Das vierte Automatische Transferfahrzeug der ESA, "Albert Einstein", wurde heute Nacht erfolgreich auf seine Umlaufbahn zur ISS gebracht. Der von Europas Raumflughafen Kourou in Französisch-Guayana aus gestartete autonome europäische Frachttransporter soll nach mehreren Manövern am 15. Juni an der Internationalen Raumstation andocken.
Der Start an Bord der von Arianespace betriebenen Trägerrakete Ariane-5 erfolgte um 23:52 Uhr MESZ (18:52 Uhr Ortszeit). Etwa 64 Minuten später erreichte das ATV-4 wie geplant auf 260 km Höhe eine kreisförmige Parkbahn und fuhr daraufhin seine vier Solarpaneele für die Stromversorgung sowie die Antenne aus.
Gesteuert wird der Raumtransporter vom ATV-Kontrollzentrum in Toulouse aus, das gemeinsam von der ESA und der französischen Raumfahrtagentur CNES betrieben wird. Es überwacht insbesondere die gesamte, etwa sechsstündige Phase der Einsatzerprobung nach dem Start (LEOP-Phase). Das automatische Anflug- und Andockmanöver mit der ISS ist auf den 15. Juni um 15:46 MESZ angesetzt.
Nutzlastrekord für Ariane-Rakete
Mit 20.190 kg ist das ATV-4 Albert Einstein etwa 150 kg schwerer als sein Vorgänger Eduardo Amaldi und damit die schwerste bisher mit einer Ariane gestartete Nutzlast. Von allen den orbitalen Außenposten versorgenden Raumfahrzeugen ist das von der ESA zum Frachttransport und zur Bahnanhebung der ISS entwickelte ATV das größte, technisch fortschrittlichste und leistungsfähigste Gefährt.
"Mit diesem erneuten erfolgreichen ATV-Start wird nicht nur ein weiterer Nutzlastrekord aufgestellt, sondern auch die Fähigkeit der europäischen Industrie zum Bau hochspezieller Raumfahrzeuge demonstriert, womit die ESA als Partner bei der Internationalen Raumstation eine Schlüsselrolle einnimmt", erklärte ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain.
"Das ATV-4 ist im Orbit, ATV-5 in der Vorbereitung, und auch künftig werden ATV-Technologien in vielversprechenden neuen Programmen, wie Orion, dem Mehrzweck-Mannschaftsfahrzeug der NASA, für das die ESA das Versorgungsmodul entwickelt, zum Einsatz kommen."
"Mit dem ATV und Orion entwickelt die ESA Fähigkeiten, die Europa bei künftigen internationalen Explorationsprogrammen zu einem Partner von zentraler Bedeutung machen", so die Prognose von Thomas Reiter, ESA-Direktor für bemannte Raumfahrt und Betrieb. "Während wir heute den langfristigen Aufenthalt und die wissenschaftliche Forschung in der niedrigen Erdumlaufbahn unterstützen, werden wir morgen dieses Know-how zusammen mit unseren Partnern auch in ferneren Bereichen des Weltraums einsetzen können."
Das ATV-4 führt eine Trockenfracht mit einem Rekordgewicht von 2.480 kg mit sich. Davon wurden 620 kg als "Last-Minute-Nutzlasten" weniger als zwei Wochen vor dem Start auf das bereits auf der Ariane-Trägerrakete befestigte ATV geladen. Noch nie hatte ein ATV so viele unterschiedliche Frachtstücke, insgesamt 1.440 im druckgeregelten Teil des ATV untergebrachte Gegenstände, an Bord.
Zusätzlich enthält das ATV-4 2.580 kg Treibstoff zum Anheben der Bahnhöhe der ISS sowie weitere 860 kg zum Auffüllen der Tanks des Swesda-Moduls. Außerdem werden vom ATV 570 kg Trinkwasser und 100 kg Gas (ein Luft– und zwei Sauerstofftanks) in die ISS gepumpt.
ATV mit vollautonomer Steuerung und Kollisionsvermeidung
Das ATV wurde für die ESA von europäischen Unternehmen unter der Leitung des Hauptauftragnehmers Astrium entwickelt, um im Rahmen einer Tauschvereinbarung mit der NASA Fracht und Treibstoff zur ISS zu bringen und so den Anteil Europas an den Betriebskosten der Station abzugelten.
Es verfügt über hochpräzise Navigationssysteme, eine mehrfach redundante Flugsoftware und ein völlig autonomes System zur Eigenüberwachung und Kollisionsvermeidung mit unabhängiger Stromversorgung, Steuerung und Antriebsvorrichtung. Kein anderes zur ISS fliegendes Raumfahrzeug ist mit so autonomen Steuerungsfunktionen ausgestattet.
Albert Einstein ist das vierte in einer Reihe von fünf serienmäßig gefertigten ATV. Es wird vier Monate am Swesda-Modul angedockt sein und während dieses Zeitraums als zusätzlicher Lager- und ruhiger Aufenthaltsraum für die Astronauten dienen. Es kann außerdem größere Manöver durchführen, um dem natürlichen Höhenverlust der Raumstation entgegenzuwirken und im Ernstfall gefährlichen Weltraumtrümmern auszuweichen.
Am Ende seiner Mission wird das mit Stationsmüll beladene ATV am 28. Oktober wieder von der ISS ablegen und anschließend beim kontrollierten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre über dem Südpazifik gefahrlos verglühen.
Das letzte aus der Baureihe der ATV, "Georges Lemaître", wird zurzeit auf seinen Start 2014 vorbereitet.