Eigentlich hätte vieles anders laufen sollen, an diesem 12. November 2014. Nach einer zehnjährigen Anreise sollte Philae um kurz nach 17:00 Uhr als erstes von Menschen geschaffenes Objekt sanft auf dem Kometen Churuyumov-Gerasimenko aufsetzen und mit den ersten wissenschaftlichen Messungen überhaupt auf einer Kometenoberfläche beginnen. Es gab Schichtpläne, wann wer im Lander-Kontrollzentrum des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) an der Konsole sitzen sollte, es gab Kommando-Sequenzen, die Lander Philae eine nach der anderen abarbeiten sollte. Doch das eine waren die sorgfältig ausgearbeiteten Pläne – und das andere die Realität, wie sie auf einem Kometen in rund 500.000.000 Kilometern Entfernung von der Erde ablief.
Philae machte zwar fast eine Punktlandung auf Landeplatz Agilkia – doch seine Reise war damit noch nicht beendet. Mehrfach prallte er von der Kometenoberfläche ab und kam schließlich um 18:32 Uhr zum Stehen, von wo er auch die ersten Bilder sendete. „An einem Landeplatz, der so schroff war, dass wir es niemals gewagt hätten, dort zu landen“, erinnert sich Philae-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom DLR.
Meilenstein nach Meilenstein
Der Lander war an Bord der Rosetta-Sonde seit dem 02. März 2004 durch das Weltall gereist, hatte an Erde und Mars Schwung geholt, flog dicht an zwei Asteroiden vorbei und verbrachte lange Zeit im Winterschlaf. Am 20. Januar 2014 war Rosetta aus diesem Winterschlaf aufgewacht, am 28. März 2014 wurde Philae wieder aktiviert. Das Rendezvous mit Komet Churyumov-Gerasimenko fand dann am 06. August 2014 statt: Rosetta und Philae schwenkten in einen Orbit um den Kometen ein, nachdem sie zuvor insgesamt 6,4 Milliarden Kilometer zurückgelegt hatten. Noch nie zuvor hatte eine Sonde einen Kometen umkreist und ihn auf seinem Weg in Richtung Sonne begleitet. Und am 12. November 2014 sollte der nächste Meilenstein anstehen: Zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt sollte ein Lander auf einem Kometen aufsetzen.
Doch Lander Philae machte es seinem Team schon in der Nacht vor dem entscheidenden Tag nicht einfach: Die Kaltgasdüse auf der Oberseite des Landers, die Philae bei der Landung auf die Kometenoberfläche hätte drücken sollen, reagierte beim Test nicht wie gewünscht. Für einen Moment stand die Durchführung auf der Kippe. Schließlich beschloss das Missionsteam: Wir führen die Landung von Philae dennoch wie geplant und programmiert aus. Zu diesem Zeitpunkt ahnte allerdings niemand, dass das Harpunensystem, das Philae im Kometenboden verankern sollte, auch nicht feuern würde.
Holpern auf dem Kometen
Dieser Moment kam erst, nachdem die ersten um 17:09 Uhr am 12. November 2014 die erfolgreiche Landung feierten – und im Lander-Kontrollzentrum des DLR die Gesichter immer besorgter wurden. „Wir haben zwar das Signal erhalten, dass Philae Kontakt mit dem Kometen hatte – aber er schien sich immer noch zu drehen“, erinnert sich DLR-Ingenieur Dr. Koen Geurts, technischer Manager des Landers. „Und das konnte nicht sein, wenn er sicher gestanden hätte.“ Statt Jubel gab es Krisensitzungen im Kontrollraum, um zu verstehen, was in 500 Millionen Kilometern gerade geschah.
Schichtpläne gehörten ab dem Moment der Vergangenheit an. Schließlich war klar: Philae musste wieder abgeprallt sein und sich auf dem Weg in Richtung Weltall befinden. Gut zwei Stunden später kam dann die erleichternde Nachricht – der Lander war nach zwei Hüpfern wieder auf dem Kometen gelandet, allerdings auf einer ganz anderen – unbekannten – Stelle. „Wir haben Philae nicht nur einmal gelandet, sondern gleich mehrfach“, sagt Philae-Projektleiter Stephan Ulamec vom DLR. Fast 20 Jahre nach den ersten Ideen für eine solche Mission war die erste Kometenlandung überhaupt Wirklichkeit geworden.
Fotos zeigten, dass Philae in schroffem Gelände und deutlich schattiger als geplant stand. Seine Daten zeigten aber auch, dass es ihm gut ging, er seine spektakuläre Landung heil überstanden hatte und betriebsbereit war. Insgesamt rund 60 Stunden reichte die erste, aufgeladene Batterie des Landers, um mit zehn Instrumenten Messungen durchzuführen, während vor dem Kontrollraum die beteiligten Wissenschaftler mitfieberten und auf ihren Rechnern die Daten aus dem All eingingen. Erst am 15. November 2014, um 01:36 Uhr, war die Batterie von Philae erschöpft. Bis zur letzten Sekunde hatte er noch Bild- und andere Messdaten zur Erde gesendet.
Harte Arbeit auf weichem Kern
Nur kurze Zeit später konnten die Wissenschaftler eine erste Bilanz ziehen: Die ROLIS-Kamera des DLR konnten an beiden Landeplätzen Aufnahmen machen. Thermalsonde MUPUS hatte es selbst bei höchster Energie nicht geschafft, sich in den Kometen einzuhämmern – der Boden muss dementsprechend unerwartet hart sein. Das akustische Instrument SESAME in den Füßen des Landers lauschte nicht nur auf den ersten Kontakt mit dem Kometen, sondern auch auf die MUPUS-Sonde.
Auch der Bohrer konnte in Betrieb genommen werden – letztendlich landete aber keine Bodenprobe in den Experimentöfchen an Bord von Philae. Die Instrumente COSAC und Ptolemy schnüffelten nach organischen Molekülen, ROMAP untersuchte das Magnetfeld des Kometen. „Es konnten durch die ungeplante Situation nicht alle Messungen durchgeführt werden, weil wir unser Programm an die neue Gegebenheit innerhalb kürzester Zeit anpassen mussten“, sagt Philae-Projektleiter Stephan Ulamec. Jedoch lieferten alle Instrumente Daten.
Warten auf Kontakt
Nun hieß es warten. Warten darauf, dass Philaes zweite, wieder aufladbare Batterie genügend Sonnenenergie erhielt, um den Lander wieder zu aktivieren. Seit März 2015 horchte die Sonde Rosetta auf ein Lebenszeichen von Philae. Schließlich war es am 13. Juni 2015 so weit: Philae meldete sich zurück und sendete Datenpakete. Insgesamt sieben Mal nahm der Lander Kontakt auf – und schweigt seit dem 09. Juli 2015.
Nur wenn die Konstellation zwischen Lander und Orbiter stimmt, der Lander ausreichend mit Energie versorgt wird und die Hardware von Philae keinen Schaden genommen hat, ist eine erneute Verbindung zur Erde möglich. „Mittlerweile fliegt der Orbiter aber wieder in einer Entfernung, die einen Kontakt ermöglicht“, sagt DLR-Wissenschaftler Stephan Ulamec. „Und wir hoffen, dass es unserem Lander immer noch gut geht und er sich melden kann.“