Ohne Miniaturisierung geht in der Raumfahrt nicht viel. Das mussten auch die 46 Schülerinnen und Schüler aus zehn verschiedenen Teams lernen, die beim dritten CanSat-Wettbewerb am 28. September 2016 auf dem Flugplatz Rotenburg an der Wümme an den Start gehen.
Denn ihre rund 350 Gramm leichte Nutzlast, die von einer Rakete auf einen suborbitalen Flug in bis zu 1.000 Meter Höhe geschickt wird, ist gerade einmal so groß wie eine handelsübliche Getränkedose (engl. Can) – und die gab dem Wettbewerb dann ihrem Namen. Die jungen Nachwuchswissenschaftler und -ingenieure haben ihre kleinen CanSats selbst entwickelt und gebaut.
Nun bekommen sie mit Hilfe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Möglichkeit, ihre kleinen Dosensatelliten in den Himmel zu schicken und gegeneinander anzutreten. Wer gewinnt, entscheidet eine Jury aus Forschung und Industrie. Der Sieger wird im kommenden Jahr zu den Europameisterschaften der Europäischen Weltraumorganisation ESA reisen und sich dort mit anderen internationalen Teams messen.
Gute Chancen auf den europäischen Titel
„Auf dem europäischen Parkett hat sich der letzte deutsche Meister sehr gut geschlagen und ist Vizeeuropameister geworden“, sagte Dr. Dirk Stiefs, Leiter des DLR_School_Labs Bremen und Jurymitglied. Die Schülerinnen des URSinvestigators-Teams des Erzbischöflichen Ursulinengymnasiums in Köln hatten einen CanSat entwickelt, um Wasser in der Luft zu messen – vielleicht eine Idee, um mögliches Leben auf anderen Planeten aufzuspüren.
„Auch die zehn Teams in diesem Jahr haben wieder das Potenzial, um den europäischen Titel mitzufliegen“, betonte Stiefs. Denn das Team BGTPioneer des TBZ Mitte aus Bremen geht mit einer ganz ähnlichen Idee an den Start. Die Schüler wollen die Atmosphäre auf ihre Bestandteile untersuchen und so überprüfen, ob ein Leben auf einem fremden Planeten möglich ist. Auch das Team Earth_TU_Radios des DLR_School_Lab TU Dresden schickt eine Dose auf die Reise. Mit ihrem Instrument soll unter anderem der Horizont abgebildet und daraus der Erdradius errechnet werden.
Diese zehn Teams lassen ihre Dosen Fliegen
- Die sechs Schüler des BGTPioneer-Teams wollen die Landung auf einem fremden Planeten simulieren und dabei untersuchen, ob Menschen dort langfristig leben können. Dabei sorgen sich die Schüler um die Zukunft, denn sie befürchten, dass die Menschheit die Erde mehr und mehr ausbeutet und verschmutzt und zu einem unbewohnbaren Himmelskörper verwandelt. Lösung: auswandern? Doch nicht jeder Planet erfüllt alle lebenswichtigen Bedingungen. Während ihrer Missionssimulation werden die Schüler deshalb wichtige Daten sammeln, die für unser Überleben ohne Schutzanzug wichtig sind.
- ComCon – Ökumenisches Gymnasium zu Bremen: Die vier Schüler des ComCon-Teams haben sich zum Ziel gesetzt einen CanSat zu bauen, der nicht nur Daten zur Bodenstation schickt, sondern auch während des Fluges Befehle erhalten und ausführen kann. Auch bei echten Raumfahrtmissionen ist es wichtig, dass Satelliten von der Erde aus gesteuert werden können, um zum Beispiel gezielt die Lage zu verändern. Um die Technik zu demonstrieren möchte Team ComCon dem CanSat zum Beispiel den Befehl geben ein Foto aufzunehmen wie es bei einem Erdbeobachtungssatelliten der Fall sein könnte.
- Earth_TU_Radios – DLR_School_Lab TU Dresden: Die vier Schüler der Eliminator-Gang starten zum ersten Mal beim CanSat-Wettbewerb. Sie wollen untersuchen, ob sich die gemessenen Daten nutzen lassen, um die Landwirtschaft zu verbessern. Anhand der Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Sonneneinstrahlung soll die Trockenzeit für die Böden bestimmt werden. Zusätzlich soll anhand von GPS-Daten des CanSats die Windgeschwindigkeit ermittelt werden. Zudem sollen Fotoaufnahmen genutzt werden, um den Einsatz von Erntemaschinen zu optimieren.
- InfraSat AEG – Albert-Einstein-Gymnasium Buchholz: Das Sonnenlicht erwärmt den Boden und das Meer, die entsprechend ihrer Temperatur im infraroten Bereich strahlen. Diese Infrarotstrahlung kann wiederum von einem Teil der Luftmoleküle aufgenommen – also absorbiert – werden, die dann wiederum als Treibhausgase die Atmosphäre erwärmen. Die sechs Schüler des InfraSat AEG-Teams wollen herausfinden, ob und wie stark Luftmoleküle Infrarotstrahlung absorbieren können und zudem überprüfen, wie sich die Streuung der Infrarotstrahlung vom Boden in verschiedenen Höhen verändert – eine für den Klimawandel sehr wichtige Information.
- MERIDIAN 15 – Joliot-Curie-Gymnasium Görlitz in Kooperation mit dem MakerSpace Görlitz: Das Rückstrahlvermögen von diffus reflektierenden, also nicht selbst leuchtenden Oberflächen ist vor allem in der Meteorologie von Bedeutung: Sie ermöglicht Aussagen darüber, wie stark sich Luft über verschiedenen Oberflächen erwärmt. Diese Strahlungsbilanz der Erde hat einen großen Einfluss auf den Erhalt des Weltklimas – zum Beispiel bei den Eisdecken der Gletscher und Pole. Das Maß für diese Rückstrahlung ist die sogenannte Albedo. Wie wirkt sich dieses Rückstrahlvermögen auf die Energiezusammensetzung des Lichts aus? Dieser Frage gehen die neun Schüler des MERIDIAN 15-Teams aus Görlitz nach. Zudem wollen sie eine modulare Bauweise des CanSats zur einfachen Wartung und Erweiterung der Funktionalität umsetzen.
- Recognize – Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Bremen: Genaue Standortbestimmung ganz ohne GPS? Kein Problem. Die acht Schüler des Recognize-Teams wollen mit einer Infrarotlichtkamera den Boden fotografieren. Diese Fotos sollen dann mit Methoden der Bilderkennung mit Kartenmaterial abgeglichen werden – eine enorme Hilfe für die Erkundung anderer Himmelskörper, da es dort kein GPS-Netz gibt. Außerdem kann vor der Landung einer anderen Sonde Kartenmaterial angefertigt werden und somit die Positionsbestimmung von Landern auf fremden Himmelskörpern deutlich erleichtern. Zusätzlich wollen die Schüler Wärmequellen auf den Bildern lokalisieren.
- Shooting Stars – Gymnasium Maria Stern des Schulwerks der Diözese Augsburg: Die vier Schülerinnen des Shooting Star-Teams haben sich in einem Seminar bereits mit verschiedenen Missionen zu Planeten unseres Sonnensystems auseinandergesetzt. Durch Untersuchungen des Magnetfelds von Jupiter durch die Raumsonden Galileo und Cassini kamen sie auf den Gedanken, den Betrag und die Richtung des Magnetfeldes der Erde zu messen. Die gewonnenen Richtungsinformationen sollen dann dabei helfen, die Blickrichtung einer Kamera besser nachzuführen.
- Spying Eagle – Freiherr-vom-Stein Schule Hünfelden: Die vier Schüler des Spying Eagle-Teams möchten Luftbilder aufnehmen und nach markanten Objekten wie Gebäuden, Seen oder Flüssen scannen. Die Daten sollen mit vorhandenem Kartenmaterial verglichen werden. Die Technik könnte nützlich sein, um in Zukunft zum Beispiel den Flug von Rettungshubschraubern bei Nacht zu unterstützen und zu verbessern.
- Yavanna – Johann-Gottfried-Herder-Gymnasium Köln: Die fünf Schüler des Yavanna-Teams sorgen sich darum, wie Astronauten während Flügen zu anderen Planeten mit Nahrung versorgt werden könnten. Lassen sich Pflanzen im Weltraum anbauen und auf einem Raumflug schonend transportieren? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, planen sie Messreihen während ihres Fluges. Namensgeber ist eine von J.R.R. Tolkien erschaffene Figur aus dem „Silmarillion“. Yavanna pflanzte alle Samen für die Pflanzen und Früchte in der von Tolkien erschaffenen Welt namens „Arda“.
Ein Ziel – zwei Missionen
Doch um überhaupt bei den deutschen Meisterschaften antreten zu dürfen, müssen die CanSats zwei Missionen erfüllen. Dabei müssen sie als Pflichtprogramm ein Höhenprofil von Temperatur und Luftdruck messen und an eine Bodenstation senden. Als Kür soll jeder CanSat noch eine weitere Aufgabe verfolgen – welche, liegt in der Hand der Teams. „Hier ist Kreativität sowie physikalisches und technisches Verständnis gefragt, um möglichst komplexe Missionsideen in dem begrenzten Raum einer Getränkedose unterzubringen“, betonte Stiefs.
Bei ihrer Arbeit werden die Teams von Experten aus der Raumfahrt unterstützt: Die zehn Teams haben vorab jeweils einen CanSat-Bausatz und die betreuenden Lehrkräfte die nötigen Grundlagen in einen Workshop im DLR_School_Lab Bremen bekommen. „In der Vorbereitungsphase aufs Finale schicken die Teams Berichte über ihre Arbeit an uns Jurymitglieder – ganz wie bei einer echten Raumfahrtmission“, erklärte Stiefs. Ob alle Missionsziele erfüllt werden konnten, wird sich zeigen, wenn die CanSats mit einer Rakete auf eine Höhe von bis zu 1.000 Metern geschossen und dann an einem Fallschirm möglichst heil zurück zur Erde gleiten. Dabei starten jeweils zwei Dosensatelliten gemeinsam in einer Rakete. Nach fünf Flügen sind alle Teams durch. Nach der Präsentation der Ergebnisse muss die Jury dann entscheiden, wer der neue deutsche Meister geworden ist.
Stationen des Wettbewerbs
Der Wettbewerb wird am Montag, den 26. September, 17:00 Uhr im Bremer Fallturm des ZARM eröffnet. Am 27. September ab 09:00 stellen die Teams ihre Projekte vor der Jury im DLR School_Lab vor. Den Höhepunkt des Wettbewerbs, den Raketenstart ihrer CanSats vom Flugplatz Rotenburg (Wümme), erleben die Teams am 28. September 2016. Danach werten sie die empfangenen Daten aus und stellen ihre Ergebnisse der Jury und dem Publikum vor. Die Siegerehrung ist am Freitag, den 30. September um 14:00 Uhr bei Airbus Defence und Space in Bremen. Schirmherrin des Wettbewerbs ist Senatorin Dr. Claudia Bogedan.
Zahlreiche Mitveranstalter, Förderer und Paten
Eine Vielzahl von Mitveranstaltern, Förderern und Paten unterstützen sowohl den Wettbewerb als auch die teilnehmenden Teams, darunter die Europäische Weltraumorganisation (ESA), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit dem DLR_School_Lab Bremen, dem Raumfahrtmanagement sowie mit dem Institut für Raumfahrtsysteme, das Institut für Aerospace-Technologie (IAT) der Hochschule Bremen, die Bremer Raumfahrtunternehmen Airbus Defence and Space & Airbus Safran Launchers, OHB System AG, Digitale Signal-Verarbeitungssysteme & Informationstechnik GmbH (DSI), Watterott Electronics GmbH, das Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen, die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH, der Flughafen Bremen, der Flugplatz Rotenburg (Wümme), Altimax Rocket Altimeter, die Moskito Werbeagentur Szabó & Christiani oHG, BerlinDruck GmbH & Co. KG, Spacebenefit e.V., Aviabelt Bremen e.V., das Technische Bildungszentrum Mitte, das Ökumenische Gymnasium Bremen, die Europaschule Schulzentrum Utbremen, das Gymnasium Vegesack und nicht zuletzt die Europäische Union über den European Regional Development Fund.
Auf den Bildern
Abflug: Eine Rakete geht auf die Reise: Eine Rakete bringt die CanSats auf bis zu 1.000 Metern Höhe. Bei der deutschen Meisterschaft in Rotenburg an der Wümme starten zwei CanSats auf einer Rakete. Nach fünf Flügen sind alle Teams durch. Nach der Präsentation der Ergebnisse muss die Jury dann entscheiden, wer der neue deutsche Meister geworden ist.
Letzte Änderungen vor dem Start: Schüler nehmen noch letzte Änderungen an ihren CanSats vor, bis die Rakete ihre Dosensatelliten dann bis zu 1.000 Meter in den Himmel trägt.
CanSat mit Hülle und Fallschirm: Einzelteile: Der CanSat ist nicht größer als eine Getränkedose und rund 350 Gramm schwer. Er kommt in eine Hülle und wird dann in die Rakete integriert. Ein Fallschirm bremst die Nutzlast ab, so dass sie sicher und sanft landen und anschließend geborgen werden kann.
CanSat und Bodenstation: Schüler präsentieren ihren Dosensatelliten vor der Bodenstation: Die Daten werden während des Flugs über eine Antenne (im Hintergrund) übertragen und landen direkt auf dem Computer.