Das Geschäft mit den günstigen Flugtickets erreicht einen neuen Höchstwert. Im Sommer 2015 haben die Fluggesellschaften im Niedrigpreissegment in und ab Deutschland 754 Strecken angeboten: Ein Plus von rund 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Auffällig stark fällt das Wachstum bei den innerdeutschen Strecken aus, die um fünf Prozent zulegten, besonders befördert durch die weitere Verschiebung von Strecken der Lufthansa auf die Germanwings. Mit mittlerweile 300 Zielen im Sommerflugplan baut Germanwings die Spitzenstellung im deutschen Low Cost Verkehr aus.
Europaweit kann Ryanair seine Dominanz auf das Rekordniveau von 2.500 Verbindungen steigern und strebt dabei weiter in den deutschen Markt mit zunehmendem Engagement an großen Flughäfen. Immer stärker gehen die Günstigflieger untereinander auf beliebten Strecken in den Wettbewerb, was zu weiter sinkenden Flugpreisen führt. Diese Ergebnisse stehen im „Low Cost Monitor 2/2015“ des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR). Der Bericht wird seit 2006 jeweils im Frühling und Herbst veröffentlicht.
Top-Ziel Spanien
„26 Verbindungen mehr als im Vorjahr boten die 20 verzeichneten Airlines mit Low Cost Angeboten ab Deutschland an“, sagt Dr. Peter Berster vom DLR-Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr. Spitzenreiter der grenzüberschreitenden Low Cost-Flugziele ist im Sommer 2015 Spanien mit 113 Verbindungen, dicht gefolgt von Italien mit 111 Verbindungen und Großbritannien mit 59 Verbindungen.
„Spanien verzeichnete einen geringfügigen Rückgang bei den Strecken, ist aber dennoch das Top-Ziel des Low Cost Verkehrs ab Deutschland“, so Studienleiter Berster weiter. Während Zypern wieder in das Angebot mit aufgenommen wurde, gibt es keine Flüge mehr nach Algerien.
Germanwings liegt vorn
Nach der führenden Platzierung im Winter schiebt sich Germanwings nun ebenfalls im Sommerflugplan 2015 an die Spitze. „Zusammen mit den Low Cost Angeboten von airberlin dominieren beide Gesellschaften den Low Cost Markt in Deutschland mit jeweils rund 2.200 Starts pro Woche, gefolgt von Ryanair, Easyjet, Wizz und Vueling“, resümiert Berster. „Insgesamt vereinen die sechs größten Anbieter von Flügen im Low Cost Segment in diesem Sommer 92 Prozent des Marktes auf sich.“ Die restlichen acht Prozent der Flüge entfallen auf 14 weitere Airlines.
Billiges Öl: Ticketpreise fallen
Auffällig ist der zunehmende und bisher eher unübliche Wettbewerb der Günstigflieger untereinander. Auf beliebten Strecken, etwa zwischen Köln und Berlin, bieten zunehmend mehrere Gesellschaften günstige Flüge an. „In Verbindung mit den aktuell niedrigen Kerosinpreisen führt dieser Wettbewerb zu deutlichen Preisrückgängen“, erklärt Berster. Die Durchschnittspreise, die im Low Cost Monitor je nach Carrier auf Grundlage verschiedener Vorausbuchungszeiträume von einem Tag bis zu drei Monaten ermittelt werden, variieren im Herbst 2015 zwischen rund 45 und 115 Euro brutto. Im Vorjahr lag diese Spanne noch zwischen 70 und 140 Euro brutto.
Düsseldorf und Hamburg legen zu
Im ersten Halbjahr 2015 nutzten auf den 26 internationalen und regionalen Verkehrsflughäfen in Deutschland rund 32 Millionen Passagiere Fluggesellschaften auf den Low Cost Strecken, was einem Anteil von 32 Prozent bei insgesamt 101 Millionen Fluggästen entspricht. An den Flughäfen Düsseldorf und Hamburg gibt es unter anderem durch die Lufthansa-Umstrukturierung hin zu Germanwings, aber auch durch den Ausbau der Angebote von flybe, Easyjet oder Norwegian eine Zunahme im Low Cost Segment.
In Köln ist das Angebot trotz Reduzierungen von airberlin und Germanwings geringfügig auf 640 Flüge pro Woche gewachsen aufgrund einer starken Erweiterung von Ryanair. „Diese Gesellschaft bietet in letzter Zeit verstärkt Flüge von größeren Flughäfen an“, erläutert Berster. „So ist inzwischen auch Stuttgart mit in den Flugplan von Ryanair aufgenommen worden, wobei es im Gegensatz dazu Rückgänge auf kleineren Flughäfen wie beispielsweise in Lübeck gibt.“ Dort hat sich Ryanair komplett zurückgezogen und bietet stattdessen Flüge vom Flughafen Hamburg aus an.
Die Berliner Flughäfen haben zusammen genommen mit rund sechs Millionen Passagieren weiterhin im Low Cost Verkehr das höchste Aufkommen aller Flughäfen in Deutschland. Wegen seiner ausgeprägten Drehkreuzfunktion im klassischen Linienverkehr spielt der verkehrsreichste Flughafen Deutschlands, Frankfurt, weiterhin nur eine untergeordnete Rolle im Bereich Low Cost.
Europaweit Ryanair vor Easyjet
Jüngst feierte Easyjet sein 20-jähriges Bestehen, Ryanair mittlerweile das 30-jährige. Beide Gesellschaften dominieren weiter das Billigflugangebot in Europa und vereinen auf sich einen Marktanteil von 42 Prozent. Dabei erreicht Ryanair mit 12.600 Starts pro Woche auf 2.500 Strecken einen neuen Rekord. Easyjet folgt mit rund 10.000 Starts auf 1.400 Verbindungen. Der restliche europäische Low Cost Verkehr verteilt sich auf 23 weitere Airlines. „Auch auf europäischer Ebene nimmt der Wettbewerb unter den Low Cost Carriern zu“, sagt Berster. „Aber noch werden 88 Prozent der Strecken von nur einer Günstig-Airline beflogen.“
In ganz Europa kommt der Flughafen Barcelona auf die meisten Billigflüge (2.123 Starts). „Das weiter starke Angebot von Vueling und Ryanair zeigt seine Wirkung“, so Berster. Betrachtet man Großräume, so ist London mit seinen drei Flughäfen und knapp 4000 Starts die Stadt mit den meisten Angeboten im Sommer 2015. Durch das Engagement von Norwegian in London und Skandinavien ist eine Ausdehnung des Langstrecken Low Cost Verkehrs nach Nordamerika und Asien zu erkennen. Noch nicht berücksichtigt im Low Cost Monitor 2/2015 ist die Zusammenführung von Germanwings und Eurowings. Die Eurowings bietet seit dem 2. November 2015 neben europäischen Low Cost Verbindungen preisgünstige Flugangebote von Köln/Bonn nach Asien, Amerika und dem Mittleren Osten an.
Low Cost und klassischer Linienflugbetrieb
Die Airlines gestalten ihr Low Cost Angebot oft sehr unterschiedlich. Dadurch lassen sich nur wenige eindeutige Abgrenzungskriterien für das Marktsegment Low Cost definieren: beispielsweise ein niedriger Preis und seine generelle Verfügbarkeit oder ein Direktvertrieb über das Internet. Die Geschäftsmodelle einiger Low Cost Gesellschaften verschmelzen zudem mit denen traditioneller Airlines und erschweren die Zuordnung. Dies trifft besonders auf die Fluggesellschaft AirBerlin zu, die neben dem Low Cost Segment auch traditionellen Linien- und Charterverkehr durchführt sowie Mitglied der Luftfahrtallianz Oneworld ist. Das Low Cost Segment der Berliner Fluggesellschaft ist weiter erkennbar und somit im Low Cost Monitor berücksichtigt.
Zunehmend wird die Tendenz sich vermischender Geschäftsmodelle bei den Airlines sichtbar. Die vom DLR im Low Cost Monitor betrachteten Fluggesellschaften werden nicht aufgrund ihres Geschäftsmodells identifiziert, sondern sind solche, die eine hohe Anzahl von Angeboten im Niedrigpreissegment des Gesamtmarktes aufweisen. Ein Beispiel ist die Germanwings, die innerdeutsche und europäische Flüge außer von und zu den Drehkreuzflughäfen in Frankfurt und München von der Lufthansa übernommen hat. Sie bietet ein ausgedehntes Low Cost Angebot, daneben aber auch Leistungen für Premiumkunden. Die genannten Ergebnisse der Studie basieren auf Daten einer Referenzwoche im Juli 2015. Das Foto zeigt einen Germanwings-Flieger am Flughafen Hamburg (Quelle: MPenner).