Der Luftfahrtzeugführer startete in einer Cirrus SR 22 in Begleitung eines Piloten und zwei weiteren Personen vom Flughafen Paderborn/Lippstadt (EDLP) zum Sonderlandeplatz Brilon/Hochsauerland (EDKO). Laut Aussage des Piloten fand dieser Flug bei besten Wetterbedingungen statt. Das im Luftfahrzeug eingebaute Datenaufzeichnungssystem "Avidyne Engine Data Log" zeichnete den Flugverlauf auf. Dabei wurde festgestellt, dass das Luftfahrzeug über einen längeren Zeitraum in geringer Höhe flog.
Identifikation
- Art des Ereignisses: Unfall
- Datum: 15. Januar 2012
- Ort: Brilon/Hochsauerland
- Luftfahrzeug: Flugzeug
- Hersteller / Muster: Cirrus Design Corp / SR 22
- Personenschaden: keiner
- Sachschaden: Luftfahrzeug schwer beschädigt
- Drittschaden: keiner
Ereignisse und Flugverlauf
Am Unfalltag war ein Flug von Paderborn mit Zwischenlandung in Brilon und Weiterflug nach Kassel mit Platzrundenflügen in Kassel und anschließendem Rückflug nach Paderborn geplant. Das zweite Bild zeigt Flugspur und Höhenprofil von EDLP nach EDKO (Google EarthTM-Kartenservice, Bearbeitung BFU).
Anflug des Sonderlandeplatzes Brilon
Ein sachkundiger Zeuge, der den Anflug auf den Flugplatz beobachtet hatte, sagte aus: "Das Luftfahrzeug überflog den Platz in ca. 50 m Höhe mit relativ hoher Geschwindigkeit. Der zweite Anflug des Luftfahrzeuges war zu schnell und nachdem das Luftfahrzeug in der Nähe der Halbbahnmarkierung der Piste 07 noch nicht am Boden war, wurde es an den Boden gedrückt. Das Bugrad setzte zuerst auf, dadurch entstand die typische Hüpfbewegung. Durch kräftiges Bremsen wurde das Luftfahrzeug am Ende der Bahn zum Stillstand gebracht."
Nach den aufgezeichneten Daten hatte das Luftfahrzeug während des ersten Anflugs auf die Piste 07 eine Geschwindigkeit von 98 kt und beim zweiten Anflug 92 kt. Die Landung war laut Aussage des rechts sitzenden Piloten "…weit in die Bahn hinein und hart."
Das Luftfahrzeug verließ beim Ausrollen die Piste nach links und kam auf dem weichen Gras zum Stillstand. Von dieser Stelle aus konnte es nur mithilfe von weiteren Personen wieder auf die Bahn gebracht werden.
Bild 3 zeigt den Weg beim Verlassen der Piste 07 (Google EarthTM-Kartenservice, Bearbeitung BFU).
Start auf dem Sonderlandeplatz Brilon –
Um 15:00 Uhr startete der Luftfahrzeugführer in Begleitung der gleichen Personen vom Sonderlandeplatz Brilon/Hochsauerland. Laut eigener Aussage bemerkte er kurz nach dem Abheben in ca. 20-30 m Höhe einen Leistungsverlust des Triebwerks. Anschließend fuhr er die Landeklappen ein, worauf das Flugzeug durchsackte und auf ein Feld prallte. Alle Insassen verließen das Luftfahrzeug selbstständig und unverletzt.
Es wurde beobachtet, dass das Luftfahrzeug im Startlauf auf der Piste 07 nach ca. 250 m bis 270 m einen großen Anstellwinkel eingenommen und nicht weiter beschleunigt hatte. Das Flugzeug habe mit hängender linker Tragfläche abgehoben und sei anschließend nach links gedriftet.
Bild 4 zeigt den Startverlauf der Cirrus (Google EarthTM-Kartenservice, Bearbeitung BFU)
Angaben zu Personen
Der 37-jährige Luftfahrzeugführer war seit dem 23.10.2009 Inhaber einer Lizenz für Privatpiloten PPL(A), ausgestellt nach den Richtlinien der ICAO, gültig bis 12.09.2015. Er besaß die Berechtigung als verantwortlicher Pilot auf einmotorigen Landflugzeugen (SEP land), gültig bis 23.10.2013. Weiterhin war in seiner Lizenz die Nachtflugqualifikation eingetragen. Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis 03.07.2013 gültig. Die Gesamtflugerfahrung betrug nach seinen Angaben ca. 130 Stunden. Seine Flugerfahrung auf dem betroffenen Muster betrug 09:43 Stunden mit 44 Starts und Landungen. In den letzten 90 Tagen hatte der Pilot eine Flugzeit von ca. 25 Stunden.
Der Pilot, die rechts sitzende Person und die Passagiere wurden am Tag des Unfalls nach ihren Körpergewichten befragt und gaben gegenüber dem Beauftragten der BFU an:
Pilot 85 kg | vorne rechts sitzende Person 85 kg |
Passagier hinten links 65 kg | Passagier hinten rechts 65 kg |
Angaben zum Luftfahrzeug
Das Flugzeug Cirrus SR 22 ist ein 4-sitziger, einmotoriger, freitragender Tiefdecker in Gemischtbauweise mit festem Dreipunktfahrwerk und Bugradanordnung. Die maximale Abflugmasse beträgt 1.542 kg.
Das betroffene Flugzeug war mit einem 6-Zylinder-Continental-IO-550-N-Triebwerk mit 231 kW (310 PS) Leistung und einem automatisch geregelten Dreiblatt-Metallpropeller ausgerüstet. Es war in den USA zum Verkehr zugelassen und wurde von einem deutschen Industrieunternehmen betrieben. Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit erfolgte am 19.10.2011. Zum gleichen Zeitpunkt wurde eine 100-Stunden-Kontrolle durchgeführt.
Laut Supplemental Weight and Balance Data and Equipment List hatte das Luftfahrzeug am 11.02.2011 eine Leermasse von 2345,4 lbs (1.064 kg). Nach der letzten Kontrolle hatte das Luftfahrzeug eine Betriebszeit von 15 Stunden. Die Gesamtbetriebszeit des 2005 gebauten Luftfahrzeuges betrug 1.377 Stunden. In der einer Tabelle wird die zum Unfallzeitpunkt ermittelte Abflugmasse dargestellt, sie betrug 1.561 kg. Bild 5 zeigt diese Beladungstabelle für das Luftfahrzeug.
Im Cockpit stand die Einstellung der Druckfläche im Seitenfenster (Kollsman Window) des Reserve-Höhenmessers auf 1.013 hPa. Die Einstellung der Reserve-Höhenmessereinstellung ist in Bild 6 gezeigt.
Triebwerksparameter aus dem "Avidyne Engine Data Log"
In Bild 7 sind die Drehzahl und Leistung des Triebwerks dargestellt. Drehzahl (blaue Linie) sowie die Leistung des Triebwerkes sind in Prozent angegeben. Die braune Line ist die Leistung ROP (Rich of Peak) und die grüne Linie LOP (Lean of Peak). In Bild 8 sind die Drehzahl (blaue Linie) sowie die Geschwindigkeit des Luftfahrzeuges (LFZ) über Grund (gelbe Linie) dargestellt. Die Geschwindigkeit lag bei ca. 46 kt (Quele: Beide CirrusReports.com).
Die in den Darstellungen angegebene Zeit entsprach einer Grundeinstellung im System und nicht der tatsächlichen Zeit. Im Flughandbuch war zu den Geschwindigkeiten des Luftfahrzeuges unter normalen Betriebsbedingungen Folgendes festgelegt (auszugsweise):
Airspeed for Normal Operation
Unless otherwise noted, the following speeds are based on a maximum weight of 3.000 lb. and may be used for any lesser weight.
Takeoff Rotation:
Normal, Flaps 50% 70 KIAS
Landing Approach:
Normal Approach, Flaps Up 90 KIAS
Normal Approach, Flaps 50% 85 KIAS
Normal Approach, Flaps 100% 80 KIAS
Meteorologische Informationen
Am Sonderlandeplatz Brilon herrschten zur Unfallzeit folgende Wetterbedingungen:
Sicht: > 8 km
Luftdruck (QNH): 1.025 hPa
Wind: umlaufend / 3 kt
Wetter: heiter
Funkverkehr
Es bestand Funkverbindung mit Brilon Info auf der Frequenz 129,375 MHz.
Angaben zum Flugplatz
Der Sonderlandeplatz Brilon/Hochsauerland befindet sich ca. 2,8 nautische Meilen (NM) östlich von Brilon. Die Flugplatzhöhe beträgt 1.510 ft AMSL. Die ausgewiesene Platzrunde liegt südlich des Flugplatzes und hat eine Höhe von 2.500 ft AMSL. Der Flugplatz verfügt über eine befestigte Start- und Landebahn in Richtung 07/25 (067°/247°) mit einer Abmessung 750 m x 15 m, zugelassen für Luftfahrzeuge mit einer Masse von 2.000 kg. Die verfügbare Landestrecke in Richtung 07 beträgt 600 m. Die Startlaufstrecke (TORA) für die Startrichtung 07 beträgt 750 m bei einem Pistenanstieg von 36 ft. Nördlich der Hauptpiste befinden sich zwei Segelflugbetriebsflächen. Bild 9 zeigt eine Flugplatzkarte zum Flugplatz Brilon.
Flugdatenaufzeichnung, Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Die im Luftfahrzeug gespeicherten Triebwerksparameter des "Avidyne Engine Data Log" wurden ausgelesen und standen der BFU zur Auswertung zur Verfügung. Die Unfallstelle befand sich ca. 210 m nordwestlich der Schwelle der Piste 25 auf einem bestellten Feld. Die erste längliche Berührungsspur auf dem Feld war ca. 20 m südwestlich der Endlage des Luftfahrzeuges. Im Leitwerkbereich war der untere Rumpf beschädigt und die untere Seitenruderverkleidung verschmutzt sowie gebrochen.
Der Rumpf lag in Richtung ca. 270°. Das rechte Hauptfahrwerk war abgerissen und lag unter dem Rumpf. Das linke Hauptfahrwerk war angebrochen und das Bugfahrwerk im Bereich des Hauptrohres und der Schwinge abgebrochen. Die Blätter des Dreiblatt-Metallpropellers waren nach hinten gebogen.
Bild 9 zeigt ein Foto von der Unfallstelle, die Cirrus liegt auf dem Acker. Die Abgasanlage war deformiert und die untere Verkleidung des Triebwerks war gebrochen. Im Bereich des Brandspantes war die untere vordere Rumpfsektion gestaucht. Der Hauptspant der linken Tragfläche war im Bereich des Tragflächenanschlusses gebrochen und der linke Randbogen beschädigt. Die Lager zur Klappenansteuerung an der linken Tragfläche waren herausgezogen und die erste Rippe der Klappe eingedrückt. An der Klappe der rechten Tragfläche war ein Lagerarm nach links gebogen und die äußere Rippe eingedrückt.
Zusätzliche Informationen
Sicherheitsmindesthöhe: Im § 6 der Luftverkehrsordnung (LuftVO) ist die Sicherheitsmindesthöhe, Mindesthöhe bei Überlandflügen unter Sichtflugbedingungen geregelt.
(1) Die Sicherheitsmindesthöhe darf nur unterschritten werden, soweit es bei Start und Landung notwendig ist. Sicherheitsmindesthöhe ist die Höhe, bei der weder eine unnötige Lärmbelästigung im Sinne des § 1 Abs. 2 noch im Falle einer Notlandung eine unnötige Gefährdung von Personen und Sachen zu befürchten ist. Über Städten, anderen dicht besiedelten Gebieten, Industrieanlagen, Menschenansammlungen, Unglücksorten sowie Katastrophengebieten beträgt die Sicherheitsmindesthöhe mindestens 300 Meter (1.000 Fuß) über dem höchsten Hindernis in einem Umkreis von 600 Metern, in allen übrigen Fällen 150 Meter (500 Fuß) über Grund oder Wasser…
[…]
(3) Überlandflüge nach Sichtflugregeln mit motorgetriebenen Luftfahrzeugen sind in einer Höhe von mindestens 600 Meter (2.000 Fuß) über Grund oder Wasser durchzuführen, soweit nicht aus Sicherheitsgründen nach Absatz 1 Satz 2 und 3 eine größere Höhe einzuhalten ist. Überlandflüge in einer geringeren Höhe als 600 Meter (2.000 Fuß) über Grund oder Wasser dürfen unter Beachtung der Vorschriften der Absätze 1 und 2 angetreten oder durchgeführt werden, wenn die Einhaltung sonstiger Vorschriften und Festlegungen nach dieser Verordnung, insbesondere die Einhaltung der Luftraumordnung nach § 10, der Sichtflugregeln nach § 28 oder von Flugverkehrskontrollfreigaben, eine geringere Höhe erfordert.
Beurteilung
Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß zum Luftverkehr zugelassen und instand gehalten. Die letzte Prüfung der Lufttüchtigkeit wurde am 19.10.2011 durchgeführt. Die Auswertung der aufgezeichneten Parameter ergab aus Sicht der BFU keine Anzeichen einer Funktionsstörung des Triebwerkes.
Das Wetter war für die Durchführung des Fluges gut geeignet. Der Pilot war ausreichend lizenziert. Bei der Gesamtflugerfahrung von ca. 130 Stunden kann seine Erfahrung auf dem betroffenen Muster mit 09:43 Stunden als sehr gering eingeschätzt werden.
Die Sicherheitsmindesthöhe wurde über einen längeren Zeitraum unterschritten. Die Auswertung der Geschwindigkeitsdaten des ersten bzw. auch des zweiten Anfluges auf den Sonderlandeplatz Brilon zeigte, dass die im Flughandbuch angegebenen Geschwindigkeiten nicht eingehalten wurden. Das sehr späte und erzwungene Aufsetzen auf der Piste wurde wahrscheinlich durch die zu große Anfluggeschwindigkeit und eine Fehleinschätzung der Flughöhe begünstigt.
Der Reserve-Höhenmesser wird laut Flughandbuch im Falle eines teilweisen bzw. vollständigen Ausfalls des Primary Flight Displays (PFD) eingesetzt. Der laut Aussage des Piloten auf diesem Gerät generell eingestellte Standarddruck (1.013 hPa) kann bei Ausfall des PFD zu einer Fehleinschätzung der Flughöhe führen.
Zum Zeitpunkt des Starts in Brilon war das Luftfahrzeug mit ca. 19 kg überladen. Im Startlauf beschleunigte das Luftfahrzeug bei einer ansteigenden Piste auf 46 kt und behielt diese Geschwindigkeit für ca. 24 Sekunden bis zum Aufprall auf dem Boden bei. Die Nichtzunahme der Geschwindigkeit deckt sich mit Beobachtungen von Zeugen, die sahen, dass das Luftfahrzeug im Startlauf sehr zeitig einen großen Anstellwinkel einnahm und nicht weiter beschleunigte. Wahrscheinlich hob das Flugzeug im überzogenen Flugzustand und im Bodeneffekt ab und driftete mit hängender linker Tragfläche nach links. Das anschließende Durchsacken des Luftfahrzeuges bis auf den Boden wurde durch das Einfahren der Landeklappen begünstigt.
Schlussfolgerungen
Der Flugunfall ist darauf zurückzuführen, dass der Pilot das Luftfahrzeug im Startlauf bei geringer Geschwindigkeit und hohem Anstellwinkel abhob. Beim Einfahren der Landeklappen wurde der Auftrieb des Luftfahrzeuges zusätzlich reduziert, sodass es durchsackte und auf den Boden prallte.
Quelle und Bilder, sofern nicht anders angegeben: BFU. Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, Ortszeit.