Wenn der europäische Raumtransporter ATV-4 Anfang Juni zu seiner Mission ins All aufbricht, wird er neben zahlreichen Versorgungsgütern für die Internationale Raumstation ISS auch "wissenschaftlichen Nachschub" an Bord haben. Darunter die von Astrium für die Europäische Weltraumorganisation ESA entwickelte und gebaute Experimentieranlage FASES (Fundamental and Applied Studies in Emulsions Stability).
Ziel von FASES ist es, das Verhalten von Emulsionen unter Schwerelosigkeitsbedingungen zu erforschen. Emulsionen spielen in vielen Bereichen der Industrie eine wichtige Rolle, z. B. in der Lebensmittelproduktion, der kosmetischen und pharmazeutischen Industrie, aber auch in der Ölindustrie. FASES soll im Fluid Science Labor im europäischen Columbus-Modul betrieben werden.
44 kleine Proben in eine FASES-Box
Astrium Friedrichshafen ist als Hauptauftragnehmer für die Entwicklung, Integration, Test und Qualifizierung der FASES-Hardware verantwortlich. Die äußerlich unscheinbare FASES-Box hat es allerdings in sich: 35 Kilogramm schwer, nur 40 x 28 x 27 Zentimeter groß, beherbergt die Anlage 44 kleine, mit Flüssigkeiten gefüllte, Probencontainer, zwei Diagnoseeinheiten und eine Fördereinrichtung.
Für FASES wurden zwei unterschiedliche Typen von Experimentzellen entwickelt, die mit exakt definierten, in Zusammensetzung und Konzentration unterschiedlichen Gemischen aus hochreinem Wasser, Parafin und Hexan gefüllt sind. Die Wissenschaftler unterscheiden dabei in transparente (ITEM genannt) und nicht-transparente Emulsionen (EMPI genannt).
Experimente am Fließband – Begrenzte Haltbarkeit
Ähnlich wie Speisen in einer Sushi-Bar am Gast vorbeigefahren werden, schiebt das "Förderband" die je einen Milliliter fassenden Experimentzellen an zwei Messstationen vorbei. Der Weg durch das Innere des Gerätes ist klar festgelegt und dokumentiert. An den beiden Diagnoseinstrumenten angekommen, können die eigentlichen Experimente ablaufen. So ist die Thermal Conditioning Unit (TCU) mit angeschlossenem Mikroskop für die transparente Probengruppe zuständig, im Differential Scanning Calorimeter (DSC) werden die nicht-transparenten Probentypen in festgelegten Versuchsabläufen analysiert.
Da einige der Flüssigkeitsgemische nur eine begrenzte Haltbarkeit von weniger als zwei Monaten haben, muss der Zeitplan zur Befüllung der Probencontainer wie auch der Einbau in das ATV-4 exakt eingehalten werden. FASES ist deshalb ein so genannten "Late Cargo", d.h. es gehört zu den letzten "Frachtstücken", die an Bord von ATV-4 "Albert Einstein" gelangen.
FASES wird kurz nach dem Andocken des ATV-4 an der internationalen Raumstation von der ISS-Crew entladen. Ziel ist es, diese haltbarkeits-beschränkten Zellen innerhalb weniger Tage nach Ankunft auf der ISS im fluidphysikalischen Labor von Columbus zu prozessieren. Die weiteren Experimente sollen dann in einem Zeitraum von 6-8 Monaten durchgeführt werden. Die Daten werden in dieser Zeit kontinuierlich zur Erde gesandt und an die Wissenschaftler zur Auswertung verteilt.
ATV-5 für 2014 schon in Vorbereitung
Astrium ist im Auftrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA auch verantwortlich für Entwicklung und Bau der ATV. Die Produktion der ATV-Einheiten sowie die Missionsvorbereitung und die Betriebsunterstützung sind Bestandeile des Exploitation-Vertrages, der den Betrieb und die Versorgung der europäischen Anteile der Internationalen Raumstation ISS umfasst. Mit "Albert Einstein" fliegt der vierte Transporter zur ISS. Der fünfte Raumtransporter "Georges Lemaître", geplanter Start ist Mitte 2014, wird derzeit erstmals als komplette Einheit auf Flugtauglichkeit und Funktionalität getestet.