Alarm! 13:28 Uhr am 02. Juli 2015, in der Waldbrandzentrale Wünsdorf wird das Signal ausgelöst: Rauchentwicklung in der Oberförsterei Baruth. Der Deutsche Wetterdienst hat für diese Tage die Waldbrandgefahr auf die höchste Stufe festgesetzt.
Früher saßen Mitarbeiter des Landesbetriebs Forst Brandenburg auf den Türmen, 100 Stufen über dem Boden, das Fernglas in der Hand, und hielten im heißen Sommerwetter unter schwierigen Bedingungen Ausschau nach möglichen Waldbränden. Heute erledigen dies in fünf deutschen Bundesländern 180 Kameras, deren ursprüngliches Aufgabengebiet alles andere als irdisch war.
„Die Kameratechnologie von FireWatch wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereits vor 20 Jahren entwickelt. Diese basierte auf der Technologie der ROLIS-Kamera auf dem Lander Philae, die inzwischen spektakuläre Bilder vom Kometen Churyumov-Gerasimenko aufgenommen hat“, erläutert Dr. Ekkehard Kührt, Kometenforscher am DLR und Wissenschaftler der europäischen Rosetta-Mission. Gleichzeitig leitet er auch das mehrfach preisgekrönte Technologietransferprojekt FireWatch.
In den letzten Jahren wurde FireWatch von einem kleinen DLR-Team aus dem Institut für Planetenforschung und mit Unterstützung durch das Technologiemarketing des DLR gemeinsam mit dem Industriepartner IQ wireless GmbH aus Berlin weiter entwickelt und an die Erfordernisse ausländischer Märkte angepasst. Auch die Software, die die aufgezeichneten Graustufen auswertet, wurde am DLR auf der Basis von Know-How aus Weltraummissionen entwickelt.
„Im All analysieren wir Kometenstaub, auf der Erde Rauchwolken“, bringt Ekkehard Kührt den feinen Unterschied auf den Punkt. Das Waldbrandfrüherkennungssystem reagiert nämlich nicht auf Hitze oder Flammen, sondern behält die Rauchentwicklung im Auge – und das mit größerer Präzision, als das menschliche Auge dies könnte.
Sensoren statt Augen
„Die Mitarbeiter auf den Feuerwachturm haben sich früher oft wie Grillhähnchen in der Hitze gefühlt“, erzählt Raimund Engel, Waldbrandschutzbeauftragter im Landesbetrieb Forst Brandenburg. Die Türme waren damals von 10 bis 21 Uhr besetzt, damit frühzeitig schon die kleinsten Anzeichen eines Waldbrandes gemeldet werden konnten. Nachts sorgt zumindest in unseren Breiten die Luftfeuchtigkeit dafür, dass Brände kaum entstehen, doch tagsüber mussten Forstarbeiter über den Wald wachen. „Aber optische Sensoren sind dem menschlichen Auge deutlich überlegen – die ermüden nicht und erkennen bereits viel früher und präziser eine Rauchentwicklung.“
Innerhalb von sechs Minuten rotiert jede Kamera um ihre Achse und überwacht bis zu 700 Quadratkilometer. Dabei filtert sie aus 16.000 Grauwerten auch kaum erkennbare Rauchwolken aus der Umgebung mit Bäumen, Städten, Siedlungen, Seen oder Feldern und meldet diese samt Fotos an die Waldbrandzentralen. Dort werden die Koordinaten des Brandortes automatisch berechnet und auf einer Landkarte dargestellt. Diese Erkennung der Waldbrände ist eine große Herausforderung, denn das System soll früh genug warnen, aber natürlich möglichst wenige Fehlalarme auslösen. Letztendlich entscheidet dann der diensthabende Forstbeamte anhand der von FireWatch übermittelten Daten, ob es sich um einen Waldbrand handelt und wie viele Mannschaften bei der Feuerbekämpfung zum Einsatz kommen sollen.
Vom Weltall auf die Erde
Ihren Anfang nahm die terrestrische Anwendung der Raumfahrt-Technologie Mitte der 90er Jahre. Damals las DLR-Kometenforscher Ekkehard Kührt in einer regionalen Tageszeitung von den Problemen der Forstbetriebe, mit menschlichem Einsatz von hohen Türmen aus die Wälder zu überwachen. Die Arbeiten für den DLR-Kleinsatelliten BIRD zur Waldbranderkennung aus dem All liefen da bereits, die Entwicklungen für die ROLIS-Kamera auf dem Lander Philae ebenfalls. Waldbrand und Kameras waren nichts Neues für das DLR-Institut für Planetenforschung, und man bot Hilfe an.
Das erste irdische Pilotprojekt lief ab 1999 im Forstamt Peitz in Brandenburg mit drei Kameras. Ab 2001 übernahm die Firma IQ wireless GmbH die Serienproduktion und Vermarktung für das Firewatch-System. Seitdem kamen in jedem Jahr weitere Kameras hinzu. „Wo in Deutschland erhöhte Waldbrandgefahr herrscht, ist inzwischen auch eine Firewatch-Kamera in Betrieb“, sagt Geschäftsführer Holger Vogel. „Auch im Ausland – zum Beispiel in Kasachstan, den USA, den baltischen Staaten und in Mexiko wird FireWatch mittlerweile eingesetzt.“ Kameras und Auswertesoftware treffen dort allerdings auf andere Landschaftsformen und Umweltbedingungen. In Südeuropa oder Australien ist zudem die Waldbrand-Detektion auch während der Nacht notwendig.
„Das FireWatch-System funktioniert mittlerweile sehr gut und hat sich bewährt“, betont DLR-Wissenschaftler Dr. Ekkehard Kührt. Im Laufe eines Jahres brennt allein in Deutschland rund 1000 Mal der Wald. Als am 2. Juli 2015 die Warnmeldungen in der Oberförsterei Baruth eingingen, war dem Waldbrandschutzbeauftragten Raimund Engel schnell klar: Das wird etwas Größeres. Er schickte gleich eine größere Mannschaft an den Einsatzort. Durch die schnelle Alarmierung konnte der Brand effektiv bekämpft werden. Für Brandenburg war dies einer von bisher 160 Waldbränden in diesem Jahr.
Bilderstrecke FireWatch
Waldbrand in der Oberförsterei Baruth: FireWatch – Am 02. Juli 2015 meldete das FireWatch-System die Entwicklung einer Rauchwolke an die entsprechende Waldbrandzentrale. Dabei kommt eine Kamera zum Einsatz, deren Technologie das DLR ursprünglich für den Weltraum entwickelte.
Brandmeldung mit Weltraum–Technik: FireWatch – Die Kamera auf diesem Feuerwachturm im Landesbetrieb Forst Brandenburg sondiert die Umgebung und analysiert Rauchentwicklungen präziser als das menschliche Auge. Entwickelt wurde sie vom DLR vor 20 Jahren für die europäische Rosetta-Mission.
Waldbrandfrüherkennung: Herzstück von „FireWatch“ ist das hochauflösende optische Sensorsystem auf einem Turm. Es liefert Bilder in Echtzeit, die mit einer Software zur Raucherkennung ausgewertet werden.
Fotos: Landesbetrieb Forst Brandenburg (2x), DLR.