Deutschland und Frankreich: wiederverwendbare Raketen

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Die Raumfahrt befindet sich in einem signifikanten Wandel – um langfristig erfolgreich zu sein, gilt es, die Veränderungen in der Raumfahrt aktiv mit zu gestalten, neue Raumfahrtmärkte zu erschließen sowie die Chancen fortschrittlicher Technologien zu nutzen.

Welche Raumfahrtantriebe sind visionär, welche realistisch und welche nachhaltig? Wie sehen richtungsweisende Entwicklungen bei den Raumfahrtantrieben aus und sind Europas Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in diesem Bereich derzeit ausreichend? Diese Fragen diskutierten führende Raumfahrtexperten auf dem 4. Industrial Day des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in .

„Die Bedeutung der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich der Raumfahrtantriebe nimmt zu, denn von den Antriebskonzepten der Zukunft hängen Faktoren wie Vielfältigkeit, Leistungsstärke, Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit unmittelbar ab“, sagte Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR. „Kaum ein anderes Technologiefeld beeinflusst den Erfolg von Trägerraketen in diesem Ausmaß“, so Ehrenfreund weiter.

Trägerraketen sollen wiederverwendbar werden

Flüssige chemische Raumfahrtantriebe sind eine Stärke des DLR – seit Jahrzehnten baut das DLR am Standort seine Forschungsschwerpunkte auf dem Gebiet der Raumfahrtantriebe mit neuen Schlüsselkompetenzen und Investitionen in Prüfstandanlagen weiter aus. Darüber hinaus schließt das DLR-Institut für Raumfahrtantriebe gezielt strategische Kooperationen. Sie unterstützen den Transfer der Forschungsergebnisse in die industrielle Anwendung, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Raumfahrt aufrecht zu erhalten.

Am Rande des Industrial Day unterzeichneten Prof. Hansjörg Dittus, DLR-Vorstand für Raumfahrtforschung und Technologie und Jean-Marc Astorg, Direktor Trägerraketen der französischen Raumfahrtagentur CNES ein gemeinsames deutsch-französisches Forschungsprogramm für wiederverwendbare Trägerraketen. Dass das möglich ist, zeigt bereits das private amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX, was dem in der Branche eine Stoßwelle versetzen dürfte. Zu den Schwerpunkten des gemeinsamen Forschungsvorhabens von DLR und CNES für eine wiederverwendbare Rakete gehören die Antriebstechnologie und Flugversuche im Rahmen der ReFEX-Experimente.

Einzigartige Möglichkeiten für Entwicklung der 6

Am Institut für Raumfahrtantriebe testen DLR-Ingenieure an einzigartigen Prüfständen Raumfahrtantriebe insbesondere unter Weltraumbedingungen wie dem Vakuum. Ihre Verfügbarkeit sowie die Anpassung an zukünftige Testanforderungen sind essentiell für die europäischen Trägerprogramme. So wird der Beitrag des DLR an der Entwicklung der Ariane 6 sein, die entsprechenden Triebwerke zur Flugreife zu qualifizieren. Dazu läuft gegenwärtig eine Testkampagne mit dem neuen Oberstufentriebwerk Vinci am Höhensimulationsprüfstand P4.1. Ziel dieser Kampagne ist es, nach langjähriger Entwicklung das endgültige Design von Vinci für die ab 2017 folgenden Qualifikationskampagnen festzulegen. Mit Hilfe dieser Tests erzielen DLR-Wissenschaftler Erkenntnisse über das Triebwerksverhalten, die beim Hersteller Airbus Safran Launchers für letzte Optimierungen genutzt werden.

Auch die neue Unterstufe der Ariane 6 erhält ein neues Triebwerk, das Vulcain 2.1. Hierbei handelt sich um eine Weiterentwicklung des Vulcain-2-Triebwerk der Ariane 5, bei dem unter anderem eine neue Sandwichdüse zum Einsatz kommt. Für die Entwicklungs- und Qualifizierungstests des Vulcain 2.1, die ab 2017 geplant sind, wird der Prüfstand P5 des DLR gegenwärtig an die neuen Anforderungen angepasst.

Zurzeit wird am DLR Lampoldshausen zudem der Prüfstand P5.2 im Auftrag der Europäischen ESA gebaut, um dort Tests mit der zukünftigen Oberstufe der neuen -Trägerrakete durchzuführen. Dazu zählen Versuche zur Be- und Enttankung sowie Heißlauftests der Stufe mit dem Vinci-Triebwerk. Mit seiner Hilfe können beim DLR in Lampoldshausen zukünftig nicht nur Triebwerke und einzelne Komponenten, sondern komplette kryogene Oberstufen qualifiziert werden. Dieser neue Oberstufenprüfstand, dessen Fertigstellung in 2017 geplant ist, ergänzt die Test- und Prüfstandanlagen des DLR in idealer Weise.

Die Ariane-Rakete im Einsatz

Pünktlich zum 4. Industrial Day startete am 09. März 2016 die Ariane 5 bereits zu ihrem zweiten dieses Jahres. Es war gleichzeitig der 71. erfolgreiche in Folge seit Anfang 2003. Für das laufende Jahr plant Arianespace eine Rekordanzahl von acht Ariane-5-Starts – darunter der erste von insgesamt drei geplanten Starts mit jeweils vier Galileo-Satelliten zum weiteren Aufbau des europäischen Navigationssystems. In den vergangenen 30 Jahren hat die Ariane-Rakete ihre hohe Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit unter Beweis gestellt und somit über 50 Prozent des kommerziellen Satellitenmarktes erobert.

Gleichzeitig hat sie damit Europas eigenständigen Zugang zum gesichert. Auf diesem Fundament fußt jetzt die Neuentwicklung der Ariane 6, die aufgrund der zunehmenden weltweiten Konkurrenz auch noch die zusätzliche Aufgabe hat, wesentlich kostengünstiger zu sein. Industrieller Hauptauftragnehmer für die künftige Trägerrakete Ariane 6 ist das Joint Venture Safran Launchers. Der Entwicklungsvertrag mit der ESA wurde am 12. August 2015 unterzeichnet. Der Erstflug der Ariane 6 wird voraussichtlich 2020 stattfinden – die Ariane 5 soll dann noch parallel bis 2023 eingesetzt werden und nach über 25 Jahren ihren Dienst beenden.

Auf dem Foto: Test eines Vulcain-2-Triebwerkes am Prüfstand P5. Die modernen Prüfstände beim DLR Lampoldshausen liefern zuverlässig Testdaten zu den Triebwerken der Ariane 5 (Quelle: DLR/Frank Eppler).