26. April 1993, 18:51 Uhr Mitteleuropäischer Zeit. "Go for Spacelab activities", verkündet das Mission Control Center der NASA. Fast zwei Monate hatten die deutschen Astronauten Hans Schlegel und Ulrich Walter und ihre amerikanischen Kollegen warten müssen, bis mit diesem Kommando endlich ihre D2-Mission im All beginnen konnte.
Undichte Feststoffraketen, Ladebuchttüren, die nicht schließen wollten, oder auch ein geplatzter Hydraulikschlauch hatten bereits mehrmals für Verschiebungen des jeweiligen Starttermins gesorgt. Am 22. März schließlich war es ein fehlerhaftes Ventil, das den Bordcomputer den Start noch abbrechen ließ, während die Haupttriebwerke bereits gezündet waren. Die D2-Mission, bei der im Spacelab 88 Experimente in der Schwerelosigkeit durchgeführt werden sollten, stellte alle Beteiligten auf eine harte Geduldsprobe.
Der erfolgreiche Start brachte schließlich die Wende: Bereits auf dem Weg ins Weltall führten Schlegel und Walter die ersten medizinischen Experimente durch. Im Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) hieß es in den nächsten zehn Tagen "Schichtdienst rund um die Uhr", denn alle Experimente wurden von dort überwacht und gesteuert.
Schichtdienst für straffes Programm
"Sehr geehrter Herr Schlegel, sehr geehrter Herr Walter, Sie sind sicherlich froh, nach vielen Jahren intensiver Vorbereitung und nach den eingetretenen Verzögerungen nun mit Ihrer Arbeit im Orbit beginnen zu können", ließ Bundeskanzler Helmut Kohl in einem Telex den Astronauten ausrichten. Er wünsche viel Erfolg, bei der Bewältigung des anspruchsvollen wissenschaftlichen Programms.
Die Besatzung der russischen Raumstation MIR funkte: "Wir beglückwünschen die amerikanisch-deutsche Crew der Columbia zu ihrem erfolgreichen Start. Viel Glück für euren Flug!" Missionsmanager Hauke Dodeck vom DLR macht es knapper, wenn er von der D2-Mission spricht: "Es war ein sehr aktive Zeit." Nicht nur das Team am Boden arbeitete rund um die Uhr, auch die Astronauten waren in zwei Schichten eingeteilt und wechselten sich bei den Experimenten ab. Jede Minute in der Schwerelosigkeit war kostbar – neun Tage sollte die Mission dauern.
DLR managte gesamten Nutzlastbetrieb der Mission
Eine Kamera an Bord blickte zur Milchstraße, eine fotografierte die Erdoberfläche. Im Biolabor tummelten sich Larven des Südafrikanischen Krallenfrosches und des Buntbarsches, um ihre Reaktion auf die Schwerelosigkeit zu beobachten. Auch Tabak, Sonnenblume und Fingerhut wurde auf die Reise in die Schwerelosigkeit geschickt – ihre Zellen sollten im All miteinander verschmelzen. Ulrich Walter strampelte auf dem Fahrrad-Ergometer und erfasste dabei die Zusammensetzung seiner Atemluft. Hans Schlegel züchtete in der MEDEA-Anlage Gallium-Arsenid-Kristalle.
Mit den insgesamt 88 europäischen, amerikanischen und japanischen Experimenten übertraf die D2-Mission ihre Vorgängermission D1, die 1985 um die Erde kreiste. Im Kontrollzentrum am DLR-Standort Oberpfaffenhofen erstellte Projektleiter Hauke Dodeck mit seinem Team jeden Abend einen Statusbericht und aktualisierte die Ablaufpläne – die Timelines – für die Mission. "Das Raumfahrtkontrollzentrum des DLR hatte ja die Verantwortung für den gesamten Nutzlastbetrieb."
Roboterarm mit Fernsteuerung
Für Furore sorgte ein kleiner Würfel, der in der Schwerelosigkeit schwebte: Am 02. Mai steuerte ein DLR-Wissenschaftler aus dem Team von Prof. Gerd Hirzinger in Oberpfaffenhofen vom Boden aus den Roboterarm ROTEX, der 300 Kilometer über der Erde ferngesteuert den Würfel einfing. Erstmals in der Geschichte der Raumfahrt fing ein Roboter ferngesteuert einen Gegenstand im Weltall ein.
Heute, 20 Jahre später, arbeiten die Wissenschaftler des Robotik- und Mechatronikzentrums des DLR am Robotersystem MIROSURGE, dass Chirurgen über "Fernsteuerung" bei Operationen unterstützen soll. Roboter Justin lässt sich über Telepräsenz steuern und könnte in Zukunft Astronauten bei Wartungsarbeiten im Weltraum helfen. Und mit dem Projekt DEOS im All nach defekten Satelliten greifen und sie reparieren.
Energie reichte für zusätzlichen Missionstag
Am 07. Tag kam schließlich dann die gute Nachricht: Die Stromversorgung hatte genügend Reserven für einen zehnten Missionstag. "Das war wertvolle Zeit", erinnert sich Missionmanager Dodeck. Unter anderem gingen die materialphysikalischen Versuche weiter, das medizinische Labor Anthro-Rack blieb in Betrieb, ROTEX sollte für weitere Aufgaben eingesetzt werden.
Der Zusatztag verhalf auch einem weiteren Experiment zu seiner Erfindung: Ohne Eingriffe in den Körper maß Astronaut Hans Schlegel mit der Ballistokardiographie die Schwingungen, die der Herzschlag auf den Körper ausübt – ein Experiment, das Wissenschaftler des DLR-Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin, der Universität Witten-Herdecke, der Medizinischen Hochschule Hannover, der belgischen Royal Military Academy und der University of California, auf der 22. Parabelflugkampagne des DLR gemeinsam mit Astronaut Hans Schlegel wiederholten.
Meilenstein der wissenschaftlichen Raumfahrt
"In den vergangenen 20 Jahren seit der D2-Mission ist viel geschehen: Die Space Shuttles fliegen nicht mehr, und eine Internationale Raumstation kreist als Forschungslabor rund um die Uhr um die Erde – aber die D2-Mission ist und bleibt im Rückblick ein wichtiger Meilenstein mit wichtigen Forschungserfolgen", sagt Missionsmanager Hauke Dodeck.
Am 06. Mai 1993 schließlich kehrten die Astronauten wieder zur Erde zurück. Dieses Mal war es dann das Wetter, das den sorgfältigen Planungen einen Strich durch die Rechnung machte: Statt in Florida zu landen, musste die D2-Crew auf die Edwards Air Force Base in Kalifornien ausweichen.