Am Flughafen Nürnberg kam es um ca. 14:19:25 Uhr des 14. Mai zu einer Annäherung zwischen einer nach Instrumentenflugregeln (IFR) fliegenden Boeing 737-800 und einem unbekannten Segelflugzeug. Der verantwortliche Pilot (PIC) der Boeing gab den geringsten Abstand mit ca. 100 bis 150 Meter horizontal und ca. 150 bis 200 Fuß vertikal an. Auf den für die Untersuchung zur Verfügung stehenden Radardaten war kein Radarziel zu erkennen, welches dem unbekannten Segelflugzeug zugeordnet werden konnte. Die Boeing 737-800 befand sich auf einem IFR-Flug von Antalya (Türkei) nach Nürnberg. Im Flugzeug befanden sich sechs Besatzungsmitglieder und 113 Passagiere.
Identifikation
- Art des Ereignisses: Schwere Störung
- Datum: 14. Mai 2015
- Ort: Anflugbereich Verkehrsflughafen Nürnberg,
- Luftraum E
- Luftfahrzeug(e): 1. Flugzeug; 2. Segelflugzeug
- Hersteller / Muster: 1. Boeing Commercial Airplane Group / Boeing 737-800; 2. unbekannt
- Personenschaden: Keiner
- Sachschaden: Keiner
- Drittschaden: Keiner
Ereignisse und weiterer Flugverlauf
Um 14:11:06 Uhr meldete sich die Besatzung der Boeing 737 bei München Radar und erhielt die Freigabe von Flugfläche (FL) 180 auf FL 110 zu sinken. Um 14:13:29 Uhr erteilte der Radarlotse die Freigabe auf FL 70 zu sinken. Um 14:18:58 Uhr erhielt die Besatzung die Freigabe auf 6.000 ft AMSL zu sinken. Um 14:19:30 Uhr meldete die Besatzung der Boeing die Annäherung mit dem Segelflugzeug. Der Lotse antwortete, dass er kein entsprechendes Radarziel auf seinem Sichtgerät sehen könne.
Der PIC der Boeing sagte aus, dass er und sein Copilot ca. zehn Sekunden vor dem Ausweichmanöver ein Objekt leicht links von ihrem Flugweg ausgemacht hätten. Kurz danach hätten sie ein Segelflugzeug erkannt, welches sich im rechten Kurvenflug, vermutlich im Steigflug, befand. Nach Einschätzung des PIC hätte der bisherige Flugweg zu einer Kollision geführt. Daher habe der er den Autopiloten deaktiviert und ein Ausweichmanöver eingeleitet.
Die Flugschreiberdaten der Boeing dokumentieren, dass der Autopilot um 14:19:25 Uhr deaktiviert wurde und sich der Steuerkurs durch Betätigung des Steuerhorns von 300 Grad auf 308 Grad veränderte. Zusätzlich wurde die Sinkrate verringert und der Sinkflug bei 6.200 ft AMSL gestoppt. Der Insasse des Segelflugzeuges war nach Aussage des PIC deutlich erkennbar. Das Segelflugzeug habe die Boeing unter der linken Tragfläche passiert. Der zuständige Fluglotse sagte aus, dass von dem Segelflugzeug weder ein Sekundärziel noch ein Primärziel angezeigt wurde.
Die Boeing landete anschließend auf dem Verkehrsflughafen Nürnberg.
Angaben zu Personen
Besatzung Boeing 737-800
PIC
Der 38-jährige verantwortliche Pilot war im Besitz der Lizenz für Verkehrspiloten (ATPL(A)), ausgestellt nach den Richtlinien der ICAO und Part-FCL durch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA), gültig bis 31.05.2016. Er hatte eine Flugerfahrung von mehr als 5.400 Stunden.
Copilot
Der 34-jährige Copilot war im Besitz der Lizenz für Berufspiloten (CPL(A)), ausgestellt nach den Richtlinien der ICAO und Part-FCL durch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA), gültig bis 31.03.2016. Er hatte eine Flugerfahrung von mehr als 5.300 Stunden.
Besatzung Segelflugzeug
Der Pilot des Segelflugzeuges konnte nicht ermittelt werden.
Flugsicherung
Der 23-jährige verantwortliche Fluglotse war im Besitz des Erlaubnisscheines für Fluglotsen (Anflug- und Bezirkskontrolle, einschl. FIS), ausgestellt durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF), gültig bis 21.11.2015.
Angaben zu den Luftfahrzeugen
Boeing 737-800
Bei dem betroffenen Muster handelt es sich um zweimotoriges Verkehrsflugzeug mit Mantelstromtriebwerken. Es kommt vorrangig auf Kurz- und Mittelstrecken zum Einsatz. Das Flugzeug war in Deutschland zum Verkehr zugelassen und wurde durch ein deutsches Luftfahrtunternehmen betrieben.
Segelflugzeug
Das beteiligte Segelflugzeug konnte nicht ermittelt werden.
Meteorologische Informationen
Der Verkehrsflughafen Nürnberg meldete in der Routinewettermeldung (METAR) von 14:20 Uhr folgende Bedingungen:
- Wind: 300°, 7 Knoten
- CAVOK, d.h. mehr als 10 Kilometer Bodensicht, keine signifikante Bewölkung unterhalb 5.000 ft AMSL, keine signifikanten Wettererscheinungen, keine Gewitterwolken
Der verantwortliche Pilot der Boeing beschrieb die Wetterbedingungen in der Luft als gut. Es habe eine aufgelockerte Cumulusbewölkung mit einer Untergrenze zwischen 6.500 ft AMSL FL 70 vorgeherrscht. Unterhalb der Wolkenbasis habe es leichte bis mäßige Turbulenzen gegeben.
Funkverkehr
Der Funkverkehr wurde von der Flugsicherungsorganisation aufgezeichnet und stand für die Untersuchung als Umschrift zur Verfügung.
Radardaten
Die Radardaten wurden von der Flugsicherungsorganisation aufgezeichnet und standen für die Untersuchung zur Verfügung.
Angaben zum Luftraum
Der Luftraum E ist ein kontrollierter Luftraum in dem sowohl Flüge nach Instrumentenflugregeln (IFR) als auch Flüge nach Sichtflugregeln (VFR) stattfinden. IFR-Flüge werden zu IFR-Flügen, nicht aber zu VFR-Flügen gestaffelt. Soweit möglich, erhalten IFR-Flüge Verkehrsinformationen in Bezug auf VFR-Flüge. VFR-Flüge erhalten, soweit möglich, ebenfalls Verkehrsinformationen.
Für VFR-Flüge gelten weiterhin folgende Bedingungen: Fünf km Flugsicht unterhalb FL 100, Abstand zu den Wolken 1,5 km horizontal und 1.000 ft vertikal. Oberhalb von 5.000 ft AMSL besteht für motorgetriebene Luftfahrzeuge Transponderpflicht.
Zusätzliche Informationen
Das Segelflugzeug flog ohne aktivierten Transponder. Somit war es für das Flugsicherungspersonal nicht sichtbar. Auch das in der Boeing 737-800 eingerüstete Kollisionswarnsystem konnte das Segelflugzeug aufgrund fehlender Transponderinformationen nicht erkennen.
Der Untersuchungsbericht wurde an dieser Stelle summarisch abgeschlossen, d.h. ausschließlich mit Darstellung der Fakten.
Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen Ortszeit. Quelle: BFU