Am Unfalltag beabsichtigte der Pilot in Begleitung eines Passagiers, der Inhaber einer Privatpilotenlizenz für Hubschrauber war, mit einem Hubschrauber vom Typ Guimbal Cabri G2 im Nachtflug vom Verkehrslandeplatz Frankfurt-Egelsbach (EDFE) zum Verkehrslandeplatz Augsburg (EDMA) zu fliegen. Als auf seltsame Geräusche ein Drehzahlvelust folgte.
Identifikation
- Art des Ereignisses: Unfall
- Datum: 18. Oktober 2014
- Ort: nahe Egelsbach
- Luftfahrzeug: Hubschrauber
- Hersteller / Muster: Hélicoptères Guimbal / Cabri G2
- Personenschaden: keiner
- Sachschaden: Luftfahrzeug schwer beschädigt Drittschaden: keiner
Sachverhalt
Ereignisse und weiterer Flugverlauf
Nach Angaben beider Personen an Bord waren kurz nach dem Start in Richtung Osten und dem Überflug des örtlichen Industriegebietes um ca. 18:55 Uhr schlagartige Geräusche zu vernehmen.
Da der Pilot hierfür keine Erklärung hatte, wollte er nach seinen Angaben unverzüglich zum Flugplatz zurückfliegen und kehrte um. Dabei bemerkte er einen plötzlichen Drehzahlverlust, leitete eine Autorotation ein und kurvte wiederum in Richtung des gerade überflogenen freien Feldes. Bild 2 zeigt eine vereinfachte Darstellung des Flugverlaufes (BFU / Google earth TM).
Bei der Autorotationslandung, im Ausrutschen des Hubschraubers auf dem Feld, schlug der Hauptrotor durch den Heckausleger. Hierbei wurde der Hubschrauber schwer beschädigt. Beide Insassen konnten unverletzt den Hubschrauber verlassen.
Angaben zu Personen
Der 43-jährige Pilot war im Besitz einer Berufspilotenlizenz für Hubschrauber (CPL(H)), erteilt gemäß Teil-FCL. In der Lizenz waren die Berechtigungen als verantwortlicher Pilot auf den Mustern AS350/EC130, Cabri G2, EC 120B und R44 eingetragen. Zusätzlich besaß er die Lehrberechtigung für die Flugausbildung sowohl zum Privat- als auch zum Berufspiloten und für Nachtflug (FI(H) CPL, PPL, SE SP, ME SP, night). Er verfügte über ein medizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 gemäß Teil-MED mit einer Einschränkung (VDL), gültig bis 24.10.2014. Seine Gesamtflugerfahrung betrug ca. 2.233 Stunden, von denen ca. 663 Stunden auf dem Muster Cabri G2 geflogen wurden.
Der 26-jährige Passagier verfügte über eine Privatpilotenlizenz für Hubschrauber (PPL(H)) mit den Berechtigungen als verantwortlicher Pilot auf den Mustern Cabri G2 und R44.
Angaben zum Luftfahrzeug
Das Muster Cabri G2 ist ein zweisitziger Hubschrauber des Herstellers Hélicoptères Guimbal. Er verfügt über ein Kufenlandegestell, einen Dreiblatt-Hauptrotor und einen Fenestron zum Drehmomentausgleich um die Hochachse. Die maximal zulässige Abflugmasse beträgt 700 kg. Der Hubschrauber ist mit einem Kolbentriebwerk Lycoming O-360-J2A ausgerüstet. Zur Kraftübertragung vom Kolbentriebwerk zum Hauptgetriebe wird ein Keilrippen-Antriebsriemen genutzt. Das Muster wurde im Jahr 2007 durch die EASA nach der Bauvorschrift CS-27 zugelassen.
Der betroffene Hubschrauber Cabri G2, Baujahr 2012, hatte die Seriennummer 1041. Das Betriebsleergewicht betrug laut Wägebericht ca. 428 kg. Die Gesamtbetriebszeit des Hubschraubers belief sich auf ca. 420 Stunden. Die letzte Bescheinigung über die Prüfung der Lufttüchtigkeit (ARC) wurde am 12.11.2013 ausgestellt. Der Hubschrauber war in Deutschland zum Betrieb zugelassen.
Extra-Wartung: Öl-verschmutzter Antriebsriemen
Am 21.03.2014 bei 406,3 Betriebsstunden und am 25.03.2014 bei 408,1 Betriebsstunden wurden unplanmäßige Wartungsarbeiten aufgrund eines rutschenden Antriebsriemens durchgeführt. Beide Male wurde laut Wartungsunterlagen ein mit Öl und Fett verschmutzter Antriebsriemen vorgefunden. Am 17.04.2014 bei 410,4 Betriebsstunden wurde aufgrund Leckagen das Hauptgetriebe neu abgedichtet. Der letztmalige "Release to Service" wurde am 27.08.2014 bei 418,8 Betriebsstunden in Egelsbach nach einer planmäßigen Wartungsmaßnahme (Lycoming SB 480 und HG SB 14-013) ausgestellt.
Meteorologische Informationen
Laut Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) lag Deutschland zwischen einem Tief nordwestlich von Irland und einer Hochdruckzone, die sich von den Alpen bis nach Osteuropa erstreckte. Mit einer südwestlichen Strömung floss sehr milde Luft ein. Tagsüber und noch in der folgenden Nacht blieb die stabilisierende Wirkung des Hochs wetterbestimmend.
Entsprechend der Routinewettermeldung (METAR) um 18:50 Uhr des nahe gelegenen Verkehrsflughafens Frankfurt-Main (EDDF) wurden zur Ereigniszeit folgende Flugwetterbedingungen beobachtet:
Der Wind kam aus 060° mit 5 kt. Die Sicht in Bodennähe betrug mehr als zehn km und es lag keine Bewölkung unterhalb 5.000 ft vor (CAVOK). Die Temperatur wurde mit 15 °C und der Taupunkt mit 14 °C angegeben. Der Luftdruck (QNH) betrug 1.021 hPa. Sonnenuntergang war um ca. 18:29 Uhr.
Angaben zum Flugplatz
Der Verkehrslandeplatz Frankfurt-Egelsbach liegt westlich von Egelsbach und ca. acht nautische Meilen (NM) südlich von Frankfurt. Die Piste hat die Ausrichtung 090°/270° mit einer Länge von 1.400 m. Die Flugplatzhöhe beträgt 385 ft AMSL.
Flugdatenaufzeichnung
Der Hubschrauber war nicht mit einem Flight Data Recorder (FDR) oder Cockpit Voice Recorder (CVR) ausgerüstet. Diese Aufzeichnungsgeräte werden von den gültigen Luftfahrtvorschriften nicht gefordert.
Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Die Unfallstelle befand sich im Bereich der Darmstädter Straße im Abflugbereich der Piste 09 auf einem freien Feld. Der Hubschrauber stand aufrecht auf seinen Kufen. Am Ende der mehrere Meter langen Rutschstrecke waren die Kufen in den weichen Untergrund eingesunken.
Der Heckausleger war kurz vor der vertikalen Flosse mit dem Fenestron abgeschlagen. Die Fenestron-Ummantelung hatte umlaufende Kratzspuren und teilweise Ausbrüche. Am Fenestron waren zwei der sieben Blätter zerstört. Das horizontale Leitwerk war in mehrere Stücke zerbrochen. Eines der drei Hauptrotorblätter wies starke Beschädigungen und eine durchgehend aufgesprungene Endleiste auf.
Im Bereich der Kraftübertragung zwischen Triebwerk und Hauptgetriebe wurde der zerstörte, in viele Streifen und Stücke zerrissene Antriebsriemen gefunden. Streifen davon hatten sich um die Heckrotorwelle gewickelt. Bild 3 und das Titelbild zeigen einen Überblick über die Unfallstelle und Beschädigungen.
Nach der Bergung wurde im Beisein des Herstellers, eines Versicherungsvertreters und des Eigentümers eine weitergehende Untersuchung durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, dass der gesamte Bereich zwischen Brandschott, Triebwerk und Hauptgetriebe, also der Bereich um den Antriebsriemen, mit Öl und Fett verschmutzt war. Teile des Antriebsriemens waren ebenfalls mit Öl und Fett verschmutzt. Gummirippen des Riemens fühlten sich weich und schmierig an (siehe Bild 5). Bild 4 zeigt die Beschädigungen und Feststellungen im Bereich des Antriebsriemens (Fotos: Hersteller).
Nach der Zerlegung des Hubschraubers im Werk des Herstellers wurde zusätzlich festgestellt, dass die linke Antriebsriemenführung verbogen war und wahrscheinlich einen nicht ausreichenden Abstand zum Antriebsriemen aufwies (siehe Beurteilung und Schlussfolgerung des Herstellers, Bilder 6 bis 8). Darin wird angemerkt, dass diese Fehlstellung hauptursächlich für den Unfall sei, da bereits weniger als ein Millimeter Spiel bei den Vibrationen in normalen Betriebsfrequenzen unsachgemäßen Kontakt des Riemens zu seiner Führung zur Folge hat.
Brand
Es entstand kein Brand.
Zusätzliche Informationen
Nach Angaben des Herstellers kam es bis zu diesem Unfall noch nie zu einem Versagen eines Antriebriemens bei dem betroffenen Muster.
Nach dem Unfall veröffentlichte der Hersteller am 27.10.2014 das Service Bulletin (SB) 14-026A "Transmission Belt Check" (siehe Bild 9 in der Anlage).
Anlagen zum Untersuchungsbericht
Bild 5: Feststellung des Herstellers (Observations)
Bild 6 und 7: Beurteilung des Herstellers (Analysis)
Bild 8: Schlussfolgerung des Herstellers (Conclusions)
Bild 9: Service Bulletin 14-026A des Herstellers vom 27.10.2014
Der Untersuchungsbericht wurde gemäß § 18 FlUUG summarisch abgeschlossen, d.h. ausschließlich mit Darstellung der Fakten.
Alle Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, Ortszeit. Quelle und Fotos, sofern nicht anders angegeben: BFU.