Verkehrspilot stürzte mit Aquila vor die Graspiste in EDFE

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Am Verkehrslandeplatz -Egelsbach (EDFE) startete der Luftfahrzeugführer um 10:59 Uhr zu einem privaten Flug nach Sichtflugregeln (VFR). An Bord befand sich neben dem Piloten ein Passagier.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 18. Juni 2010
  • Ort: Egelsbach
  • Luftfahrzeug:
  • Hersteller / Muster: Aquila Technische Entwicklungen GmbH / AT 01
  • Personenschaden: Fluggast tödlich verletzt, Pilot schwer verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: Flurschaden

Sachverhalt

Ereignisse und weiterer Flugverlauf

Laut den Aufzeichnungen des Funkverkehrs meldete sich der Pilot um 12:27:14 Uhr zur Landung und bekam unter anderem die Information, dass die Piste 09 in Betrieb sei. Um 12:36:15 Uhr meldete sich der Pilot eines anderen Luftfahrzeuges mit der Meldung, dass er in den Queranflug der Piste 09 eindrehe. Daraufhin bat die Luftaufsichtsstelle den Piloten der AT 01, auf der Graspiste 09 zu landen. Nach zweimaliger Nachfrage der Luftaufsicht bestätigte er um 12:37:01 Uhr die Landung auf der Graspiste 09. Die Luftaufsichtsstelle informierte anschließend die Besatzung eines Helikopters, der sich im Schwebeflug südlich der Graspiste im Bereich des Pistenendes 09 befand, über die bevorstehende Landung. Um 12:37:50 Uhr meldete der Pilot der AT 01 „Queranflug null neun Gras […]“.

Von Zeugen wurde beobachtet, dass das landende weit hinter der Schwelle der Piste 09 aufsetzte und beim Rollen zunächst abgebremst, dann aber wieder beschleunigt wurde, abhob und einen für den Betrachter hohen Steigwinkel einnahm. Außerdem wurde beobachtet, wie es die Freileitung einer Bahnlinie hinter dem Flugplatzzaun überflog, nach rechts abkippte und nahezu senkrecht auf ein angrenzendes Rapsfeld stürzte.

Die Besatzung des im Schwebeflug befindlichen Helikopters beobachtete, dass das startende Flugzeug beim Überflug der Freileitung der Eisenbahntrasse eine eher geringe Geschwindigkeit hatte, die Höhe über der Freileitung geschätzt bei sechs bis acht Metern gelegen habe und nach Passieren der Eisenbahntrasse scheinbar versucht wurde, Geschwindigkeit aufzunehmen.

Aber das Flugzeug sei stark nach rechts gerollt und anschließend senkrecht auf den Boden geprallt. Die Helikopterbesatzung landete anschließend wenige Meter neben der Absturzstelle und konnte den schwer verletzten Piloten aus dem brennenden Wrack bergen. Das sich ausbreitende Feuer verhinderte jedoch den Versuch, auch den Fluggast aus dem brennenden zu befreien. Abb. 1 zeigt den und die Unfallstelle (Quelle: Google KartenserviceTM, Bearbeitung BFU).

Angaben zu Personen

Der 57-jährige Luftfahrzeugführer besaß eine Lizenz für Verkehrspiloten (ATPL(A)), erteilt nach JAR-FCL deutsch. Die Lizenz beinhaltete folgende Berechtigungen:

  • 330/340 PIC, IR, CAT III,
  • SEP(land) PIC

Sein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 war bis 30. November 2010 gültig. Er war beruflich als Pilot auf dem Muster A340 tätig.

Laut Flugbuch betrug die Flugerfahrung in den letzten fünf Jahren auf einmotorigen Landflugzeugen mit Kolbentriebwerk ca. 45 Stunden bei 145 Starts und Landungen. Auf dem Muster hatte er eine Erfahrung von 07:14 Stunden bei 19 Starts und Landungen, davon hatte er 05:15 Stunden bei elf Starts und Landungen in den letzten 90 Tagen absolviert.

Angaben zum Luftfahrzeug

Bei dem Flugzeug handelte es sich um einen aus Faserverbundwerkstoffen hergestellten zweisitzigen Tiefdecker mit nichteinziehbarem Fahrwerk in Bugradanordnung und Kolbentriebwerk mit hydraulisch verstellbarem Zweiblattpropeller.

  • Hersteller: Aquila Technische Entwicklungen GmbH Muster: AT 01
  • Werknummer: 196
  • Baujahr: 2009
  • Triebwerksmuster: Rotax 912 S3
  • Propellermuster: MTV-21-A/175-05
  • Leermasse: 503 kg
  • höchstzulässige Startmasse: 750 kg
  • Gesamtflugzeit: 440 Stunden

Laut den technischen Unterlagen des Flugzeuges wurde die Lufttüchtigkeitsprüfung am 28. April 2010 bei einer Betriebszeit von 390 Stunden bescheinigt. Die letzte Wartungskontrolle (200-Stunden-Kontrolle) wurde am 26. Mai 2010 bei einer Betriebszeit von 400 Stunden durchgeführt.

Die Leermasse und das Leermassenmoment waren nach Herstellung des Flugzeuges im Rahmen der Zulassung 2009 mit 503 kg bzw. 216,8 kgm vermessen worden. Unter Zugrundelegung der geschätzten Masse der Insassen von ca. 170 kg und der an Bord befindlichen Kraftstoffmenge von ca. 43 kg lag die Flugmasse bei der Landung bei 716 kg. Das entspricht einem Massenmoment von 328,4 kgm.

Meteorologische Informationen

Die Routinewettermeldung (METAR) für den Verkehrslandeplatz -Egelsbach um 12:20 Uhr lautete: Wind aus 360° mit 11 kt, Sicht größer als zehn km, Bewölkung 2/8 in 4.000 ft, Temperatur 23 °C, Taupunkt 11 °C, Luftdruck 1.010 hPa. Laut den Wetteraufzeichnungen am war die Windrichtung zur Unfallzeit im gemessenen zehn-Minuten-Intervall variabel zwischen 47° und 341°. Die Windstärke schwankte in dem Messintervall zwischen 7,8 kt und 17,3 kt.

Funkverkehr

Es bestand Funkkontakt mit der zuständigen Luftaufsichtsstelle. Der Funksprechverkehr wurde in deutscher Sprache geführt. Die Sprachaufzeichnungen der Luftaufsichtsstelle standen für die Untersuchung zur Verfügung.

Angaben zum Flugplatz

Der Verkehrslandeplatz Frankfurt-Egelsbach liegt 0,27 nautische Meilen (NM) südwestlich des Stadtzentrums von Egelsbach. Die Höhe beträgt 385 ft AMSL. Der Flugplatz verfügt über eine asphaltierte Start- und Landebahn mit der Ausrichtung 09/27 (Stand 06/2010) mit der Abmessung 1.400 Meter mal 25 Meter. Parallel ist auf der Südostseite des Platzes eine Graspiste mit der Abmessung 670 Meter mal 30 Meter eingerichtet, deren verfügbare Landestrecke (LDA) sich aufgrund von Bäumen im Bereich des westlichen Anflugsektors vor der Landebahnschwelle 09 auf 480 Meter verkürzt.

Unmittelbar hinter dem östlichen Ende der beiden Pisten verlaufen außerhalb des Flugplatzgeländes die ca. sieben Meter hohen Freileitungen der Nord-Süd-Bahntrasse. Abb. 2 zeigt einen Auszug der Flugplatzkarte Frankfurt-Egelsbach (Juni/2010, Bearbeitung: BFU).

Laut Luftfahrthandbuch , Flugplatz Frankfurt-Egelsbach ist die Nutzung der Graspiste neben anderen Einschränkungen wie folgt beschränkt: Das Aufsetzen und Durchstarten zu Übungszwecken ist nicht gestattet.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Die Unfallstelle lag ca. 180 m hinter der Schwelle 27 der Graspiste, links der Abfluggrundlinie in einem Rapsfeld mit ca. 1,30 Meter hohem Bewuchs. Der Aufprall erfolgte in Richtung 245° nahezu senkrecht, erkennbar an der Flugzeugsilhouette im Pflanzenbestand. Abb. 3 zeigt die Unfallstelle (Quelle: Polizei, Bearbeitung BFU).

Die Rumpfröhre war im Bereich des Leitwerkträgers gebrochen. Der gesamte Cockpitbereich war zerstört. Der Motor war vom Träger abgerissen, ein Propellerblatt war abgeschert. Die Tragflächen waren im Wurzelbereich zerstört, der Holm der rechten Tragfläche war gebrochen. Die Begutachtung des Landeklappenmotors und der Antriebswelle beim Hersteller ergab, dass die Landeklappen in Stellung „Reise“ (eingefahren) standen.

Der Tank in der rechten Tragfläche war zerstört. Aus dem geborstenen Tank der linken Tragfläche wurden zehn Liter Kraftstoff entnommen. Aufgrund des hohen Zerstörungsgrades der Schalter und Hebel im konnten keine eindeutigen Rückschlüsse bezüglich der Bedienung des Flugzeuges gezogen werden.

Brand

Das Flugzeug war beim Aufprall in Brand geraten. Das Cockpit, der Motorbereich und angrenzende Tragflächenbereiche wurden zerstört.

Der Untersuchungsbericht wurde gemäß § 18 FlUUG summarisch abgeschlossen, d.h. ausschließlich mit Darstellung der Fakten.

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle und Bilder, sofern nicht anders angegeben: BFU.

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