Laut Eurocontrol, der europäischen Organisation für die Sicherheit im Luftverkehrsmanagement, führen Verspätungen im Luftverkehr jedes Jahr zu Kosten in Höhe von bis zu 1,5 Milliarden Euro. Dabei arbeiten die einzelnen Akteure am Flughafen wie Flugsicherungen, Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber alle mit eigenen Systemen und sind kaum vernetzt. Die Folge sind Reibungsverluste und Wartezeiten.
Im Projekt TAMS, Total Airport Management Suite, haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit Partnern aus der Industrie diese Problematik untersucht und ein System entwickelt, bei dem alle Einzel-Systeme integriert, Störquellen angezeigt und Lösungsvorschläge geliefert werden – dabei erstmals unter Einbindung sowohl land- als auch luftseitiger Systeme. Passagiere können damit pünktlicher, zuverlässiger und komfortabler reisen. Das Projekt findet nach etwas mehr als drei Jahren Laufzeit am 22. Mai 2012 seinen Abschluss.
TAMS reduziert Wartezeiten für Mensch und Maschinen
Das DLR hat die Effekte von TAMS – geringere Kosten, kürzere Wartezeiten für die Passagiere, weniger Schadstoffausstoß und weniger Lärmemissionen – nachgewiesen. "Neben der höheren Pünktlichkeit der Flugzeuge konnten wir die Rollzeiten und die Laufzeiten der Triebwerke verkürzen", erklärt DLR-Projektleiter Florian Piekert vom Institut für Flugführung in Braunschweig. Die einzelnen Systeme kommunizieren in einer übergeordneten Plattform miteinander – so werden Störungen im Betriebsablauf schneller sichtbar als es heute beim Austausch zwischen den Akteuren der Fall ist. TAMS bietet dann verschiedene, abgestimmte Lösungen an.
Das DLR hat in TAMS das Kernkonzept entwickelt und dabei zukünftige Nutzer involviert, um die notwendige Realitätsnähe zu gewährleisten. Darüber hinaus unterstützte das DLR die beteiligten Verbundpartner querschnittlich bei der technischen Konzepterstellung. Das DLR konnte in dem Projekt eigene Inhalte und Fähigkeiten auf dem Forschungsgebiet "Ganzheitliches Flughafenmanagement" weiterentwickeln. Das ebenfalls vom DLR entwickelte Passagiermanagement-System ermöglicht erstmals eine nahtlose Verzahnung der luft- und landseitigen Flughafenprozesse und damit einen Blick auf das "große Ganze".
Zusätzlich haben die Wissenschaftler die einzelnen Systeme der Flughafen-Akteure zusammengeführt, Simulationen und operative Vorhersagen der landseitigen Passagierströme erstellt sowie das Gesamt-System validiert. "Wir schätzen das große Maß an Objektivität der DLR-Kollegen und die kontinuierlich erbrachte konzeptuelle Vorarbeit. Damit einher geht ihre ausgeprägte Fähigkeit zur Simulation von komplexen Systemen für die Validierung von Systemansätzen", klärt Dr. Moritz Strasser, Business Analyst und Projektmanager TAMS beim Industriepartner ATRiCS.
Realdaten inklusive Störfaktoren für die Validierung
Die Wissenschaftler des DLR schufen eine virtuelle Flughafenumgebung unter Anwendung realer Flugdaten. Der simulierte Verkehr fließt in die land- und luftseitig vernetzten Einzel-Systeme ein. Das TAMS-System leitet wichtige Leistungsparameter wie die Ressourcenverfügbarkeit ab und liefert diese in einen so genannten Flughafen-Leitstand – die Zentrale des Flughafenmanagements. "Wir haben dutzende Versuchsläufe über drei Wochen durchgeführt, jeder einzelne dauerte über fünf Stunden", erläutert DLR-Projektleiter Piekert.
Störfälle wie Gatewechsel waren in die Validierung integriert, die für diese Analysen verwendeten Szenarien sind tatsächlichen Betriebstagen entnommen. Im Flughafen-Leitstand laufen die verschiedenen Informationen zur Entwicklung des Betriebsablaufs auf einer großen Video-Leinwand zusammen. Gleichzeitig erhalten die beteiligten Akteure genau auf sie zugeschnittene Informationen, die für betriebliche Entscheidungen genutzt werden. Ein zentraler Flughafen-Leitstand wäre eine mögliche Arbeitsumgebung für am Flughafenmanagement beteiligte Akteure. Darüber hinaus ist auch ein dezentraler oder virtueller Flughafen-Leitstand umsetzbar, bei dem die Informationen über Tablet-PCs oder Smartphones ausgetauscht werden könnten.
Die Simulationen der Passagierströme zeigen sowohl eine mikroskopische als auch eine makroskopische Perspektive, um die Aktivitäten im Flughafenterminal zu erfassen und zu steuern. "Auf der makroskopischen Ebene werden die Personen als Ströme sichtbar, das System modelliert einen ganzen Tag in wenigen Sekunden. Somit erlaubt das System einen schnelleren Blick auf die zukünftigen Entwicklungen im Flughafenterminal und ermöglicht eine effiziente und vorausschauende Steuerung der Ressourcen und Prozesse", erklärt Axel Claßen, Projektleiter vom DLR-Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr.
An TAMS waren neben dem DLR die Partner Siemens (Verbundleitung), Barco Orthogon, Inform, ATRiCS und der Flughafen Stuttgart beteiligt. TAMS wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert, der Start war im Dezember 2008.