Hubschrauber-Vorführung: EC 120B in „Dynamic Rollover“

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Im Rahmen einer alle zwei Jahre stattfindenden Flugveranstaltung am Segelfluggelände Roßfeld wollte der eines Hubschraubers EC 120B in Begleitung eines Passagiers, der ebenfalls dieses Hubschraubermuster fliegt, verschiedene Flugmanöver mit seinem vorführen.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 09. September 2012
  • Ort: Segelfluggelände Roßfeld
  • Luftfahrzeug:
  • Hersteller / Muster: / EC 120B
  • Personenschaden: und Passagier leicht verletzt, ein Zuschauer tödlich, zwei Zuschauer schwer und ein Zuschauer leicht verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug schwer beschädigt
  • Drittschaden: Personenschaden und Kfz-Schaden

Sachverhalt

Ereignisse und weiterer Flugverlauf

Es lagen der BFU mehrere Filmaufnahmen vom Start des Hubschraubers bis zum Unfall vor. Die Filmaufnahmen zeigten, dass der Hubschrauber nach dem Anlassen des Triebwerks in den Schwebeflug gebracht wurde, dabei eine Drehung um die Hochachse von ca. 180° erfolgte und der Hubschrauber unmittelbar in ca. 50 cm Flughöhe nach Süden in Richtung der Piste 07 schwebte. Mit Rumpfausrichtung in zirka Richtung Süden schwebte der Hubschrauber dann seitlich nach rechts und verlor langsam an Flughöhe. Dabei bekam zuerst das hintere Ende der linken Kufe Bodenkontakt. Der Hubschrauber kippte nach rechts, wobei das Ende der rechten Kufe und danach der Hecksporn den Boden berührten und der Hubschrauber nach rechts umschlug. Vom Abheben bis zum Unfall um 16:15 Uhr vergingen ca. 21 Sekunden.

Der Pilot gab gegenüber der an, dass er seit Jahren Demonstrationsflüge mit Hubschraubern bei den Flugplatzfesten in Laichingen und auf dem Roßfeld durchgeführt habe und dabei immer dasselbe Programm geflogen sei. So auch am Vortag auf dem Roßfeld und am Unfalltag zuvor beim gleichzeitig stattfindenden Flugtag in Laichingen.

Nachdem ihm über Funk vom Turm gesagt worden sei, dass er mit seiner Vorführung beginnen könne, habe er am mit Sägemehl gekennzeichneten Hubschrauberabstellplatz abgehoben und sei dann zur Pistenmitte geschwebt. Bei dem seitlichen Schwebeflug vor der eigentlichen Vorführung sei der Hubschrauber umgeschlagen. Ein technisches Problem oder einschränkende Wettereinflüsse habe er nicht wahrgenommen.

Bei dem Unfall wurde der Hubschrauber schwer beschädigt und die beiden Personen an Bord leicht verletzt. Durch herumfliegende Hauptrotorteile bzw. würfelartige Gewichte aus den Hauptrotorblättern wurden vier Zuschauer verletzt, von denen einer vor Ort verstarb, und ein Auto beschädigt.

Das Titelbild zeigt eine Momentaufnahme des Unfalls beim „Einhaken“ der rechten Kufe in die Wiese. Abb. 2 zeigt den Moment umherfliegender Rotorblattstücke und (Quelle: Auszug aus Filmaufnahme / ).

Angaben zu Personen

Der 79-jährige rechts sitzende Pilot war im Besitz einer Privatpilotenlizenz für Hubschrauber, erstmalig ausgestellt am 02.09.1996, gültig bis 22.06.2014. In die Lizenz waren die Berechtigung als verantwortlicher Pilot für das Hubschraubermuster EC 120 und die Nachtflugqualifikation eingetragen. Er verfügte über ein medizinisches Flugtauglichkeitszeugnis Klasse 2 nach JAR-FCL 3 mit der Auflage eine multifokale Brille zu tragen (VML), gültig bis 22.06.2013. Während des Fluges trug er eine Brille.

Seine Gesamtflugerfahrung auf Hubschraubern betrug ca. 763 Stunden, von denen er ca. 600 Stunden auf dem betroffenen Muster geflogen hatte.

Der 57-jährige links sitzende Passagier war ebenfalls im Besitz einer Privatpilotenlizenz für Hubschrauber mit der Berechtigung als verantwortlicher Pilot für das Hubschraubermuster EC 120. Er begleitete regelmäßig den verantwortlichen Piloten bei den Demonstrationsflügen bzw. flog diese selbst.

Angaben zum Luftfahrzeug

Der EC 120B des Herstellers ist ein leichter Mehrzweckhubschrauber für bis zu fünf Insassen. Das Muster wurde im Jahr 1997 nach den Richtlinien JAR-27 zugelassen ( Type-Certificate R.508). Er verfügt über einen Dreiblatt-Hauptrotor, einen Fenestron für den Drehmomentausgleich um die Hochachse und ein Kufenlandegestell. Nach Herstellerangaben variiere je nach Schwerpunktlage die Fluglage des Hubschraubers im Schwebeflug zwischen -2° „nose down“ und +3,5° „nose up“ und 0,5° bis 3,5° nach rechts.

In den Hauptrotorblättern sind für das statische und dynamische Wuchten zur Verringerung von Vibrationen und zur Vermeidung von unnötigen Belastungen auf den Rotorkopf würfelartige Gewichte eingelassen. Die Hauptrotordrehzahl beträgt im Normalbetrieb ca. 400 RPM. Der Hauptrotor hat einen Durchmesser von ca. zehn Metern. Die Blattspitzengeschwindigkeit liegt somit bei ca. 209 m/s bzw. ca. 750 km/h.

Der Hersteller des Hubschraubers empfiehlt eine Schwebeflughöhe von fünf Fuß (1,5 Meter). Der verunfallte Hubschrauber, Baujahr 2001 mit der Werknummer 1278 war mit einem Arrius 2F Turbinentriebwerk des Herstellers Turbomeca ausgestattet. Die maximal zulässige Abflugmasse betrug 1.715 kg, die Betriebsleermasse ca. 1.070 kg und das Fluggewicht zum Unfallzeitpunkt ca. 1.348 kg.

Die letzte Wartungskontrolle wurde am 04.07.2012 bei 616 Betriebsstunden durchgeführt. Die Gesamtbetriebszeit des Hubschraubers betrug ca. 622 Stunden. Der Hersteller des Hubschraubers schätzte die Fluglage im stationären Schwebeflug auf +1° „nose up“ und 2° rechts aufgrund der Beladung und Konfiguration. Ein Doppelsteuer war zum Unfallzeitpunkt eingebaut.

Meteorologische Informationen

Laut Flugwetterübersicht des Deutschen Wetterdienstes (DWD) für den Bereich Süd lag Süddeutschland an der Westflanke eines Hochdruckgebietes. Aus Südosten sickerte trockene und milde Luft herein. Der Himmel war wolkenlos und die Sichten lagen bei 20 bis 30 km. Der Wind war schwach, aus unterschiedlichen Richtungen kommend. Die Temperatur lag bei ca. 25 °C und der Luftdruck (QNH) betrug 1.017 hPa.

Funkverkehr

Der Pilot stand in Funkkontakt mit der Luftaufsicht (Turm) am Segelfluggelände Roßfeld. Der Funkverkehr wurde nicht aufgezeichnet.

Angaben zum Flugplatz

Das Segelfluggelände Roßfeld liegt ca. zwei km südöstlich der Ortschaft Metzingen auf einer Anhöhe von 2.625 ft AMSL. Das Gelände verfügt über eine Graspiste als Hauptlandebahn mit einer Länge von 635 m, einer Breite von 30 m und einer Ausrichtung von 074° (254°). Die Piste 07 steigt von 2.553 ft AMSL am Pistenanfang auf 2.625 ft AMSL an und fällt am Pistenende auf 2.616 ft AMSL ab. Im Bereich des Pistenanfangs 07 ist das Segelfluggelände nach Süden hin abfallend. Während des Flugplatzfestes war die Piste zusätzlich mit Sägespanlinien markiert.

Nach der Genehmigung für das Flugplatzfest vom 22.08.2012 durch das Regierungspräsidium Tübingen war für Rundflüge mit einem Hubschrauber im nordöstlichen Bereich, nördlich des Pistenbeginns 25, ein Landeplatz vorgesehen. Dort sollte der Abstand zwischen dem Hubschrauber und den Zuschauern mehr als 30 Meter betragen (siehe Anlage zur Genehmigung). Dieser Bereich wurde von einem Hubschrauber eines Luftfahrtunternehmens genutzt. Für sonstige Hubschrauber waren keine separaten Abstellflächen im Genehmigungslageplan vorgegeben.

Weiter war in der Genehmigung festgelegt: Der Mindestabstand zwischen dem äußersten Teil eines rollenden Luftfahrzeuges und den Zuschauern soll mindestens zehn Meter betragen, zu schwebenden Hubschraubern ist dieser Abstand angemessen zu erhöhen. Für den betroffenen Hubschrauber war nördlich der Piste 07 ein eigener Abstellplatz mit einem mit Sägemehl geschriebenen „H“ vor der Zuschauerabsperrung (blaue Linie auf dem Bild) gekennzeichnet. Dieser Landeplatz wurde auch am Vortag (Samstag) von dem Hubschrauber benutzt.

Entsprechend polizeilicher Ermittlungen ordnete der zuständige Sachbearbeiter für Luftaufsicht beim Regierungspräsidium Tübingen aufgrund der engen Platzverhältnisse und des geringen Abstandes zu den Zuschauern am Samstag vor Ort an, den Landeplatz für den Hubschrauber für den Folgetag an das westliche Ende der Bitumenbahn zu verlegen und generell einen Mindestabstand von 30 Metern vom Hubschrauber zu den Zuschauern einzuhalten.

Abb. 3 zeigt eine Übersicht über den Flugplatz, die Unfallstelle und Zuschauerraum (Quelle: Bild: Polizei).

Flugdatenaufzeichnung

Der Hubschrauber war nicht mit einem Flight Data Recorder (FDR) oder Cockpit Voice Recorder (CVR) ausgestattet. Diese Aufzeichnungsgeräte waren nicht vorgeschrieben. Zur Triebwerksüberwachung verfügte der Hubschrauber über ein „Vehicle and Engine Multifunction Display“ (VEMD). In diesem wurden Betriebszeiten, Anlasszyklen des Triebwerks, Fehlermeldungen, Überschreitungen von Grenzwerten und Leistungsdaten bei einem Triebwerkcheck gespeichert.

Das VEMD wurde vor Ort im Beisein der Polizei und eines musterkundigen Luftfahrzeugprüfers ausgelesen. Dabei wurde festgestellt, dass bis zum Unfallflug weder Fehlermeldungen noch Grenzwertüberschreitungen gespeichert waren. Der Unfallflug konnte nicht vor Ort ausgewertet werden, da das System den Unfallflug nicht abgeschlossen hatte. Zur weitergehenden Auswertung wurde das VEMD zum Hersteller gesandt.

Der Hersteller konnte auf einem Teststand den Unfallflug im VEMD abschließen. Danach ergaben sich zwei aufgezeichnete Fehlermeldungen nach 01:26 Minuten Betriebsdauer. Es wurde jeweils ein Widerspruch zwischen den Triebwerksdaten und der Hauptrotordrehzahl vom System festgestellt. Weiter wurde eine Grenzwertüberschreitung aufgezeichnet. Die Triebwerkdrehzahl (NF) lag 18 Sekunden im Bereich 104 Prozent bis 110 Prozent und zwei Sekunden über 110 Prozent.

Sowohl die beiden Fehlermeldungen als auch die Limitüberschreitung waren aus Sicht des Herstellers aufgrund der abgebrochenen Hauptantriebswelle nach der ersten Bodenberührung des Hauptrotors zu erwartende und nachvollziehbare Meldungen.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die Unfallstelle befand sich im Anfangsbereich am nördlichen Rand der Piste 07 des Segelfluggeländes Roßfeld südlich des sogenannten Olgafelsen. Der Hubschrauber lag auf seiner rechten Seite. Der abgerissene Heckausleger befand sich neben dem Rumpf und war nur noch mit dem Push/Pull-Verstellkabel für den Fenestron mit der Rumpfzelle verbunden. Der Halterungspunkt der hinteren Quertraverse des Kufenlandegestells war vom Rumpf abgerissen. Zwei der drei Hauptrotorblätter waren am Rotorkopf abgerissen, das verbliebene war abgeknickt.

Die abgerissenen Rotorblätter waren in viele Einzelstücke zerrissen. Die Hauptantriebswelle vom Triebwerk zum Hauptgetriebe war gebrochen. Nachdem der Hubschrauber auf der Seite lag, lief das Triebwerk laut Zeugen noch bis zum Abstellen. Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Steuerung ergaben sich nicht. Die Steuerverbindungen zur Taumelscheibe und für die Triebwerksregelung waren kraftschlüssig. Abb. 4 zeigt das Hubschrauberwrack.

Aus dem Tank wurden ca. 150 Liter Kraftstoff von der Feuerwehr abgepumpt. Im Bereich der Zuschauer wurden Rotorblattstücke und Gewichte aus den Hauptrotorblättern gefunden. Ein an der Waldkante nahe dem Olgafelsen geparktes Auto hatte an der linken Fahrzeugseite ein durchschlagenes Seitenblech. Beim Auto wurde ebenfalls ein Gewicht aus einem der Hauptrotorblätter gefunden.

Medizinische und pathologische Angaben

Es gab keine Hinweise auf eine physiologische oder gesundheitliche Beeinträchtigung des Piloten. Eine Blutalkoholkontrolle war negativ.

Brand

Es entstand kein Brand.

Überlebensaspekte

Der getötete Zuschauer befand sich ca. 45 Meter von der Unfallstelle des Hubschraubers entfernt, als er von mehreren Gewichten aus dem Hauptrotor getroffen wurde. Die Größe der Gewichte waren 12x9x9 mm und sie wogen ca. 40 g. Zwei Gewichte wurden direkt vor dem Leichnam gefunden und mehrere bei der Obduktion in seinem Körper.

Organisationen und deren Verfahren

Nach § 24 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) bedürfen öffentliche Veranstaltungen, an denen Luftfahrzeuge beteiligt sind, der Genehmigung durch die zuständige Landesluftfahrtbehörde. Ein entsprechender Antrag wurde vom Veranstalter am 14.06.2012 an das Regierungspräsidium Tübingen gestellt. Die Veranstaltung wurde am 22.08.2012 mit Auflagen genehmigt.

In der Genehmigung wurden Verantwortlichkeiten des Veranstalters, Notfallvorkehrungen, die einzelnen Kunstflugvorführungen, Mindestsicherheitsabstände zu den Zuschauern usw. festgelegt. Für Hubschraubervorführungen war festgelegt, dass diese im Bereich bzw. oberhalb der Piste 07/25 stattfinden sollten. Einem Zettel entsprechend (in Abb. 5), der an Bord des Hubschraubers gefunden wurde, war ein Vorflugprogramm vorgesehen.

Zusätzliche Informationen

Hubschrauber können unter bestimmten Voraussetzungen umschlagen. Hierbei muss eine Kufe als Drehpunkt Bodenkontakt haben und ein Rollmoment um die Längsachse bestehen. Dieser Effekt wird als „Static or Dynamic Rollover“ bezeichnet. Sobald der kritische Winkel um die Längsachse überschritten ist, besteht für den Piloten in der Regel keine Möglichkeit, das Umschlagen zu stoppen. Der Versuch, den Hubschrauber mit dem kollektiven Verstellhebel in die Luft zu ziehen, beschleunigt meist nur das Umkippen, daher wird empfohlen, den kollektiven Verstellhebel sofort zu senken. Abb. 6 zeigt eine Darstellung statischen und dynamischen Kippens. (Quelle: EHEST).

Aufgrund der Häufigkeit von Flugunfällen infolge Umschlagens von Hubschraubern wurden bereits vielfältige Dokumente veröffentlicht mit Hinweisen und Empfehlungen zu diesem Thema. Beispiele sind:

  • Amerikanische Luftfahrtbehörde (FAA) 1986: Advisory Circular 90-87 „Helicopter Dynamic Rollover“
  • Flight Safety Foundation (FSF) 1989: Volume 14 No.1 „Preventing Dynamic Rollover“
  • European Helicopter Safety Team (EHEST) 2011: HE 1 – BETRACHTUNGEN ZUR SICHERHEIT – „STATISCHES & DYNAMISCHES KIPPEN“

Eine Datenbankabfrage der BFU auf Personenschäden am Boden in Zusammenhang mit dem Betrieb von Hubschraubern ergab insgesamt 28 Vorkommnisse bei insgesamt 966 gespeicherten Vorfällen seit 1973. In der Mehrzahl handelte es sich hierbei um Personenschäden Dritter, verursacht durch den Rotorabwind beim Start bzw. der Landung eines Hubschraubers.

Beurteilung

Das Flugplatzfest war durch das Regierungspräsidium Tübingen genehmigt. Die Zuschauerräume waren durch Absperrbänder gekennzeichnet. Entsprechend der Anlage zur Genehmigung der Veranstaltung war für die Feuerlösch- und die geplanten Hubschraubervorführungen die Piste 07/25 vorgesehen. Der Unfall geschah im Bereich der Piste.

Der Pilot verfügte über die nötige gültige fliegerische Lizenz, die Musterberechtigung für das Muster EC 120B und die medizinische Flugtauglichkeit. Da er den betroffenen Hubschrauber seit Jahren besaß und flog, war er mit Sicherheit mit der Handhabung und eventuellen Besonderheiten des Musters vertraut. Seine Flugerfahrung war für das geplante Flugvorhaben sicherlich ausreichend, zumal er dasselbe Programm schon mehrfach auf Flugplatzfesten vorgeflogen hatte.

Das Flugprogramm selbst enthielt nur Manöver, die auch Teil der Flugausbildung zum Lizenzerwerb und Bestandteil der jährlich durchzuführenden Befähigungsüberprüfung sind. Die Manöver gelten weder als Kunstflug noch stellen sie außergewöhnliche Anforderungen bei der Durchführung an den Piloten oder an die Leistungsfähigkeit des Hubschraubers. Der Hubschrauber war entsprechend den Unterlagen und den Befunden an der Unfallstelle nach den gesetzlichen Anforderungen instand gehalten und nachgeprüft.

Hinweise auf eine technische Störung oder eine Beeinträchtigung der Steuerung ergaben sich nicht. Die Auswertung des VEMD zeigte bis zum Unfall normale Triebwerksdaten, keine Fehlermeldungen oder Überschreitungen von Grenzwerten. Auch die vorhandenen Filmaufnahmen des Flugunfalls zeigten keine plötzlichen Fluglagen- oder Höhenänderungen, die bei einer Triebwerkstörung oder Steuerungsbeeinträchtigung zu erwarten gewesen wären. Aufgrund der Beladung, Konfiguration, Rotormastneigung und des Schubes des Fenestrons lag eine leicht hecklastige und nach rechts geneigte Fluglage im stationären Schwebeflug vor.

Zuschauer wurden durch weggeschleuderte Hauptrotorblattteile verletzt und eine Person wurde getötet. Die Bauvorschriften für Hubschrauber zum Zeitpunkt der Musterzulassung des EC 120B, in diesem Fall die JAR 27, verlangten Festigkeitsnachweise für Kräfte, die auf Komponenten des Hubschraubers während des normalen Flugbetriebs (JAR 27.301 ff) einwirkten. Für diese Kräfte waren zusätzliche Margen anzusetzen als Sicherheit gegen vorzeitige Ermüdung bzw. Versagen der Komponenten.

Es gab keine Festigkeitsanforderungen an Komponenten, wie den Hauptrotor (JAR 27.547), für den Fall einer Hindernisberührung. Lediglich bestanden Anforderungen für den Schutz der Insassen des Hubschraubers im Falle eines Unfalls (JAR 27.561 ff), die wahrscheinlich beigetragen haben, dass bei diesem Unfall die beiden Insassen des Hubschraubers nur leicht verletzt wurden.

Verletzungen Dritter durch umherfliegende Hubschrauberteile im Falle eines Unfalls sind nach der Unfallstatistik der BFU selten. Das Flugwetter war gut; es war ein schöner, warmer und wolkenloser Spätsommertag. Es war schwach windig. Während des Schwebeflugmanövers nach rechts, d.h. in Richtung Westen bei gleichzeitiger Rumpfausrichtung in Richtung Süden kann eine Blendung oder Beeinträchtigung des Piloten durch die Sonne nicht ausgeschlossen werden. Sehr wahrscheinlich schaute der Pilot nach vorne rechts bzw. rechts während des Schwebeflugs, dies wäre entsprechend dem Schattenwurf des Hubschraubers genau in Richtung der Sonne. Der Pilot trug während des Fluges eine Sonnenbrille mit Gleitsichtgläsern und eine Schirmmütze.

Das Fluggelände am Roßfeld ist gekennzeichnet durch eine erhebliche Welligkeit in alle Richtungen. Das Gelände ist nicht nur ansteigend und abfallend entlang der Betriebspiste, es ist auch in Pistenausrichtung zum Teil nach Süden, d.h. quer zur Piste, abschüssig. Erschwerend ist, dass in alle Blickrichtungen aufgrund der Welligkeit kein konstanter waagerechter Horizont vorhanden ist. Um jederzeit in gleichbleibendem Abstand zum Boden im Schwebeflug zu sein, verlangt das Gelände kontinuierliche Steuerkorrekturen und den Blick in Richtung des Untergrundes in die geplante Schwebeflugrichtung.

Die Filmaufnahmen von dem Flugunfall zeigen einen typischen sogenannten „Dynamic Rollover“, der zum Unfall geführt hat. Nachdem im seitlichen Schwebeflug zuerst die linke Kufe den Boden berührte, kam es zu einer Verzögerung, bei der die rechte Kufe den Boden berührte und zusammen mit dem Hecksporn als Drehpunkt des kippenden Hubschraubers wirkte. Aufgrund der hohen Schwerpunkte, verursacht durch hoch angeordnete Hauptgetriebe und Triebwerk(e) und den geringen Kufenbreiten zählen „Dynamic Rollover“ zu den häufigsten Unfallursachen bei Hubschraubern. In vielen Publikationen wird das Umschlagen von technisch nicht beeinträchtigten Hubschraubern beschrieben.

Letztendlich muss der Pilot im Flugbetrieb jederzeit einen Bodenkontakt der Kufen während einer seitlichen Flugbewegung vermeiden. Sehr häufig ist eine Steuerkorrektur nach einer seitlichen Bodenberührung zu spät oder insgesamt aufgrund der heftigen Kippbewegung unwirksam.

Sehr wahrscheinlich war dem Piloten über dem in Rumpfausrichtung abschüssigen Gelände die geringe Flughöhe über Grund nicht bewusst. Warum der Passagier, der selbst auch mit dem Hubschrauber vertraut war, über eine Privatpilotenlizenz für Hubschrauber und die nötige Musterberechtigung verfügte, nicht den Höhenverlust bemerkte und den steuerführenden Piloten auf die geringe Schwebeflughöhe hinwies oder selbst in die Steuerung eingriff, konnte nicht geklärt werden.

Schlussfolgerungen

Aufgrund der zu gering gewählten Schwebeflughöhe kam es zu einer unbeabsichtigten Bodenberührung der Kufen im seitlichen Schwebeflug, bei der der Hubschrauber anschließend umschlug.

Anlage

Abb. 7 zeigt den Lageplan der Luftfahrtveranstaltung (Auszug aus der Genehmigung)

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, in Ortszeit. Quelle und Bilder, sofern nicht anders angegeben: BFU.