Radar aus dem All bringt Licht unters antarktische Eis

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Bislang gilt ein für rund vier Prozent des globalen Meeresspiegelanstiegs verantwortlich, der mit seinen verbleibenden Eismassen die Ozeane künftig um mehr als 65 Zentimeter steigen lassen könne. Deutsche Radarsatelliten vermessen den in der Antarktis in unerreichter Genauigkeit.

Der Thwaites Gletscher gehört zu den fragilsten Gletschern der Westantarktis und schmilzt mit zunehmender Geschwindigkeit unaufhaltsam in die Amundsen See. Mithilfe der deutschen Radarsatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X ist es erstmals möglich, den Thwaites Gletscher und andere Polgebiete flächendeckend mit hoher Auflösung dreidimensional zu vermessen und regelmäßig zu beobachten.

Um die Schmelzprozesse und Veränderungen des Thwaites Gletschers besser verstehen und vorhersagen zu können, haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für – und Raumfahrt (DLR) spezielle TanDEM-X-Höhenmodelle erstellt. Die Ergebnisse der von der NASA geleiteten Studie ist aktuell im „Science Advances“-Journal erschienen.

14 Kubikkilometer Wassereis geschmolzen

Ein gigantischer Hohlraum, ein 350 Meter großes Loch, klafft im Boden des antarktischen Gletschers und frisst sich mit dem von unten eindringenden Meerwasser immer weiter in das Eis hinein. Die Experten hatten schon seit Jahren den Verdacht, dass Thwaites nicht fest mit seinem Untergrund verbunden ist. Die Größe des Hohlraums sowie die von subglazialen Rinnen ist jedoch so überraschend wie besorgniserregend: Insgesamt 14 Milliarden Tonnen Eis sind so bereits ausgewaschen worden – vorwiegend in den letzten drei Jahren, wie aus den Satellitendaten der amerikanischen, deutschen und italienischen Forschungspartner hervorgeht. Anhand der TanDEM-X-Aufnahmen konnte dabei die Schmelzrate bestimmt werden.

Darüber hinaus offenbaren die TanDEM-X-Höhenmodelle die besondere Dynamik des Gletschers: Die Hebungen und Senkungen der Eisoberfläche wurden genau vermessen und gaben damit wichtige Rückschlüsse auf die darunterliegenden Schmelzprozesse. Mit Aufnahmen der italienischen Cosmo-Skymed Satelliten konnte auch die Wanderung der „Aufsetzlinie“ des Gletschers – welche den Übergang markiert, an dem die Eismasse kein Festland mehr unter sich hat und beginnt auf dem Meer zu schwimmen – im Zeitverlauf genau beobachtet werden. So kamen die Wissenschaftler zu der neuen Erkenntnis, dass sich zwar die Gletscheroberfläche hebt, die Eisdicke aber insgesamt abnimmt.

Spezielle Prozessierung enthüllt Überaschendes

Die Wechselwirkungen zwischen Eismasse und eindringenden Meerwasser haben weitreichendere Folgen als bisher angenommen. Um die Auswirkungen der Gletscherschmelze auf den globalen Meeresspiegel genauer vorhersagen zu können, sind diese und weitere Erkenntnisse daher essenziell. Die aktuelle Studie zeigt, welche entscheidende Rolle innovative Radarsatellitentechnologien dabei spielen.

Für die detaillierten Zeitreihen-Analysen kommandierten die DLR-Experten insgesamt 120 TanDEM-X-Aufnahmen im Zeiraum 2010 bis 2017. Mit Hilfe des globalen TanDEM-X-Geländemodells wurde daraus eine Zeitreihe von Höhenmodellen erstellt. „Diese einzigartige Fähigkeit von TanDEM-X ermöglicht die präzise Beobachtung von Änderungen in der Oberflächentopographie und damit derart fundierte Analysen von Schmelzprozessen in den Polkappen“, sagt Co-Authorin Dr. Paola Rizzoli vom DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und .

Die hochgenaue Bestimmung der Gletscherstruktur gelingt dank einer hochgenauen interferometrischen Prozessierung, Geokodierung und Kalibrierung der TanDEM-X-Aufnahmen, die am DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und implementiert wurde. Die Eingangsdaten liefert die automatisierte TanDEM-X-Prozessierungskette des DLR-Instituts für Methodik der Fernerkundung. Aufgezeichnet werden die Daten von TerraSAR-X und TanDEM-X vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum an seinen Stationen in Neustrelitz, Inuvik (kanadische Arktis) und GARS O’Higgins (Antarktis). Das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum ist am DLR in für den Betrieb der Zwillingssatelliten verantwortlich.

Dank der neuen Technologien und Methoden der Radarfernerkundung können Wissenschaftler die kritischen Klimaprozesse noch gezielter untersuchen und Vorhersagemodelle weiter verbessern. Die neuesten Ergebnisse zur Entwicklung des Thwaites Gletscher bieten der – und Umweltforschung einen wertvollen Wegweiser. Die Studie „Heterogeneous retreat and ice melt of Thwaites Glacier, West Antarctica“ wurde von Dr. Pietro Milillo vom NASA Jet Propulsion Laboratory und Co-Autoren der University of California, dem Deutschen Zentrum für – und Raumfahrt (DLR) und der Université Grenoble Alpes verfasst und ist auf dem Online-Portal des Science-Journals hier verfügbar.

Nachfolgemission Tandem-L

Eine mögliche Nachfolgemission zu TanDEM-X hat das DLR auch bereits entworfen: Das Tandem-L-Missionskonzept sieht zwei Radarsatelliten vor, die im L-Band (23,6 Zentimeter Wellenlänge) arbeiten und dynamische Prozesse auf der Erdoberfläche wie das Abschmelzen des Thwaites Gletschers global und systematisch erfassen sollen. Ziel von Tandem-L ist es, die Landmasse der im Wochenrhythmus abzubilden.

Die Mission wird neue Maßstäbe in der Erdbeobachtung setzen, den globalen Wandel mit einer neuen Qualität beobachten und wichtige Handlungsempfehlungen ermöglichen. Mit der neuen Technologie könnten die dreidimensionalen Strukturen von Vegetations- und Eisgebieten erfasst werden sowie die großflächige Vermessung von Deformationen mit Millimetergenauigkeit erfolgen.

Höhenmodell aus Radar auf den Bildern

Brüchiges Schelfeis des Thwaites Gletscher: TanDEM-X Höhemodell vom 15. Juli 2014 über dem Schelfeis des Thwaites Gletschers in der Westantarktis: deutlich erkennbar sind die abgelösten und im Meereis festgefrorenen Tafeleisberge.

TanDEM-X Höhenmodell: Thwaites Gletscher: TanDEM-X Höhenmodell vom 11. Juni 2014: Ansicht über dem Hauptzweig des Thwaites Gletschers in der Westantarktis.

Höhenänderungen der Gletscheroberfläche: Aus einer Serie von TanDEM-X Höhenmodellen (zwischen 2011-2017 aufgenommen) abgeleitete Höhenänderung der Eisoberfläche des Thwaites Gletschers in der Antarktis. Die detaillierten Höhenänderungen ermöglichen eine deutliche Verbesserung der Modellierung von Schmelzprozessen und der Klimaveränderungen in diesen sensiblen Regionen.

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