Mit der Umsetzung des Senatswillens zur Stärkung der Tourismusbranche in Hamburg (Drs. 18/5544) wurde in den Jahren 2006/07 die Büchse der Pandora bezüglich der Billigfliegerei am innerstädtischen Hamburger Flughafen geöffnet. Seitdem werden über finanzielle Anreizsysteme mit deutlichen Rabattierungen der Start- und Landeentgelte bis auf Null Euro für Fluggesellschaften, die neue Flugverbindungen anbieten („City Pairs“) sowie ein streckenbezogenes Wachstumsprogramm („SWP“) immer mehr Billigflieger („Low-Cost-Carrierer“) angelockt. Dieses sehr zum Leidwesen der mehr als 100.000 vom Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Der durch mehr Flugverkehr wachsende Fluglärm scheine den Senat jedoch nicht zu tangieren. Der weiterhin völlig unbefriedigende Umsetzungsstand des 16-Punkte-Plans für besseren Fluglärmschutz aus dem Februar diesen Jahres zeigt das überdeutlich. „Es ist ein politischer und behördlicher Stillstand eingetreten“, so Martin Mosel, Sprecher der BAW Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein.
Realitäten zum Flugverkehr
Mit den Antworten auf die Anfrage der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft zum Thema „Geiz ist geil – Hamburger Flughafen als Flugdiscounter“ (Drs. 21/2234) offenbart der Senat seine eindimensionale Sichtweise, dass mehr Billigflieger automatisch ein Plus für die Touristik, Wirtschaft sowie Arbeitsplätze bedeutet. Die Kehrseite der Medaille ist steigender Flugverkehr mit immer mehr Fluglärm.
Die Frage nach der finanziellen Untergrenze für einen Flugkilometer, der als sittenwidrig zu ächten ist, kann der Senat nicht beantworten. Stattdessen habe der Senat mit Lockangeboten, für 19,99 Euro und zum Teil noch weniger kreuz und quer durch Europa zu fliegen, kein Problem. Er glaubt weiterhin, das Geschehen rund um den Flughafen sei nachhaltig und den Rest würden passive Lärmschutzprogramme richten, in deren Umsetzung die Menschen hinter mehrfacher Schallschutzverglasung und Zwangsbelüftung die Wohnung oder das Haus nicht mehr verlassen können.
„Aus der Antwort auf die Anfrage der Linksfraktion ist zu schließen, dass die Flughafen GmbH sich inzwischen einen eigenen statistischen Definitionspool schaffen muss, um den katastrophalen Fehlentwicklungen noch den Anstrich des Erfolgs geben zu können“, so Martin Mosel. Dabei irrt der Senat bereits bezüglich des Marktanteils der Billigflieger in Hamburg: 13 Prozent im Jahr 2015 sollen es laut Flughafen GmbH sein, die bei der Beantwortung der Anfrage durch den Senat maßgeblich die Feder geführt hat. Die BAW Bürgerinitiative für Fluglärmschutz in Hamburg und Schleswig-Holstein hat diesbezüglich den „Low-Cost-Monitor“ des Instituts für Flughafenwesen und Luftverkehr (FW) am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) für die Jahre 2007 bis 2015 ausgewertet.
Danach beträgt der Anteil der Billigfliegerei am Hamburger Flughafen mittlerweile über 47 Prozent. Der Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre offenbart, dass sich bereits im Jahre 2010 die Entwicklung des Billigflugverkehrs in Hamburg von der in Deutschland sowie Europa abgekoppelt hat. Der Anstieg in Hamburg verläuft seither überproportional. Besonders weit öffnet sich die Schere ab dem Jahr 2012. Das indes ficht den Senat nicht an. Der lässt über die Flughafen GmbH antworten, dass die Entwicklung des Low-Cost-Segments in Hamburg im europaweitem Vergleich nicht überdurchschnittlich sei. Die Zahlen belegen jedoch gegenteiliges.
Büchse der Pandora wieder schließen
Dazu Martin Mosel, Sprecher der BAW: „Als erstes müssen jegliche finanziellen Anreizsysteme ersatzlos gestrichen werden, was auch dem Sinn des 16-Punkte-Plans für mehr Fluglärmschutz der Hamburgischen Bürgerschaft [Drs. 20/14334] entspricht. Der Betrieb dieses innerstädtischen Flughafens setzt eine besondere Rücksichtnahme auf die vom Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger voraus. Der Ungerechtigkeit, dass die Nutzer des Flughafens nahezu gleich verteilt in der Stadt und der Umgebung wohnen, den Fluglärm jedoch nur ein Teil der Bevölkerung ertragen soll, muss mindestens dahingehend Rechnung getragen werden, dass das Übermaß an Fluglärm reduziert wird.“
Die BAW fordert daher vom Senat als obersten Repräsentanten des Haupteigentümers als deutliches Zeichen die Ächtung der Billigfliegerei. Was mit der Einführung des Mindestlohn auf dem Arbeitsmarkt möglich ist, müsse demnach bei den Flugpreisen umzusetzbar sein. Es sei nicht zu erklären, dass eine Bahnfahrt nach Rostock teurer ist als ein hochsubventionierter Flugpreis nach Mallorca. Dies sei sittenwidrig und asozial.