Es ist der Beginn einer neuen astrometrischen Dimension: Bis 2018 soll Gaia, das neue Weltraum-Teleskop der Europäischen Weltraumagentur ESA, die Positionen, Entfernungen und Bewegungen von einer Milliarde Sterne messen und erstmals eine 3D-Karte unserer Milchstraße erstellen.
Deutschland unterstützt zusätzlich zu seinen ESA-Beiträgen den wissenschaftlichen Betrieb und die Datenauswertung von Gaia mit rund 15 Millionen Euro, das sind etwa zehn Prozent. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) steuert dabei die deutschen Anteile des Projekts aus dem nationalen Raumfahrtprogramm.
Am 19. Dezember 2013 ist Gaia endlich um 10:12 Uhr Mitteleuropäischer Zeit an Bord einer russischen Sojus-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guyana) auf seine mehrjährige Reise zu den Sternen gestartet.
Blick über die Milchstraße hinaus
"Das Gaia-Teleskop bedeutet eine neue wissenschaftliche Qualität – Europa wird damit weltweit eine führende Rolle in der Präzisionsastronomie übernehmen. Nach der erfolgreichen Hipparcos-Mission ist das Observatorium der zweite Astrometrie-Satellit der ESA, dessen Messgenauigkeit uns ein viel genaueres Bild der Dynamik und Entwicklungsgeschichte unserer Milchstraße geben wird. Gaia kann zudem nicht nur Sterne vermessen, sondern auch andere Himmelskörper bis zu einer bestimmten Mindesthelligkeit", erklärte DLR-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr.-Ing. Johann-Dietrich Wörner, derzeit Vorsitzender des ESA-Rates. So soll der Wissenschaftssatellit auch Millionen Asteroiden und Kometen, Tausende extrasolare Planetensysteme, Braune und Weiße Zwerge, Supernovae und Quasare entdecken und nach Hinweisen auf die Verteilung der mysteriösen Dunklen Materie suchen.
Dr. Dietmar Lilienthal, Gaia-Projektleiter im DLR-Raumfahrtmanagement, ist live beim Start des Satelliten in Kourou dabei: "Gaia ist eine Entdeckungsmaschine, ein galaktischer Zensus: Wir bekommen dank der Präzision des Teleskops eine sehr genaue räumliche Vorstellung von dem, was uns umgibt. Dabei sitzen wir mitten drin in der Milchstraße und können deshalb nur mit besonderen Anstrengungen überhaupt einen kompletten Überblick über unsere Heimatgalaxie gewinnen", berichtet der Astrophysiker.
Fünf Jahre lang 250 Sterne pro Sekunde messen
Das Weltraumobservatorium ist über zwei Tonnen schwer, rund drei Meter groß und verfügt über zwei hochpräzise Teleskope und eine Kamera mit 106 einzelnen lichtempfindlichen CCD-Sensoren und einer Milliarde Pixel. Nach rund einem Monat soll Gaia sein Ziel, den zweiten Lagrange-Punkt (L2) rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, erreichen. Das Observatorium beobachtet in jedem seiner zwei "Gesichtsfelder" im Schnitt 250 Sterne pro Sekunde. Insgesamt entsteht ein Datenberg von einem Petabyte, das entspricht dem Speichervolumen von 200.000 DVDs.
Neben der Zusammensetzung unserer Milchstraße wollen die Wissenschaftler mit Gaia auch Wechselwirkungen mit anderen Galaxien wie den Magellanschen Wolken oder dem Andromeda-Nebel erforschen. Die Messgenauigkeit der Sternpositionen für die hellsten Sterne ist dabei mit 10 bis 20 Mikrobogensekunden bis zu 100mal höher als bei der Vorläufer-Mission Hipparcos und entspricht der Auflösung einer Euro-Münze auf dem Mond. Zusammen mit der Erde soll Gaia die Sonne im Erdschatten zirka fünf Jahre lang umrunden und kontinuierlich messen.
Forschungsgemeinschaft mit über 400 Wissenschaftlern
Aus Deutschland sind vier Hochschulen an der Mission beteiligt: das Astronomische Rechen-Institut (ARI) am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg, das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, das Leipniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) und das Lohrmann-Observatorium der TU Dresden. Deren Aufgabe ist vor allem die Bereitstellung von spezieller Software, um die gigantischen Datenmengen von Gaia, die federführend im Europäischen Raumflugkontrollzentrum ESOC der ESA in Darmstadt empfangen werden, weiter zu verarbeiten. Dazu haben die Wissenschaftler unter anderem mathematische Methoden der astronomischen Datenauswertung und relativistischen Korrektur sowie zur Codierung der aufwändigen und komplexen Software entwickelt.
Gebaut wurde Gaia vom europäischen Raumfahrtkonzern EADS Astrium. An der Mission beteiligt sind insgesamt mehr als 400 Wissenschaftler aus 24 ESA-Ländern.