Wenn Lander Philae voraussichtlich am 11. November 2014 auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko aufsetzen wird, erwartet ihn planmäßig ein Landeplatz mit einer abwechslungsreichen, aber nicht zu sehr zerklüfteten Landschaft mit einer guten Beleuchtung durch die Sonne und kaum steilen Hängen.
In einem zweitägigen Auswahlverfahren hat sich das Landerteam unter der Leitung des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) nun unter fünf möglichen Kandidaten für den Landeplatz J entschieden. Die Region auf dem Kopf des zweiteiligen Kometen machte nach sorgfältiger Auswertung aller verfügbaren Daten letztendlich das Rennen.
"Wie wir auf aktuellen Nahaufnahmen sehen, ist der Komet Churuymov-Gerasimenko eine schöne und zugleich sehr extreme Welt – er ist wissenschaftlich spannend, hat aber eine Form, die für die Landung eine große Herausforderung darstellt", sagt DLR-Wissenschaftler Dr. Stephan Ulamec, Projektleiter für Lander Philae. "Keiner unserer fünf Kandidaten hat daher zu 100 Prozent alle Kriterien erfüllt, aber Landplatz J ist eindeutig die beste Lösung." Das DLR hat bereits einige 3D-Bilder vom Kometen Churyumov-Gerasimenko veröffentlicht.
"Landeplatz J" mit sonniger Aussicht
Rund sieben Stunden wird es dauern, bis Philae nach der Trennung von der ESA-Sonde Rosetta auf der Oberfläche von Churyumov-Gerasimenko aufsetzen und somit zum ersten Mal überhaupt ein Landegerät auf einer Kometenoberfläche stehen wird. Eine Zeitspanne, die es den Ingenieuren und Wissenschaftlern ermöglicht, nicht zu viel Energie beim Abstieg zu verbrauchen und so unverzüglich nach einem ausgeklügelten Plan alle zehn Instrumente auf Philae in Betrieb zu nehmen.
Während dieser so genannten "First Science Phase" wird der Lander, der aus dem "Lander Control Center" des DLR in Köln gesteuert, betrieben und überwacht wird, über seine Batterien gespeist. Anschließend sorgen durchschnittlich sieben Sonnenstunden pro Kometentag dafür, dass sich seine Batterien immer wieder aufladen – deshalb legte das Team großen Wert darauf, dass Philae an einem sonnigen Standort landet. Wissenschaftlich interessant ist die Region vor allem durch die Aktivitäten des Kometen auf seinem Weg in Richtung Sonne: In der Nähe der Landestelle J befinden sich Vertiefungen, die bereits jetzt aktiv sein könnten.
Sicheres Landen im Labor geprobt – Plan B heißt "Landestelle C"
Neben Flugbahnberechnungen und den ersten Ergebnissen von Instrumenten an Bord der Rosetta-Sonde flossen beispielsweise auch die Daten verschiedener Landetests am DLR Bremen in die Entscheidung ein. Bei Tests im Frühjahr 2013 hatten die Ingenieure dort ein 1:1-Landemodell auf hartem und weichen Untergrund in der LAMA-(Landing and Mobility Test Facility) Anlage auf die Probe gestellt. In Computersimulationen konnten so die Herausforderungen der verschiedenen Landeplätze untersucht werden.
In den nächsten Wochen wird der Landeplatz nun aus größerer Nähe untersucht und immer exaktere Flugbahnberechnungen für Orbiter und Lander erstellt. Sollte sich dabei zum Beispiel herausstellen, dass das Gelände innerhalb der Landeregion deutlich zerklüfteter ist als erwartet oder extremes Ausgasen des Kometen an diesem Ort eine Landung gefährden, hat sich das Landerteam für Landestelle C (letztes Bild) als zweite Wahl entschieden. Auch dieser Landeplatz, der sich auf dem größeren Teil, dem Körper, des Kometen, befindet, liegt in relativ flachem Terrain und hat ausreichend Sonnenlicht.
Die übrigen Landeplätze I, B und A, die in der engeren Auswahl waren, fielen bei der Entscheidung heraus, weil sich bei den detaillierten Analysen herausgestellt hatte, dass sie einige der Kriterien nicht ausreichend erfüllten. So wurden auf den Nahaufnahmen aus rund 30 Kilometern Entfernung deutlich, dass Landeplatz B im Inneren einer kraterähnlichen Struktur mehr größere Brocken liegen als zunächst angenommen.
Vorbereitungen für das Novum in der Raumfahrtgeschichte
Mit der Festlegung auf eine Landestelle und den damit genaueren Flugbahnberechnungen können die Ingenieure des DLR-Lander-Kontrollzentrums (LCC) in Köln unter anderem die Sequenz für den Abstieg und die Landung anpassen und optimieren. Diese wird Philae autonom – ohne Eingreifen von der Erde aus – auf den Kometen sinken lassen und für seinen Betrieb auf Churyumov-Gerasimenko vorbereiten. Getestet werden die Aktivitäten der Flugeinheit dabei vorab mit einem Bodenreferenzmodell des Landers im LCC.
Die Kommandos für Philae und seine zehn Instrumente an Bord werden während der Mission vom DLR-Kontrollzentrum zum europäischen Missions-Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt und von dort aus über Bodenstationen zu Rosetta und Philae geschickt. Die Telemetrie von Philae gelangt in umgekehrter Richtung über das ESOC zum LCC.
Am 15. Oktober 2014 soll der ausgewählte Landeplatz endgültig bestätigt oder ein Ausweichen auf den Ersatz-Landeplatz beschlossen werden. "Jetzt haben wir einen Landeplatz – bereiten wir uns also auf den großen Tag vor", sagt Lander-Projektleiter Stephan Ulamec.