Das Projekt COP4EE entwickelt Methoden und Dienste, bei denen Satellitenbilddaten so aufbereitet werden, dass sie als Informationen über das Potenzial von Flächen für die erneuerbaren Energieträger genutzt werden können.
195 Staaten haben sich im Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet, die Erderwärmung auf „deutlich unter zwei Grad Celsius bezogen auf vorindustrielle Werte“ – möglichst sogar auf 1,5 Grad zu beschränken. Dafür muss der Treibhausgasausstoß weiter gesenkt werden – ein völkerrechtliches Plädoyer zum Ausbau von erneuerbarer Energien.
Doch wie kann dieser Ausbau sinnvoll gelingen? Welche Flächen eignen sich für welche Energieform? Wie können alle Haushalte und die Industrie flächendeckend mit „sauberem“ Strom versorgt werden? Satellitendaten können hierfür wichtige Daten liefern. Das Pilotprojekt, an dem sechs Partner beteiligt sind, ist zunächst einmal in Rheinland-Pfalz gestartet – soll langfristig aber auf das gesamte Bundesgebiet erweitert werden.
Aus der Satellitenperspektive
Bislang werden Solar- und Windparks in der Regel herkömmlich geplant: Eine Fläche wird ausgewählt. Das Gelände wird besichtigt. Kartenmaterial aus dem Katasteramt – und im Idealfall Luftbilder – stehen für die Bauplanung zur Verfügung. Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und der Europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT) werden zu einer groben Einschätzung der Wind- und Wetterverhältnisse zu Rate gezogen – und dann wird gebaut. Doch ist die Anlage wirklich sinnvoll geplant? Ist für diese Fläche die gewählte Energieform die richtige? Würde sich nicht eine andere Fläche in der Gegend viel besser eignen?
Diese Fragen können nur beantwortet werden, wenn räumlich hochaufgelöste, aktuelle und Langzeitinformationen über Wind- und Wetter mit in die Planung miteinfließen. „Hierfür sind Erdbeobachtungssatelliten ideal geeignet: Sie überblicken großflächig aus dem Weltraum die geplanten Flächen und andere mögliche Standorte in der Nähe, liefern mit Ihren Instrumenten dank ihrer kontinuierlichen Überflüge regelmäßig aktuelle Informationen, die bearbeitet und analysiert werden und in Form von Karten und Vorhersagemodellen als Grundlage für weitere Planungsentscheidungen genutzt werden können. So lassen sich erneuerbare Energieanlagen künftig noch besser planen und deren Potenzial voll ausschöpfen“, erklärt Stefanie Schrader, Projektleiterin im DLR Raumfahrtmanagement.
Das Projekt wird von dem Unternehmen DELPHI IMM GmbH koordiniert. Beteiligt sind außerdem die Remote Sensing Solutions GmbH, die M.O.S.S. Computer Grafiksysteme GmbH sowie die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. Als Kooperationspartner für die Pilotphase in Rheinlandpfalz sind die Energieagentur Rheinland-Pfalz und die Stadtwerke Trier mit dabei. Im Projekt COP4EE – gefördert durch das Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) – können die Nutzer in Zukunft vor allem auf die Daten der „Wächtersatelliten“ im europäischen Copernicus-Programm bauen.
Diese Klimawächter – vor allem Sentinel-1 und -2 – überfliegen die Planungsgebiete alle sechs Tage und machen dabei hoch aufgelöste Bilder der Erdoberfläche. Durch ihre häufigen Überflüge und die hohe Genauigkeit liefern sie wertvolle Informationen über die Windverhältnisse, Forst- und Landwirtschaftsflächen für den Biomasseanbau – aber auch über mögliche Gefahren für die Anlagen wie Geländeerosion. Außerdem können Daten der Deutschen Programme RapidEye und TerraSAR-X genutzt werden.
Die fünf RapidEye-Satelliten nehmen mit ihren hochauflösenden optischen Kameras täglich vier Millionen Quadratkilometer der Erdoberfläche auf. Die beiden DLR-Satellitenzwillinge TerraSAR-X und TanDEM-X beobachten mit ihren „Radaraugen“ die Erde dreidimensional mit einer Auflösung von bis zu einem Meter bei jedem Wetter – denn Radar dringt auch durch Wolken. Die erstellten 3D-Karten können ideal für die Planung der Anlagen herangezogen werden.
Geothermie – Energieform mit Zukunft
Geothermische Quellen haben bislang nur einen sehr geringen Anteil an der regenerativen Energieerzeugung in Deutschland. Auf lange Sicht könnte sich das allerdings ändern. Daher wird aus geologischen Katastern geprüft, ob sich die geplante Region für eine geothermische Stromerzeugung eignet. Dabei wird zwischen oberflächennaher und Tiefengeothermie unterschieden.
Für beide Energieformen kann über eine Strukturanalyse auf Basis der Satellitenbilddaten ermittelt werden, ob neben Gebäuden genügend Flächen für einen sinnvollen Einsatz dieser Energieformen vorhanden sind. Zum Einsatz kommen aktuelle und bestehende Produkte wie zum Beispiel der Urban Atlas, um die unterschiedlichen Siedlungsgebiete zu untersuchen. Für die Tiefengeothermie werden diese Daten mit den Angaben aus den geologischen Datenbanken verglichen.
Windkraft – Schwankende Strommengen
Hat das geplante Gelände das Potenzial für einen effizienten Windpark? Um das herauszufinden, werden zunächst mit Hilfe von optischen und Radardaten aus dem Weltall die Geländestrukturen ermittelt. Im zweiten Schritt werden unter Berücksichtigung der regionalen Abstandsvorschriften zu Infrastrukturen, Naturschutzflächen und Gewässern sogenannte Flächen für den Bau von Windenergieanlagen bestimmt. Innerhalb dieser Flächen wird anhand der Windgeschwindigkeit und dem Leistungsparameter der jeweiligen Windenergieanlage ein Energieertrag des potenziellen Windparks berechnet. Diese Analysen werden im Projekt regelmäßig mithilfe von Satellitendaten durchgeführt.
Licht und Schatten beim Sonnenstrom
Ist das geplante Gelände ideal für eine Solarthermie- oder Photovoltaik-Anlage geeignet? Um diese Frage zu beantworten wird das Solarpotenzial unter anderem auf Basis von Sentineldaten sowohl für Frei- als auch für Dachflächenanlagen regelmäßig ermittelt. Für die Analyse des Potenzials freier Flächen wird die Nutzung der Landoberfläche regelmäßig aus Copernicusdaten abgeleitet.
Die Untersuchung des Dachflächenpotenzials basiert auf einem Verfahren, das Informationen aus Sentineldaten mit Katasterinformationen kombiniert. Hier spielt auch der Schatten eine entscheidende Rolle: Wie groß ist die Schattenfläche und wie lange ist die geplante Freiflächenanlage ohne Sonnenenergie? Welche Energieverluste entstehen dadurch? Diese Daten werden für die Flächen berechnet und in die Potenzialbestimmung miteinbezogen.
Biomasse – die zuverlässige Energieform
Wind- und Solarenergie sind nicht immer und überall gleich stark vorhanden. Ihre Einspeisung ist von Wetterbedingungen sowie der Tages- und Jahreszeit abhängig. Diese Schwankungen der Strommengen sind eine große Herausforderung für die Energiewende. Sie können kurzfristig zu einer Überproduktion oder zu einem Mangel führen, der durch ein effizientes Last- und Einsatzmanagement mit Energie aus konventionellen Kraftwerken oder mit Bioenergie ausgeglichen werden muss.
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien steigt also die Bedeutung dieser Anlagen. Satellitendaten können hier bei der Planung helfen. Produzieren die Felder in der Nähe genug Biomasse? Sind die Äcker für den Anbau dieser Pflanzen überhaupt geeignet und wie entwickelt sich die Biomasse saisonal? Welchen „Speicher“ muss die Biomasse als Regelenergie in einer Region bereitstellen? Diese Fragen können Satellitendaten beantworten.
Energiebilanz aus dem All
Außerdem kann mit Zeitreihen meteorologischer, optischer sowie Radardaten ein regional differenzierendes Energie-Bilanz-Prognose-Modell aufgebaut werden. Für eine Kurzzeitprognose von bis zu drei Tagen werden die anfallenden Energiemengen aus Wind und Sonne sowie die entsprechende notwendige Entnahme aus den vorhandenen Biomassespeichern bestimmt. Darauf aufbauend wird dann aufgezeigt, ob und in welchem Umfang die Biomassespeicher aufgefüllt werden müssen.
Eine mittelfristige Prognose von bis zu drei Monaten wird ebenfalls durch meteorologische Informationen sowie insbesondere auf Basis von optischen und Radardaten erstellt. Hier wird die Entwicklung der Vegetation beobachtet: Wie ertragreich waren Felder für Biogasanlagen? Gab es Sturmschäden? Dank dieser Daten kann die Jahresprognose im Vergleich zum Potenzialansatz korrigiert und Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden.