Die Betonröhre auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrt (DLR) in Trauen mag nur 3,30 Meter breit sein, und dennoch simuliert sie von Zeit zu Zeit für etwa zehn Sekunden die Weiten des Weltraums: Ingenieure des Instituts für Aerodynamik und Strömungstechnik dort ein neu entwickeltes Hybridraketentriebwerk.
Dr. Ognjan Božić und sein Team sitzen dabei hinter den 20 Zentimeter dicken Stahlbetonwänden ihres Kontrollraums, während im Teststand flüssiges Wasserstoffperoxid in einer Brennkammer mit einem festen Brennstoff reagiert und das Raketentriebwerk einen Schub von 240 Kilogramm erzeugt.
Vorteile aus Fest- und Flüssigbrennstoff-Antrieb
Die ersten Auswertungen des Projekts AHRES (Advanced Hybrid Rocket Engine Simulation) zeigen: Bereits in den kommenden fünf bis zehn Jahren könnte ein flugfähiges Hybridtriebwerk für eine Rakete gebaut werden und ins All starten.
Die DLR-Forscher wollen durch die Kombination aus Feststoff- und Flüssigtriebwerk die Vorteile beider Triebwerkstypen nutzen: "Bauweise und Handhabung sind einfach und daher kostengünstiger als bei Flüssigtriebwerken, die Treibstoffe ungiftig", zählt DLR-Ingenieur Daniel Lancelle auf. "Die Schubkraft kann geregelt und das Triebwerk bei Bedarf an- und abgeschaltet werden. Außerdem ist die Explosionsgefahr niedriger als bei anderen Triebwerken."
Gemeinsam hat das Team aus DLR-Mitarbeitern und Studenten den seit 30 Jahren ungenutzten, aber nun wiederbelebten Raketen-Teststand am DLR-Standort Trauen mit modernster Messtechnik auf den neuesten Stand gebracht, um zu beweisen, dass ihr entworfenes Hybridraketentriebwerk mindestens ebenso effizient arbeitet wie herkömmliche Feststofftriebwerke. "Eine einmalige Anlage in Europa", betont Dr. Ognjan Božić.
Hybridtriebwerk von Nachteilen befreien
Dabei haben die Wissenschaftler den gravierenden Nachteil eines Hybridtriebwerks, nämlich die niedrige Abbrandgeschwindigkeit und den niedrigen Schub, im Blick. "Wir arbeiten jetzt daran, den Prozess in dieser neuen Triebwerksart zu verstehen und die Abbrandgeschwindigkeit und Triebwerkseffizienz zu verbessern", erläutert DLR-Forscher Božić. "Und die Ergebnisse sind bisher sehr vielversprechend."
Das abgelegene Gelände in Trauen erfüllt dabei alle Sicherheitsstandards, um in Zukunft auch noch größere Triebwerke mit einer Schubkraft von bis zu 15 Tonnen untersuchen zu können. Die Ingenieure testen dabei verschiedene Feststoffe, variieren die Mischungen und untersuchen jeweils den Verlauf der Verbrennung. Die Testergebnisse werden anschließend dazu verwendet, die Simulationen am Computer zu optimieren.
Zwischen Flugzeug und Satellit: Weltraumtourismus
Zum Einsatz kommen könnte ein solches Hybridraketentriebwerk beispielsweise als Oberstufe für kleine und mittlere Trägerraketen. "Sie können für Forschungsraketen und Forschungsflugzeuge in einer Höhe von 40 bis 180 Kilometern verwendet werden – und damit die Lücke zwischen Flugzeug und Satellit schließen", sagt Projektleiter Božić. Möglich wäre auch der Einsatz für Mond– und Marslander. Die hohe Sicherheit, die durch die Trennung der verschiedenen Brennstoffe vor der Zündung gegeben ist, öffnet ein weiteres Anwendungsgebiet: den Weltraumtourismus.
"Unser Ziel ist es, anhand der Ergebnisse eine Ingenieur-Software zu entwickeln, mit der in Industrie und Forschung innerhalb weniger Wochen ein solches Triebwerk entworfen oder eine bestehende Konstruktion verbessert werden könnte", sagt DLR-Ingenieur Dennis Porrmann. Mindestens fünf weitere Probeläufe wollen Dr. Ognjan Božić, Daniel Lancelle und Dennis Porrmann bis Mitte dieses Jahres noch durchführen.