Schleppseil früh nach Start gelöst

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Mehrere Piloten des Luftsportvereins verabredeten sich zu einem gemeinsamen Flugtag und rüsteten die Segelflugzeuge zusammen auf. Nach der Flugvorbereitung startete der Segelflugzeugführer um 12:05 Uhr im Flugzeugschlepp mit dem Segelflugzeug DG-100G hinter einer Robin DR 400 auf dem Verkehrslandeplatz Purkshof zu einem Überlandflug.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 20. August 2015
  • Ort: Purkshof
  • Luftfahrzeug: Segelflugzeug
  • Hersteller / Muster: Elan / DG-100G Elan
  • Personenschaden: tödlich verletzt
  • Sachschaden: Segelflugzeug zerstört
  • Drittschaden: Keiner

Ereignisse und weiterer Flugverlauf

Nach dem Abheben beider Luftfahrzeuge löste sich in ca. 15 bis 20 Metern das Schleppseil vom Segelflugzeug. Es flog mit steiler werdender Längsneigung geradeaus weiter und stürzte anschließend auf die Grasbahn des Flugplatzes. Der Segelflugzeugführer erlitt dabei tödliche Verletzungen. Das Segelflugzeug wurde zerstört. Das Titelbild zeigt die Unfallstelle.

Angaben zu Personen

Der 64-jährige war seit 1972 im Besitz eines Luftfahrerscheins für Segelflugzeugführer. Er besaß die Berechtigungen zum Führen von Segelflugzeugen, Segelflugzeugen mit Hilfsantrieb und Reisemotorseglern in den Startarten: Schleppstart hinter Luftfahrzeugen, Windenstart und Selbststart.

Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 2 war bis 24.02.2016 gültig. Die Flugerfahrung des Piloten konnte aufgrund fehlender Aufzeichnungen für die Jahre 2005 bis 2008 nur lückenhaft erfasst werden. Nach den vorliegenden Aufzeichnungen hatte er auf Segelflugzeugen eine Flugerfahrung von ca. 703 Flugstunden. In den letzten 90 Tagen hatte er jeweils drei auf einer DG 300 und der DG 100 durchgeführt. Zwei wurden von ihm auf einem doppelsitzigen Segelflugzeug durchgeführt. Bei allen acht Flügen wurde im Windenstart gestartet. Der letzte Start im Flugzeugschlepp war nach den persönlichen Flugbuchaufzeichnungen des Piloten am 01. Mai 2015 von ihm auf einem doppelsitzigen Segelflugzeug durchgeführt worden.

Angaben zum Luftfahrzeug

Bei dem Segelflugzeug DG-100G Elan handelt es sich um ein einsitziges Segelflugzeug in Kunststoffbauweise mit 15 Meter Spannweite und Einziehfahrwerk.

  • Hersteller: Elan Tovarna Sportnega Orodja
  • Baujahr: 1982
  • Werknummer: E114G83
  • Leergewicht: 248 kg
  • Höchstgewicht: 418 kg
  • Gesamtflugzeit: ca. 2.470 Stunden

Das Luftfahrzeug war in zum Verkehr zugelassen und befand sich in Vereinsbesitz. Die letzte Lufttüchtigkeitsprüfung erfolgte am 16.04.2015.

Meteorologische Informationen

Laut Zeugenangaben betrug die Sicht mehr als 10 km bei fast wolkenlosem Himmel. Der Wind wehte aus 120° mit ca. neun Knoten, die Lufttemperatur am Boden betrug 24 °C und der Luftdruck (QNH) lag bei 1.024 hPa.

Funkverkehr

Der Funkverkehr zum Start des Flugzeugschlepps wurde auf der Flugplatzfrequenz 122,400 MHZ geführt. Der Funkverkehr wurde nicht aufgezeichnet und es gab keinen Konfliktverkehr.

Angaben zum

Der Verkehrslandeplatz Purkshof (EDCX) verfügt über eine 1.100 Meter lange und 40 Meter breite Grasbahn in der Ausrichtung 040°/220°. Das Flugplatzgelände liegt in einer Höhe von 66 ft AMSL. Der Start des Flugzeugschlepps erfolgte auf der Piste 04.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die Unfallstelle befand sich 734 Meter hinter der Bahnschwelle auf der Grasbahn 04. Der Flugzeugrumpf war in Richtung 315° ausgerichtet. Eine erste Aufschlagspur, die der Flugzeugnase zuzuordnen war, befand sich 33 Meter hinter dem Segelflugzeug. Zwei weitere längliche Spuren waren jeweils 6,5 Meter links und rechts von der ersten Spur entfernt. Zwischen den Aufschlagspuren und der Endlage des Segelflugzeuges befanden sich Teile der Kabinenhaube, Rüstwerkzeug und die Lizenzen des Piloten.

Das Fahrwerk war aus dem Rumpf gerissen und die Bremsklappen waren ausgefahren. Am Luftfahrzeug wurden schwere Strukturschäden an den Tragflächen und dem Kabinenbereich festgestellt. Der vordere Rumpfteil war hinter der Rückenlehne gebrochen und 90° nach rechts gedreht. Abb. 2 zeigt das Seitenleitwerk mit gebrochener Befestigung für den oberen Höhenleitwerksbeschlag.

Nach der Demontage des leicht beschädigten Höhenleitwerkes vom Seitenleitwerkwurde wurde eine zerbrochene Aufnahme für den oberen Höhenleitwerksbeschlagsbolzen festgestellt. Die Aufnahmebuchse war deformiert und das Laminat zerstört. Die beiden anderen Befestigungspunkte für das Höhenleitwerk wurden unbeschädigt vorgefunden. Abb. 3 zeigt die Unterseite des Höhenleitwerks.

Bei der Überprüfung der Steuerführung des Segelflugzeuges konnte eine Kraftübertragung der Querruder, sowohl vom Steuerknüppel bis zu den Bruchstellen, als auch von den Bruchstellen bis zu den Querrudern, durchgeführt werden. Die Funktionsüberprüfung des Seitenruders war ohne Befund.

Die Kraftübertragung zum Höhenruder war möglich. Der Haltebock des Höhenruderumlenkhebels war von der Rumpfschale abgerissen. Der Befestigungsbolzen des Umlenkhebels war mit dem Haltebock verbunden. Bei der Untersuchung des Luftfahrzeuges wurden keine technischen Mängel festgestellt.

Medizinische und pathologische Angaben

Im Obduktionsbericht einer am 21.08.2015 durchgeführten Obduktion der Leiche des Luftfahrzeugführers wurde u.a. festgestellt, dass es „keinen Anhalt für Erkrankungen, die den Unfall eingeleitet oder begünstigt haben könnten“ gab.

Versuche und Forschungsergebnisse

An einem anderen Segelflugzeug des gleichen Musters (Vergleichsmuster) wurden Untersuchungen zum Aufrüsten des Segelflugzeuges durchgeführt. Es sollte festgestellt werden unter welchen Umständen eine Fehlmontage des Höhenleitwerkes unfallrelevant gewesen sein könnte. Im Ergebnis der Untersuchung wurde festgestellt, dass bei aufgesetztem Leitwerk ohne Verschraubung des Leitwerkbolzens die Verschraubung nicht gesichert werden konnte. An der Unfallstelle wurde die Verschraubung in gesichertem Zustand vorgefunden. Eine Fehlmontage des automatischen Höhenruderanschlusses ist bei den Untersuchungen am Vergleichsmuster nicht gelungen. Abb. 4 zeigt die Sicherung der Höhenleitwerksverschraubung.

Wenn beide Bolzen des Höhenleitwerksbeschlags in die Aufnahmebuchsen ordnungsgemäß eingeführt wurden kann das Leitwerk verschraubt werden. Wenn dies nicht der Fall ist, dann kippt das Höhenleitwerk vom Seitenleitwerk ab. Eine Zerstörung der oberen Aufnahmebuchse beim Aufrüstvorgang ist auszuschließen, sodass die vorgefundene Beschädigung an dieser Buchse die Folge des starken Aufpralls gewesen ist. Abb. 5 zeigt die zerstörte obere Buchse zur Höhenleiwerksbefestigung.

Beurteilung

Der verantwortliche Luftfahrzeugführer hatte die vorgeschriebene Lizenz, um den Flug durchzuführen. Mit dem Muster war der Pilot vertraut und er hatte auf Segelflugzeugen eine große Flugerfahrung. Den letzten Flugzeugschlepp führte er mit Fluglehrer auf einem doppelsitzigen Segelflugzeug vor mehr als drei Monaten durch. Sein aktueller Übungsstand in der Startart Flugzeugschlepp ist deshalb als gering einzuschätzen.

Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassen und nachgeprüft. Die Abflugmasse sowie der Schwerpunkt befanden sich im zulässigen Bereich. Die Wetterbedingungen waren ohne Besonderheiten und hatten auf den Unfallablauf keinen Einfluss. Abb. zeigt den Flugzeugschlepp kurz vor dem Ausklinken (Foto: privat).

In der Anfangssteigphase des Flugzeugschlepps löste sich das Schleppseil vom Segelflugzeug und es ist davon auszugehen, dass der Pilot das Seil ausgeklinkt hat. Für den nachfolgend stetig zunehmenden Bahnneigungsflug, der bis zum Aufprall ohne erkennbare Steuerführung blieb, gibt es keine ausreichende Erklärung. Die medizinischen Untersuchungen blieben ohne Befund und die technischen Untersuchungen am Segelflugzeug ergaben keine Hinweise auf technische Mängel oder Funktionsstörungen am Luftfahrzeug.

Schlussfolgerungen

Der ist darauf zurückzuführen, dass bei einem Flugzeugschlepp in geringer der Schleppverband getrennt wurde und nachfolgend das Segelflugzeug mit kontinuierlich zunehmendem Bahnneigungsflug auf dem Boden aufprallte. Die Ursache für den Flugverlauf nach dem Ausklinken konnte nicht ermittelt werden.

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, sofern nicht anders angegeben: BFU.