Am 26. Dezember 2004 löste ein schweres Seebeben vor der Küste von Sumatra einen verheerenden Tsunami im Indischen Ozean aus. Eine Tsunami-Frühwarnung fehlte – und gilt als Hauptgrund für die hohen Opferzahlen.
Indonesien wie auch Küstenregionen in Thailand, Sri Lanka und Südindien wurden damals am schwersten getroffen – mehr als 250.000 Menschen verloren ihr Leben, 1,8 Millionen wurden obdachlos und fünf Millionen Menschen bedurften der sofortigen Hilfe.
So beschloss die Bundesregierung bereits kurz nach der Katastrophe, den Aufbau eines Tsunami-Frühwarnsystems für den Indischen Ozean zu unterstützen. Das Deutsche Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) entwickelte in diesem Rahmen das zentrale Element des Tsunami-Frühwarnsystems, das Entscheidungsunterstützungssystem.
In den Tagen und Wochen nach dem Tsunami unterstützte das DLR auch die internationale Katastrophenhilfe vor Ort: Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum des DLR kartierte die betroffenen Gebiete mithilfe von aktuellen Satellitenbildern. In Abstimmung mit den Vereinten Nationen, der Europäischen Kommission und internationalen Partnern wurden vom Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) des DLR mehr als 50 Karten der Krisenregion erstellt.
Unmittelbare Einsatzbereitschaft zur Katastrophenhilfe
Das ZKI war 2003 im Nachgang der großen Elbe-Flut am DLR etabliert worden. Die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean nahm das DLR als wichtigen Impuls, die Service-Einrichtung verstärkt auszubauen. Das ZKI beschäftigt sich mit der schnellen Beschaffung, Aufbereitung und Analyse von Satellitendaten bei Natur- und Umweltkatastrophen, für humanitäre Hilfsaktivitäten und für die zivile Sicherheit weltweit. Die Produkte werden nach den spezifischen Bedürfnissen für nationale und internationale politische Entscheidungsträger, Lagezentren sowie Hilfsorganisationen erstellt, und auch der Öffentlichkeit frei zugänglich gemacht.
So leistete das ZKI Unterstützung bei dem schweren Erdbeben auf Haiti 2010, der Tsunami-Flutkatastrophe in Japan 2011 oder auch der Hochwasserkatastrophe in Deutschland und dem Hochwasser in Indien 2013. Das DLR ist mit dem ZKI seit 2010 Mitglied der Internationalen Charter "Space and Major Disasters", hat seit Anfang 2012 einen nationalen Auftrag des Bundesministerium des Inneren zur Unterstützung von Bundesbehörden (ZKI-DE) und ist seither rund um die Uhr einsatzbereit.
Wenig Zeit bis zum Eintreffen der Tsunami-Welle
Beim Aufbau des deutsch-indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems GITEWS (German Indonesian Tsunami Early Warning System) entwickelte das DLR eine moderne Entscheidungsunterstützungskomponente (Decision Support System, DSS) für das Warnzentrum und erstellte Vulnerabilitäts- und Risikokarten für die gesamte indonesische Küste des Indischen Ozeans.
"Eine schnelle Warnung ist für Indonesien besonders wichtig, denn die Vorwarnzeit für die Küstenregionen ist aufgrund besonderer geologischer Bedingungen extrem kurz. Die ersten Tsunamiwellen können bereits in weniger als 30 Minuten nach einem Seebeben die zum Teil dicht bevölkerten Küstengebiete erreichen", so Dr. Torsten Riedlinger, ehemaliger GITEWS-Projektkoordinator des DLR.
GITEWS bildet die Kernstruktur des indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems InaTEWS. Betrieben wird das System vom indonesischen Dienst BMKG (Meteorologischer, Klimatologischer und Geophysikalischer Dienst). GITEWS war ein Projekt der Helmholtz-Gemeinschaft, mit dem Helmholtz Zentrum Potsdam (GFZ) als federführende Einrichtung, im Auftrag der deutschen Bundesregierung. Das Projekt wurde im Januar 2005 gestartet, mit einer Laufzeit von sechs Jahren.
GITEWS verarbeitet laufend Echtzeit-Daten von rund 300 Messstationen. Maximal fünf Minuten nach einem Beben muss im Warnzentrum in Jakarta eine detaillierte Meldung generiert sein. Das Entscheidungsunterstützungssystem des DLR ermöglicht den Entscheidungsträgern vor Ort eine schnelle und präzise Einschätzung der Gefahrensituation. Die Experten können daraufhin gezielte Warnmeldungen und Handlungsanweisungen an die Behörden und die Medien ausgeben.
Das GITEWS Projekt wurde im Januar 2005 initiiert und bildet heute die Kernstruktur des indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems InaTEWS. Dies wurde bereits 2008 in Betrieb genommen und ist heute – dank kontinuierlicher Weiterentwicklung – eines der modernsten Tsunami-Frühwarnsysteme weltweit. Nach nur sechsjähriger Entwicklungszeit wurden die in Deutschland entwickelten GITEWS Komponenten im März 2011 final an Indonesien übergeben.
Auf Frühwarunung folgt Evakuierungsplan
Neben einer schnellen und verlässlichen Frühwarnung gehört auch die effektive Planung und Vorbereitung von Evakuierungsmaßnahmen zu einer professionellen Vorsorge. Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum erstellte für Indonesien daher spezielle Risikokarten in unterschiedlichen Maßstäben. Sie geben einen Überblick darüber, wie stark ein Gebiet durch Tsunamis gefährdet ist:
Wie viele Menschen wären in den einzelnen Regionen betroffen? Wie verwundbar ist die Infrastruktur – Schulen, Krankenhäuser, Straßen? Daraus folgt die Frage, wohin können Betroffene flüchten und wie? In Zusammenarbeit mit indonesischen und internationalen Partnern erarbeiteten Riedlinger und seine deutschen Kollegen daher zusätzlich Richtlinien für Evakuierungspläne zur Unterstützung der lokalen und regionalen Behörden.
Naturkatstrophen können nicht verhindert werden, doch mit GITEWS wird viel erreicht: Die Auswirkungen von Naturgewalten werden gemindert – dank dem Aufbau eines modernen Tsunami-Frühwarnsystems, der Einbeziehung organisatorischer Maßnahmen sowie einem umfassenden Capacity Building.
Frühwarnsystem macht zum "Regional Tsunami Service Provider"
Aufgrund der guten Entwicklung des Tsunami-Frühwarnsystems und den dazugehörigen Ausbildungsmaßnahmen erhielt Indonesien im November 2012, neben Australien und Indien, offiziell durch die UNESCO/IOC den Status eines "Regional Tsunami Service Provider" (RTSP) für die Anrainerstaaten des Indischen Ozeans. Allein in den vergangenen drei Jahren wurden rund 1.700 Erdbeben durch das System ausgewertet und insgesamt fünf Warnmeldungen an die Bevölkerung ausgegeben.
Seit März 2014 betreibt Indonesien sein Tsunami-Frühwarnsystem selbstständig. Die fachgerechte Ausbildung der Mitarbeiter vor Ort wurde durch das deutsch-indonesische Ausbildungsprogramm PROTECTS (Project for Training, Education and Consulting for Tsunami Early Warning Systems) erfolgreich umgesetzt. Als technischer Support steht das DLR hier weiterhin zur Verfügung.
Für Tsunami-Frühwarnsysteme der Zukunft erforscht das DLR außerdem neue Verfahren und Technologien, um Tsunamiwellen frühzeitig und flächendeckend zu erkennen. Dank der engen Verzahnung mit der aktuellen Forschung kann auch das ZKI eine kontinuierliche Verbesserung seiner Services gewährleisten, für das Katastrophenmanagement ebenso wie für den operationellen Dienst.
Fernaufklärung durch Satellitenbilder
Das dichtbesiedelte Gebiet rund um die Provinzhauptstadt Banda Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra wurde 2004 besonders schwer getroffen (Bild 1). Das Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) erstellt diese Vergleichskarte wenige Tage nach dem Tsunami: Sie zeigt das Krisengebiet vor und nach der Katastrophe, am 10. Januar 2003 (links) und am 29. Dezember 2004 (rechts). Die blauen Punkten markieren die ursprüngliche Küstenlinie des zerstörten Gebiets.
In den Tagen und Wochen nach der Tsunami-Katastrophe erstellte das Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation (ZKI) des DLR mehr als 50 Satellitenbildkarten für die Einsatzkräfte vor Ort. Die Satellitenaufnahme links in Bild 2 zeigt den nördlichen Bereich der Provinz Aceh am 02. Januar 2005, rund eine Woche nach dem verheerenden Tsunami. Die Küstenbereich sowie das Landesinnere sind von extremer Zerstörung gezeichnet. Die Aufnahme rechts stammt vom 11. Dezember 2014 und lässt den Fortschritt des Wiederaufbaus erkennen – landwirtschaftliche Flächen, Siedlungen und Straßen.
Bild 3: Beim Aufbau des deutsch-indonesischen Tsunami-Frühwarnsystems GITEWS entwickelte das DLR das Entscheidungsunterstützungssystem (Decision Support System, DSS) für das Warnzentrum in Jakarta. Die Experten vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum führten anschließend die fachgerechte Ausbildung der Mitarbeiter vor Ort durch.
Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte am 11. Juli 2012 das Tsunami-Frühwarnzentrum in Jakarta, im Rahmen ihrer ersten Indonesien-Reise Bild 4). Das Frühwarnsystem ist seit 2008 in Betrieb und wurde vom DLR zusammen mit anderen Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft aufgebaut. "Ich bin sehr beeindruckt vom Tsunami-Warnzentrum", fasste die Bundeskanzlerin ihren Besuch zusammen. "Ich glaube, das ist ein sehr gutes Beispiel für eine deutsch-indonesische Kooperation, die auch wirklich zum Wohle der Menschen arbeitet", so Merkel weiter.
Bild 5: Die Tsunami-Flutwellen des Indischen Ozeans traf am 26. Dezember 2004 auf das beliebte Urlaubsressort von Khao Lak in Thailand. Die Aufnahmen des IKONOS-Satelliten vergleichen das Gebiet vor und nach der Katastrophe, am 30. Januar 2003 (links) und am 29. Dezember 2004 (rechts). Die Zerstörung der Küstenregion ist deutlich zu erkennen. Für die Notfallkartierung sind betroffene Bereiche rot markiert, zerstörte Küstenlinie blau und Straßen weiß bis grau.
Bild 6: Die Bucht von Khao Lak am 21. Februar 2014, knapp zehn Jahre nach der Tsunami-Katastrophe. Das Gebiet hat sich stark verändert – im Vergleich zu 2003/2004 weisen Küstenlinie, Bebauung und Vegetation nur noch wenige Gemeinsamkeiten auf.