Flugabwehr Übung: Vogelschlag lässt Pilatus Piloten abstürzen

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Im Rahmen einer militärischen Übung sollte eine aus zwei zivilen -PC-9/B- Flugzeugen bestehende Formation simulierte Angriffe auf bodengebundene Kräfte der Flugabwehr der Bundeswehr . Bei der an zweiter Position fliegenden PC- 9/B kam es zu einem Vogelschlag. Bei dem anschließenden Aufprall auf den Boden wurden die beiden Insassen des Flugzeuges tödlich verletzt.

Identifikation

  • Art des Ereignisses: Unfall
  • Datum: 27. September 2012
  • Ort: Warbelow bei Gnoien
  • Luftfahrzeug: Flugzeug
  • Hersteller / Muster: / PC-9/B
  • Personenschaden: beide Piloten tödlich verletzt
  • Sachschaden: Luftfahrzeug zerstört
  • Drittschaden: keiner

Ereignisse und Flugverlauf

Die beiden Pilatus-PC-9- starteten um 12:25 Uhr am Flughafen Neubrandenburg. Der Flug führte zu einem Übungsgelände für Flugabwehrkräfte der Bundeswehr ca. 30 km nordöstlich des Flughafens Rostock-Laage.

Um 12:29:23 Uhr meldete sich der verantwortliche (PIC) der an erster Stelle fliegenden PC-9/B (Formationsführer) auf der Frequenz der militärischen Radarflugmelde- und Leitzentrale (Control and Reporting Centre (CRC)). Er teilte dem Jägerleitoffizier mit: „[…] coming in as flight for stinger operation.“ Der Jägerleitoffizier fragte: „Okay […] copied, confirm you will stay in close formation all the time?“ Daraufhin erhielt er die Antwort: „That is affirmative, trailing formation by half a mile most of the time.“

Aus den aufgezeichneten Radardaten des CRC ging der Flugweg des ersten der beiden PC-9/B hervor. Zwischen 12:30 und 13:06 Uhr wurden sechs Anflüge auf die Stellung der Flugabwehrkräfte aus verschiedenen Richtungen aufgezeichnet. Um 13:06:45 Uhr befand sich das führende Flugzeug beim siebten Anflug drei Kilometer südlich der Ortschaft Gnoien in einer Höhe von 1.450 ft AMSL (ca. 1.300 ft GND). Die Geschwindigkeit über Grund betrug laut Radardaten etwa 215 kt. Der weitere Flugweg führte zunächst in südöstliche Richtung.

Um 13:08:36 Uhr begann das Flugzeug nach links in nordnordwestliche Richtung zu kurven. Zu diesem Zeitpunkt betrug die Flughöhe etwa 1.550 ft AMSL (1.500 ft GND) und die Geschwindigkeit lag bei ca. 208 kt. Zehn Sekunden später begann das Luftfahrzeug zu sinken, flog im Bereich südlich der Ortschaft Dargun ab 13:09:06 Uhr für etwa zwanzig Sekunden in ca. 1.050 ft AMSL (1.000 ft GND) und ging dann wieder in den Sinkflug über. Innerhalb von 55 Sekunden, um 13:10:21 Uhr hatte das Flugzeug etwa einen Kilometer nördlich der Ortschaft Finkenthal eine Flughöhe von etwa 250 ft AMSL (200 ft GND) erreicht. In der Phase des Sinkfluges betrug die Geschwindigkeit etwa 245 kt über Grund.

Laut Radardaten flog die erste PC-9/B dann für etwa 15 Sekunden in der Höhe von 250 ft AMSL mit ca. 270 kt über Grund. Zwischen 13:10:36 Uhr und 13:11:12 Uhr stieg das Flugzeug östlich der Stellung der Flugabwehrkräfte auf ca. 1.850 ft AMSL mit anschließendem 15-sekündigem Sinkflug auf etwa 350 ft AMSL. Um 13:11:30 Uhr war der Angriff der ersten PC-9/B beendet und das Flugzeug stieg auf zunächst 1.000 ft und dann auf etwa 1.500 ft AMSL.

Um 13:11:34 Uhr begannen Funkgespräche zwischen Bodenstellen darüber, dass eine der PC-9 abgestürzt sei. Um 13:13:05 Uhr informierte der Jägerleitoffizier den Formationsführer über die Absturzmeldung und fragte: “ … confirm that ́s a fake?“ Daraufhin begann der Formationsführer nach dem zweiten Flugzeug zu suchen und versuchte Funkverbindung herzustellen. Um 13:20:41 Uhr informierte der Formationsführer den Jägerleitoffizier, dass er die Absturzstelle entdeckt habe und gab die Koordinaten weiter.

Der BFU liegen die Aussagen dreier Soldaten vor, die jeweils als Truppführer der Flugabwehrkräfte tätig waren. Einer der drei Soldaten hatte die anfliegenden Luftfahrzeuge durch sein Doppelfernglas beobachtet, die beiden anderen mit bloßen Augen. Sie hatten die aus südlicher Richtung seitlich versetzt anfliegenden oberhalb eines Waldgebietes wahrgenommen. Das aus Sicht der Zeugen linke Flugzeug sei dann in östliche Richtung abgedreht. Das rechte Flugzeug sei zur gleichen Zeit in westliche Richtung gekurvt, habe dann kurz hochgezogen, sich um die Längsachse gedreht und sei aufgeprallt.

Nach den Aussagen der beiden Piloten, die die PC-9-Formation anführten, war geplant gewesen, dass das zweite Flugzeug in einem Abstand von ca. 0,5 bis einer nautischen Meile (NM) hinter dem Ersten sollte, um unabhängig Angriffe fliegen und den am Boden befindlichen Flugabwehrkräften einen Zielwechsel ermöglichen zu können. Die Besatzung gab an, dass sie, nachdem der Jägerleitoffizier sie über den beobachteten Absturz informiert hatte, begann, nach dem zweiten Flugzeug zu suchen. Nachdem die Unfallstelle ausgemacht war, gab sie deren Koordinaten an die Flugsicherung weiter und kreiste bis zum Eintreffen eines Rettungs- und eines Polizeihubschraubers über der Unfallstelle. Anschließend flog das Luftfahrzeug zum Heimatflugplatz und landete dort um 14:08 Uhr.

Ein Zeuge befand sich im Bereich eines Waldstücks. Er beobachtete, dass das Flugzeug aus südöstlicher Richtung kommend in geringer Höhe flog. Der Zeuge gab an, dass in dem Waldgebiet, unweit einer Hühnerfarm, zwei oder drei Greifvogelpaare (Seeadler), nisteten. Nach seinen Angaben flogen fünf oder sechs dieser Tiere auf dem Flugweg des Luftfahrzeuges. Er habe dann gesehen, dass das Flugzeug mit einem Vogel kollidierte und in Richtung Boden stürzte, bis es hinter dem Wald verschwand. Das Luftfahrzeug prallte auf einen Acker. Die beiden Insassen wurden tödlich verletzt, das Flugzeug zerstört.

Angaben zu Personen

Verantwortlicher Luftfahrzeugführer

Der 57-jährige war im Besitz einer Lizenz für Berufspiloten (CPL(A)) nach JAR-FCL deutsch, erstmalig ausgestellt am 11.02.1997, gültig bis 22.11.2015. In seiner Lizenz war die Berechtigung für das Muster PC9/PC7MKII, gültig bis 16.04.2013, und die Instrumentenflugberechtigung eingetragen. Sein medizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 wurde am 06.10.2011 ausgestellt und war bis 10.10.2012 gültig.

Der Pilot hatte eine Gesamtflugerfahrung von ca. 7.893 Stunden, davon etwa 1.393 Stunden auf dem Muster. Im Jahr 2012 hatte er auf dem Muster 251 Stunden absolviert.

Zweiter Flugzeugführer

Der 59-jährige Pilot besaß einen Luftfahrerschein für Verkehrspiloten (ATPL(A)) nach den Richtlinien der ICAO, erstmalig ausgestellt am 07.09.1994, gültig bis 28.12.2014. In seiner Lizenz war die Berechtigung für das Muster PC9/PC7MKII, gültig bis 28.12.2012, die Instrumentenflugberechtigung und außerdem die Kunstflugberechtigung und die Schleppberechtigung ohne Fangschlepp eingetragen. Sein medizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 wurde am 19.12.2011 ausgestellt und war bis 28.01.2013 gültig.

Der Pilot hatte eine Gesamtflugerfahrung von ca. 8.996 Stunden, davon etwa 2.052 Stunden auf dem Muster. Im Jahr 2012 hatte er auf dem Muster ca. 270 Stunden absolviert. Neben seinen fliegerischen Aufgaben war der Pilot im Unternehmen des Luftfahrzeughalters für den Bereich Qualitätsmanagement Flugbetrieb zuständig.

Angaben zum Luftfahrzeug

Bei dem Flugzeug Pilatus PC-9/B handelte es sich laut Gerätekennblatt um einen einmotorigen Tiefdecker in Ganzmetallbauweise mit einem gestuften, zweisitzigen Cockpit in Tandemanordnung sowie einziehbarem Fahrwerk. Das Luftfahrzeug wurde von einem Propellerturbinentriebwerk angetrieben. Das Muster war nach FAR 23 in der Kategorie Acrobatic zugelassen. Als Mindestbesatzung war ein Pilot festgelegt.

Das Flugzeug war in Deutschland als ziviles Luftfahrzeug zum Verkehr zugelassen.

  • Hersteller: Pilatus
  • Muster: PC-9/B
  • Werknummer: 167 Baujahr:
  • 1990 MTOM: 2.500 kg
  • Triebwerk: Pratt & Whitney Canada PT6A-62
  • Propeller: HC-D4N-2A/D9512

Die Gesamtbetriebszeit des Luftfahrzeuges betrug 6.159 Stunden bei 3.544 Zyklen. Am 22.11.2011 wurde zuletzt eine Bescheinigung über die Prüfung der Lufttüchtigkeit ausgestellt. Am 20.09.2012 wurde bei einer Betriebszeit des Luftfahrzeuges von 6.142 Stunden eine 150-Stunden-Kontrolle durchgeführt.

Das Flugzeug verfügte über zwei Satellitennavigationsgeräte Bendix/King KLN-900. Das Luftfahrzeug war zur Verhütung von Kollisionen mit einem Traffic and Collision Alert Device (TCAD) ausgerüstet. Nach Angaben des Halters wurde bei Formationsflügen der Transponder des nachfolgenden Flugzeuges auf STANDBY geschaltet, um Fehlwarnungen des TCAD zu vermeiden. Als Notsender (Emergency Locator Transmitter, ELT) war ein Kannad 406 AF eingebaut. Das Gerät war fest im hinteren Rumpf installiert und mit einer im Seitenleitwerk des Flugzeuges angebrachten Antenne verbunden.

Schleudersitze

Das Luftfahrzeug war mit zwei Schleudersitzen Martin Baker Mk11 ausgerüstet. Laut dem Kennblatt (Type Certificate Data Sheet) für das Muster PC-9 des schweizerischen Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) konnten die Sitze in einem Geschwindigkeitsbereich von 60-400 KIAS und in einem Höhenbereich zwischen 0 und 40.000 ft betrieben werden.

Im hinteren Cockpit befand sich das Command Selector Valve. Das Ventil kann in die Stellung „ON“ geschaltet werden, um vom hinteren Pilotensitz aus die Sitze gemeinsam zu aktivieren. In der Ventilstellung „OFF“ konnten die Schleudersitze individuell aktiviert werden.

An der Vorderseite der Sitzpfanne befand sich mittig der Auslösegriff (Seat Firing Handle). Dieser konnte für den Bodenbetrieb mit einem Sicherungsstift gesichert werden. Für die Aktivierung und den Ausschuss waren in jedem der Sitze neun Kartuschen (Cartridges) verbaut.

Meteorologische Informationen

Zur Unfallzeit herrschten Tageslicht und Sichtwetterbedingungen. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) waren am -Laage um 13:00 Uhr folgende Wetterbedingungen:

  • Wind: 210°/ 9 kt
  • Sicht: 20 km
  • Bewölkung: 4 Achtel in 3 000 ft AGL
  • Temperatur: 15 °C
  • Luftdruck (QNH): 1.004 hPa

Am Flughafen Neubrandenburg herrschten um 13:00 Uhr folgende Wetterbedingungen:

  • Wind: 230°/ 13 kt
  • Sicht: 18 km
  • Bewölkung: 5 Achtel in 2.100 ft AGL und 6 Achtel in 2 600 ft AGL
  • Temperatur: 14 °C

Navigationshilfen

In der ICAO-Luftfahrtkarte 1:500.000 waren Gebiete mit hohen Vogelbeständen mit erheblicher Vogelschlag- und Störungsgefahr (Aircraft Relevant Bird Area (ARA)) verzeichnet. Unmittelbar nordöstlich der Unfallstelle befand sich die ARA Trebeltal (ID 92) (ganzjährig aktiv) und südöstlich der Unfallstelle die ARA Kumerower See (ID 91) (August bis April aktiv). Abb. 2 zeigt den Auszug einer ICAO-Karte mit den Aircraft Relevant Bird Areas 91 und 92 (Quelle: Flugsicherung).

Funkverkehr

Der Funkverkehr zwischen dem Formationsführer und dem Jägerleitoffizier und die Koordinationsgespräche zwischen dem CRC und der militärischen Übungsleitung wurden aufgezeichnet und standen der BFU für die Untersuchung zur Verfügung.

Flugdatenaufzeichnung

Der BFU standen von der Bundeswehr aufgezeichnete Radardaten zur Auswertung zur Verfügung. Dabei handelte es sich um Sekundärradarinformationen des die Formation anführenden Flugzeuges.

Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug

Das Flugzeug war mit einer Flugrichtung von ca. 290° auf einem bestellten Acker etwa 225 Meter nordwestlich eines Mischwaldes aufgeprallt. Die erste Bodenberührung erfolgte mit der linken Tragfläche. Das Titelbild zeigt die Unfallstelle mit Blick in südöstliche Richtung, den Vogelkadaver, das linke Querruder und ein Propellerblatt (Foto: Polizei).

In diesem Bereich lagen unter anderem das linke Querruder, Teile des linken Höhenleitwerks und ein Propellerblatt. Neben dem linken Querruder wurde ein 56 mal 20 mal 10 cm großes, 1,26 kg schweres Teil eines Greifvogelkadavers gefunden. Bei dem Greifvogel handelte es sich um einen Fischadler.

Etwa 50 Meter nach der ersten Bodenberührung wurden das rechte Querruder des Flugzeuges, Teile der Oberseite der linken Tragfläche und das linke Hauptfahrwerkbein gefunden. Ca. 60 Meter nordwestlich der ersten Bodenberührung lagen das Höhenleitwerk und Teile der rechten äußeren Tragfläche. In einer Entfernung von ca. 80 Meter von der ersten Berührung wurde das Instrumentenbrett des vorderen Cockpits gefunden. Die beiden Schleudersitze mit den Leichen der Piloten lagen etwa 125 Meter von der ersten Bodenberührung des Flugzeuges entfernt, ca. 5 bzw. 10 Meter südöstlich des Hauptwracks. Abb. 3 zeigt eine Übersicht der Unfallstelle entgegen der Anflugrichtung (Foto: Polizei/BFU).

Das Hauptwrack mit Triebwerk, Bugfahrwerk, Rumpf und Seitenleitwerk lag in einer Entfernung von ca. 130 Meter von der ersten Bodenberührung. Das Instrumentenbrett aus dem hinteren Cockpit lag ca. 5 Meter nördlich des Hauptwracks. Abb. 4 zeigt das Tragflächenteil mit Blutantragungen auf der Innenseite.

Etwa 500 Meter östlich der ersten Bodenberührung des Hauptwracks lag ein Teil der linken Tragfläche in einem Mischwald. Es handelte sich um die Tragflächenspitze, die ca. 0,70 Meter von der Spitze entfernt entlang einer Nietreihe abgerissen war. Im Bereich der Tragflächenvorderkante wies das Teil auf der Oberseite der Tragfläche eine etwa 15 mal 15 cm große, ca. 5 cm tiefe Delle auf. Die Beplankung der Tragfläche war entlang einer an der Rippe verlaufenden Nietreihe abgetrennt. Der Hauptholm war gebrochen. Auf der Innenseite der Tragflächenoberseite befanden sich Blutantragungen. Das am hinteren Holm montierte Lager des Querruders war abgetrennt.

Bei beiden Schleudersitzen war der Sicherungsstift an dem Auslösegriff entfernt. Einer der Sicherungsstifte befand sich in der dafür vorgesehenen Halterung am Rahmen der Kabinenhaube. Das Command Selector Valve im hinteren Cockpit für die gemeinsame Aktivierung der Schleudersitz-Sequenz stand in Stellung „OFF“. Sämtliche im Flugzeug und in den beiden Schleudersitzen eingebauten Kartuschen waren mit der handschriftlichen Aufschrift 06/14 versehen.

Der Auslösegriff des vorderen Schleudersitzes war abgerissen. Keine der neun Kartuschen war gezündet. Der Schalter für das ELT im Cockpit befand sich in der Stellung „ARMED“. Das ELT lag ca. acht Meter südöstlich des Hauptwracks und war aktiviert. Das Antennenkabel war abgerissen.

Brand

Es gab keinen Hinweis auf ein Feuer im Flug oder nach dem Unfall.

Überlebensaspekte

Die Leichen der beiden Piloten wiesen schwerste mechanische Verletzungen auf.

Organisationen und deren Verfahren

Durchführung von Flugzieldarstellungsflügen

Seit Jahren beauftragte die Bundeswehr zivile Unternehmen mit der Durchführung von Flugzieldarstellungsflügen. Im Bereich der Flugzieldarstellung mit bemannten Luftfahrzeugen waren dies Unternehmen, die Flugzeuge der Muster Pilatus PC-9, Learjet oder Douglas A-4 betrieben. Die Auswahl des jeweiligen Unternehmens richtete sich nach dem für die Ausbildungsaufgabe erforderlichen Geschwindigkeitsbereich des Flugziels.

Zur Zeit des Flugunfalls oblag laut „Grundsätzliche Weisung Flugzieldarstellung Bundeswehr“ vom 20.02.2007 die Gesamtplanung des Einsatzes der Flugzieldarstellung dem Streitkräfteunterstützungskommando (SKUKdo) der Bundswehr als Fachkommando für streitkräfte- und bundeswehrweite Fachaufgaben. Das SKUKdo war federführend zuständig für das Prozessmanagement der bemannten und unbemannten Flugzieldarstellung in der Bundeswehr bei der Planung, Befehlsgebung, Durchführung und Kontrolle. Nach Auskunft der Bundeswehr wurde bei dem zivilen Unternehmen von der Bundeswehr keine gesonderte Zulassung, Überwachung oder Analyse von Flugsicherheitsrisiken durchgeführt.

Halter des Flugzeuges

Halter des Flugzeuges war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Zweck des Unternehmens war laut Betriebshandbuch die Durchführung von Flugzieldarstellung und Erprobungsflügen im Auftrag des Bundesministers der Verteidigung für die Teilstreitkräfte Heer, Marine, Luftwaffe und angegliederte Dienststellen wie WTD (Wehrtechnische Dienststellen). Das Unternehmen war nicht als Luftfahrtunternehmen zugelassen.

Im Unternehmen existierte ein Flugbetriebshandbuch. Im Vorwort des Handbuches wurde darauf hingewiesen, dass dieses nach den Regelungen für Luftfahrtunternehmen (JAR-OPS 1) erstellt worden sei. Das Unternehmen beschäftigte Piloten, die in der Regel zuvor bei der Bundeswehr als Militärluftfahrzeugführer tätig gewesen waren.

Zusätzliche Informationen

Informationen über Vogelschläge in Deutschland

Laut Statistik des Deutschen Ausschusses zur Verhütung von Vogelschlägen im Luftverkehr (DAVVL) ereigneten sich in Deutschland in den Jahren 2000-2010 durchschnittlich 654 Vogelschläge pro Jahr. Die durchschnittliche jährliche Vogelschlagrate in diesem Zeitraum betrug 4,34 Vogelschläge pro 10.000 Flugbewegungen. Die jährliche Schadensrate (Schäden pro 10.000 Flugbewegungen) in den Jahren 2000-2010 lag im Mittel bei 0,65. Die überwiegende Zahl der Vogelschläge (ca. 80 Prozent) ereignete sich nach Angaben des DAVVL in Flughöhen unterhalb 1.000 ft über Grund.

Fischadler (Pandion haliaetus)

Der Fischadler hat eine Körpergröße von 55-58 cm und eine Flügelspannweite zwischen 145 cm und 170 cm. Männliche Tiere können ein Gewicht von 1.120 g-1.740 g (Ø 1.450 g) und weibliche Tiere 1.500 g-2.100 g (Ø 1.812 g) erreichen.1

Vogelschlagtests durch den Flugzeughersteller

In den Bauvorschriften FAR/JAR/CS23 gab es für die Kategorien Normal, Utility und Acrobatic keine Forderungen in Bezug auf die Vogelschlagtoleranz. Der Flugzeughersteller führte ein Testprogramm zum Nachweis der Widerstandsfähigkeit der Kabinenhaube der PC-9 gegen Vogelschlag durch. Im Ergebnis stellte der Hersteller fest:

Based on the test results it is possible to predict the following bird strike resistance of the PC-9 canopy

a) 144 KTAS with a 4 lb bird (this speed corresponds to the optimum climb speed at sea level)

b) 204 KTAS with a 2 lb bird (this speed corresponds nearly to the design maneuvering speed vA at sea level)

c) 288 KTAS with a 1 lb bird (this speed is 20 kt above the maximum horizontal speed at sea level)

Berechnungen durch die BFU

Eine Berechnung der Aufprallenergie eines Vogelschlages erfolgt mit der Formel für die kinetische Energie: E = (1⁄2)*mv2. An der Unfallstelle wurde ein Teil des Vogelkadavers mit einer Masse von 1,26 kg gefunden. Zu dem Geschlecht und dem geschätzten Gewicht des Vogels liegen der BFU keine Angaben vor. Unter der Annahme eines Gewichts eines Fischadlers von durchschnittlich 1,45 kg (männliches Tier) bzw. 1,812 kg (weibliches Tier) und der aus den Radardaten errechneten Geschwindigkeit des Flugzeuges von 270 kt hätte bei der Kollision die Aufprallenergie 13.987 J bzw. 17.480 J betragen.

Beurteilung

Das in großer Entfernung vom Hauptwrack gefundene äußere Teil der linken Tragfläche zeigt, dass dieses bereits im Fluge abgetrennt worden war. Die Beschädigungen von der Tragflächenvorderkante nach hinten sowie die Blutantragungen im Inneren der Tragflächenstruktur einerseits und die an der Unfallstelle gefundenen Reste des Greifvogelkadavers andererseits zeigen eindeutig, dass es zu einem Vogelschlag an der linken Tragfläche gekommen war. Der Vogelschlag ereignete sich an der Nietverbindung der Tragfläche.

In der Folge wurden das äußere Tragflächenteil sowie das Querruderlager abgetrennt. Der Verlust des Tragflächenteils führte zu einer Störung des Auftriebsverhaltens verbunden mit einer schnellen Drehbewegung um die Längsachse und durch das ebenfalls schwer beschädigte Querruder zu einer Beeinträchtigung der Steuerung.

Die an der Unfallstelle sehr deutlich ausgeprägte Spur der ersten Bodenberührung des Luftfahrzeuges und die fächerförmige Wrackverteilung sind typisch für einen Aufprall mit großer Vorwärtsgeschwindigkeit und geringem Aufprallwinkel. Aufgrund der Schwere der beim Aufprall des Luftfahrzeuges auf den Boden erlittenen Verletzungen war der Flugunfall für die Insassen nicht überlebbar.

Flugbetriebliche Aspekte

Die vorliegenden Radardaten dokumentieren insgesamt sieben Anflüge der Stellung der Flugabwehrkräfte. Die Radardaten dokumentierten nur den Flugweg des ersten der beiden anfliegenden PC-9/B. Der Grund dafür liegt darin, dass der Transponder des verunfallten Flugzeuges auf STANDBY geschaltet war. Die Informationen über den geplanten Übungsablauf, der Funkspruch des Piloten und die Beobachtungen der Zeugen sprechen nach Auffassung der BFU jedoch dafür, dass Fluggeschwindigkeit und Höhenprofil der später verunfallten PC-9/B auch beim siebten Anflug weitestgehend identisch mit dem des ersten Flugzeuges war. Erst kurz vor Erreichen der Stellung teilten sich die Flugwege der beiden Luftfahrzeuge. Ziel der Manöver beider PC-9/B-Piloten war es unter anderem, für die übenden Flugabwehrkräfte hohe Winkelgeschwindigkeiten zu erreichen, um deren Zielerfassung zu erschweren.

Während die erste PC-9/B östlich der Stellung einen steilen Steigflug mit anschließendem steilen Sinkflug durchführte, flog die später verunfallte PC-9/B in eine Linkskurve Richtung Westen. Aus den Radardaten ergab sich somit, dass das Flugzeug zur Zeit des Flugunfalls mit einer Geschwindigkeit von etwa 270 kt in einer Höhe von ca. 200 ft über Grund flog. Aus dem Abstand zwischen dem Fundort des abgetrennten Teils der linken Tragfläche und der ersten Bodenberührung sowie der Geschwindigkeit des Flugzeuges ergab sich, dass der Aufprall des Flugzeuges 3,6-3,9 Sekunden nach der Kollision mit dem Vogel erfolgte.

Spezifische Bedingungen

Beide Piloten besaßen die für den Flug vorgeschriebenen Lizenzen und Berechtigungen. Beide verfügten über eine große Flugerfahrung sowohl insgesamt als auch auf dem Muster. Sie waren aufgrund ihrer militärischen und der Erfahrung im Unternehmen mit der Durchführung solcher Zieldarstellungsflüge und den entsprechenden Verfahren vertraut.

Die herrschenden, sehr guten Sichtflugwetterbedingungen hatten keinen ursächlichen Einfluss auf den Flugunfall. Die Unfallstelle befand sich unweit eines in der Luftfahrtkarte ICAO 1:500.000 eingetragenen Gebietes mit hoher Vogelkonzentration. Der Flug unterschied sich nach Ansicht der BFU sehr deutlich von dem Sichtflug (VFR)-Betrieb der allgemein in der gewerblichen wie der privaten Luftfahrt durchgeführt wird. Das Flugprofil entsprach dem militärischer Luftfahrzeuge.

Das Flugzeug befand sich zum Zeitpunkt des Vogelschlages in einer sehr geringen Flughöhe und damit in einem Höhenband, in dem sich die weitaus meisten Vogelschläge ereignen. Das Flugzeug flog in dieser geringen Höhe mit einer im Vergleich zu anderen zivilen Luftfahrzeugen sehr hohen Geschwindigkeit. Daraus und in Kombination mit der Masse des Tieres resultierten die hohe Aufprallenergie und damit der hohe Zerstörungsgrad beim Vogelschlag. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit verringerte sich sowohl für den Piloten als auch für den Vogel zudem die Zeitspanne, eventuell eine drohende Kollision zu erkennen und auszuweichen.

Sicherheitsmechanismen

Die Sicherungsstifte an den beiden Schleudersitzen, die ein versehentliches Betätigen am Boden verhindern sollen, waren vor Beginn des Fluges entfernt worden, so dass die Schleudersitze einsatzbereit waren. Grundsätzlich befand sich das Flugzeug zum Zeitpunkt des Vogelschlages in Bezug auf Flughöhe und -geschwindigkeit innerhalb des Betriebsbereiches der Schleudersitze.

Es fanden sich jedoch keine Hinweise darauf, dass die Piloten versucht haben, den Schleudersitz zu betätigen. Nach Auffassung der BFU reichte aufgrund der plötzlichen schnellen Drehbewegung und der sehr geringen Flughöhe die Zeit dafür nicht aus.

Organisatorische Einflussfaktoren

Die Bundeswehr verfügt nicht über eigene Hochleistungsturboprop-Flugzeuge, die vergleichbar mit einer PC-9/B z. B. als Trainer oder auch für bestimmte Zieldarstellungsaufgaben eingesetzt werden können. Zudem dient ein Einsatz von zivilen Luftfahrzeugen bei der Durchführung von derartigen Übungen im Vergleich zum Einsatz von Kampfflugzeugen der Kostenminimierung. Die Bundeswehr bediente sich dabei verschiedener Dienstleistungsunternehmen. Flugzeuge, die nach FAR/JAR/CS23 Bauvorschriften zugelassen sind, verfügen jedoch im Bereich der Festigkeit unter anderem gegenüber einem Kampfflugzeug über eine deutlich geringere Vogelschlagtoleranz.

Schlussfolgerungen

Der Flugunfall ist auf folgende Ursachen zurückzuführen:

Unmittelbare Ursachen

  • Das Flugzeug wurde aufgrund eines Vogelschlages an der Tragfläche schwer beschädigt. Dadurch waren die Auftriebsverteilung gestört und die Quersteuerung ausgefallen und es kam zu einem Kontrollverlust.
  • Aufgrund der plötzlichen Drehbewegung und der geringen Flughöhe reichte die Zeit zu einem Betätigen der Schleudersitze nicht aus.

Systemische Ursachen

  • Flug in einem Höhenband mit hoher Vogelkonzentration
  • Flug mit hoher Geschwindigkeit
  • Einsatz von CS-23-Flugzeugen in militärischen Flugprofilen

Sicherheitsempfehlungen

Zur Verhütung weiterer Flugunfälle hat die BFU folgende Sicherheitsempfehlung herausgegeben:

Empfehlung Nr.: 05/2015

Das Luftfahrtamt der Bundeswehr (LufABw) sollte sicherstellen, dass Unternehmen, die als zivile Vertragspartner der Bundeswehr Flugzieldarstellung durchführen hinsichtlich ihres Flugbetriebes und ihrer Flugsicherheitsorganisation höchsten Standards der Bundeswehr genügen.

Für den Fall, dass das beauftragte Dienstleistungsunternehmen nicht über ein Luftverkehrsbetreiberzeugnis (AOC) durch eine zivile Luftfahrtbehörde verfügt, sollte das LufABw sicherstellen, dass das Dienstleistungsunternehmen so organisiert ist, dass Risikoanalysen seiner flugbetrieblichen Aktivitäten im Bereich der Flugzieldarstellung durchgeführt werden, die geeignet sind, ein hohes Maß an operationeller Sicherheit zu gewährleisten.

Für den Fall, dass es sich bei dem mit der Flugzieldarstellung beauftragten Dienstleister um ein durch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) zugelassenes ziviles Luftfahrtunternehmen handelt, sollte zwischen dem LufABw und dem LBA ein regelmäßiger Informationsaustausch zu speziellen operationellen und Flugsicherheitsthemen organisiert werden, um das LBA diesbezüglich zu unterstützen.

1. Quelle: Bauer, H.-G., Bezzel, E., Fiedler, W. (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz – Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel. 2. Auflage, Wiebelsheim: Aula-Verlag, 808 S.

Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, Ortszeit. Quelle und Bilder, wenn nicht anders angegeben: BFU