Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) untersuchen bis 2018 das Schlafverhalten von insgesamt 50 Kindern, die in der Umgebung des auch in der Nacht durchgängig beflogenen Flughafens Köln/Bonn wohnen.
Die Studie soll darüber Erkenntnisse liefern, wie sich nächtlicher Fluglärm auf den Schlaf, die kognitive Leistungsfähigkeit und das psychische Wohlbefinden von Kindern auswirkt.
Wissenslücken schließen
Seit 40 Jahren wird in Deutschland geforscht, wie sich Lärm auf den menschlichen Organismus auswirkt. Auch der Einfluss von nächtlichem Verkehrslärm auf den Schlaf wurde bereits in vielen Studien untersucht. Dennoch sind weiterhin viele Fragen offen. Zum Beispiel wurde die sogenannte „vulnerable“ Gruppe von Kindern bisher nicht untersucht. Besonders bei dieser Gruppe vermuten Wissenschaftler aber negative Auswirkungen durch Lärm auf den Schlaf und damit auf die Erholungsfähigkeit.
Fest steht: Guter und gesunder Schlaf ist für die körperliche und geistige Entwicklung von Kindern enorm wichtig. Ob und wie genau Fluglärm den Schlaf von Kindern beeinträchtigt, ist aber weitgehend ungeklärt. Daten vergangener Untersuchungen widersprechen sich teilweise. Speziell für die Frage, wie sich Fluglärm auf das Schlafverhalten im Feld auswirkt – also nicht im Labor, sondern bei den Probanden zu Hause – liegen überhaupt keine Erkenntnisse vor.
Einschlafen und Durchschlafen bei Fluglärm
Die Experten des DLR-Instituts für Luft– und Raumfahrtmedizin suchen deshalb Antworten auf Fragen wie: Wie wird der kindliche Schlaf durch Fluglärm beeinflusst? Wie lange brauchen die Kinder, um abends mit Fluglärm einzuschlafen? Wie häufig wachen sie deshalb nachts auf? Wie häufig und wann findet ein Wechsel von einem tieferen in ein leichteres Schlafstadium statt?
Um die Schlafdaten aufzuzeichnen, werden die Kinder zu Hause in vier aufeinanderfolgenden Nächten polysomnographisch untersucht. „Das bedeutet, dass unterschiedliche elektro-physiologische Körperfunktionen die ganze Nacht aufgezeichnet werden“, erklärt Dr. Julia Quehl aus der Abteilung Flugphysiologie. „Dazu tragen die Kinder in jeder Nacht kindgerechte Elektroden am Kopf und Oberkörper.“
Diese liefern den Wissenschaftlern Daten, mit deren Hilfe sie die Hirnaktivität messen und so verschiedene Schlafstadien und Aufwachreaktionen ableiten können. Zusätzlich werden im Kinderzimmer alle Geräusche am Ohr des schlafenden Kindes in der Nacht aufgezeichnet. So können die Wissenschaftler konkrete Ereignisse im Schlafverhalten (z.B. Wechsel des Schlafstadiums oder Aufwachreaktionen) mit konkreten einzelnen Lärmereignissen wie etwa einem Start oder Landeanflug in der Nacht verbinden.
Subjektives Lärmempfinden
Neben diesen objektiven Daten erheben die Forscher mit Hilfe von kindgerechten Fragebögen jeden Morgen subjektive Daten dazu, wie die Kinder ganz persönlich ihren Schlaf und den Fluglärm in der Nacht erlebt haben. Dadurch wird untersucht, wie sehr sich die Kinder aus eigener Sicht durch den Lärm belästigt und gestört fühlen.
Zusätzlich wird jeden Morgen die kognitive Leistungsfähigkeit durch einen psychologischen Reaktionszeittest an einem Laptop gemessen. „Im Vorfeld der Studie üben wir mit den Kindern den Test“, erklärt Frau Dr. Quehl. „Dadurch kennen wir ihr individuelles Leistungsniveau in diesem Test. Anhand der Testwerte während der Studie können wir dann feststellen, ob ein lärmbedingter Leistungseinbruch zu vermerken ist.“
Strenge Kriterien bei der Probandenauswahl
An der Studie, die im Rahmen des Projekts MIDAS (Maßnahmen und Instrumente des Aktiven Schallschutzes bei Fluglärm) durchgeführt wird, können nur gesunde und normalhörende Jungen und Mädchen im Alter von acht bis zehn Jahren teilnehmen. Das hat den Hintergrund, dass alle Kinder eine vergleichbare Schlafstruktur aufweisen müssen, um wissenschaftlich belastbare Ergebnisse zu erhalten. Denn wie viel Zeit Kinder in den unterschiedlichen Schlafphasen verbringen sowie die Gesamtdauer des Schlafes ändert sich mit zunehmendem Alter. Nicht teilnehmen können Kinder mit Hörstörungen, chronischen Krankheiten oder Kinder, die Medikamente einnehmen müssen, welche die Aufzeichnung der Schlafdaten verfälschen würden.
Mögliche Probanden müssen in der Umgebung des Flughafens Köln/Bonn wohnen. Die Gegend muss weiterhin einerseits stark von nächtlichem Fluglärm betroffen sein, darf andererseits jedoch kaum anderen Lärmquellen wie Straßenverkehr, Bahn oder Industrie ausgesetzt sein. Es soll ausdrücklich nur die Wirkung von nächtlichem Lärm durch Flugzeuge untersucht werden.
Die Auswahl der Probanden erfolgt weiterhin nach akustischen Kriterien. Durch akustische Probemessungen vor Ort soll sichergestellt werden, dass einzelne Fluglärm-Ereignisse nicht durch Hintergrundlärm überdeckt werden. Das würde die Gegenüberstellung der akustischen Daten mit den Schlafdaten enorm erschweren. Die Auswahl der Probanden erfolgt durch Eltern- und Kinderbefragungen sowie anhand eines Hörscreenings.
Ergebnisse zusammenführen
Aus den gesammelten akustischen Daten, den elektro-physiologischen Daten zum Schlafverhalten und den subjektiven Daten zum Belästigungsempfinden erstellen die Wissenschaftler sogenannte Expositions-Wirkungsbeziehungen. Diese werden als Kurven dargestellt und zeigen, wie sich die Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Lärmreaktion (z.B. Aufwachreaktion) in Abhängigkeit vom Lärm verhält. „Für nächtlichen Fluglärm und Schlaf gibt es bisher nur Expositions-Wirkungskurven für Erwachsene, nicht jedoch für Kinder“, erzählt Dr. Susanne Bartels aus der Abteilung Flugphysiologie. „Im Anschluss an unsere Studie können wir solche Kurven auch für Kinder berechnen und diese anschließend mit denen von Erwachsenen vergleichen. Dann können wir endlich sagen, welche unterschiedlichen Auswirkungen Fluglärm auf das Schlafverhalten von Erwachsenen und Kindern hat.“
Die Studie findet jeweils 2016 und 2017 von Juni bis Oktober statt. Die genauen Bedingungen und die Möglichkeit sich für die Studie zu bewerben, finden Sie hier.