungen für den wissenschaftlichen Betrieb von LISA Pathfinder bei nahezu konstanten Kräfteverhältnissen, Temperaturen und geringstmöglichen Störungen. Allerdings lässt sich die Sonde nicht über längere Zeit exakt im L1 halten, sondern wird sich auf einer Halobahn um diesen herum bewegen. Diese Bahn kann die Sonde einige 100.000 Kilometer vom Idealpunkt wegführen (Grafik-Quelle: ESA/ATG medialab).
Simulierte Gravitationswellen – Computersimulation abgestrahlter Gravitationswellen (Abb. 3): Wenn alles nach Plan verläuft, ebnet die LISA Pathfinder-Technologiedemonstration den Weg, ab 2034 mit eLISA Gravitationswellen direkt im Weltall zum Beispiel von zwei miteinander verschmelzenden Schwarzen Löchern nachzuweisen. Diese Ereignisse sind mit herkömmlichen astronomischen Methoden nur sehr schwer zu erforschen, weil sie nur wenig Licht ausstrahlen und zudem meist sehr weit von der Erde entfernt sind (Quelle: NASA).
Das LISA Technology Package – Im Zentrum der Mission steht das LISA Technology Package (LTP). Es besteht aus den beiden Testmassen (goldene Würfel), den sie umgebenden „Electrode Housings“, der optischen Bank (Bildmitte) und den Inertialsensoren, die alle hochgradig schwingungs- und temperaturisoliert im LTP aufgehängt sind. Darüber hinaus ist eine empfindliche Mess- und Steuerelektronik (das optische Messsystem) mit eigenem Nutzlastcomputer notwendig. Die schwierige Aufgabe, alle Teilkomponenten zu einem funktionierenden Gesamtsystem zusammen zu führen, übernahm die Airbus Defence & Space (früher EADS Astrium GmbH) in Friedrichshafen. Das Unternehmen wurde zudem mit der Gesamtkoordination der LTP-Entwicklung beauftragt (Grafik-Quelle: ESA/ATG medialab).
Im letzten Bild: Der von CGS entwickelte Inertialsensor für die LISA Pathfinder Mission.
Titelfoto: ESA/Stephane Corvaja.