Das Deutsche Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) arbeitet an Lösungen, die die Piloten entlasten und so einen Formationsflug von bemannten und unbemannten Hubschraubern erleichtern. Das so genannte „Fliegen im Verband“ wurde nun in realen Flugversuchen untersucht.
Das Fliegen in einer Formation, beispielsweise bei Erkundungsflügen nach Naturkatastrophen, stellt für die Piloten beider Luftfahrzeuge immer eine besondere Herausforderung dar. Ein solcher Verband besteht dabei immer aus mindestens zwei Luftfahrzeugen, die ein Team bilden. Damit dies überhaupt möglich ist, müssen die beteiligten Luftfahrzeuge, sowohl bemannt als auch unbemannt, prinzipiell in der Lage sein, in Formation zu fliegen. „Während unserer Forschungsarbeiten haben wir drei mögliche Arten des Formationsfluges untersucht“, erklärt Andreas Voigt vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik. „Dazu gehören der Wegpunktmodus, die Relative Navigation und der Korridormodus.“
Bevor die realen Flugversuche mit einem unbemannten Hubschrauber der DLR-ARTIS-Familie (Autonomous Rotorcraft Testbed for Intelligent Systems) und dem DLR-Forschungshubschrauber FHS (Flying Helicopter Simulator), einer modifizierten Eurocopter EC135, stattfinden konnten, musste das System ausgiebig im Simulator getestet werden. Die Piloten des DLR erprobten das Assistenzsystem und die drei verschiedenen Modi im Hubschraubersimulator des Simulatorzentrums AVES (Air Vehicle Simulator) und bewerteten es.
Verschiedene Formationsszenarien
Den Anfang jedes gemeinsamen Teamflugs bildet der Pairing Modus. In diesem wird der Ausgangszustand für den Verbandsflug geschaffen: Die Luftfahrzeuge nähern sich einander an und bilden eine stabile Formation. Ist dies geschehen, kann der Pilot beispielsweise in den Wegpunktmodus schalten. Bei diesem fliegt das UAS (Unmanned Aircraft System) einen Pfad anhand von vorgegebenen Wegpunkten exakt ab. Der bemannte Hubschrauber folgt ihm manuell durch den Piloten gesteuert analog zu einem Formationsflug von zwei bemannten Hubschraubern.
Eine andere Möglichkeit ist die relative Navigation. Hier wird der unbemannte Hubschrauber relativ zum bemannten positioniert. Das UAS fliegt automatisch vorweg, passt aber sein Flugverhalten dem des bemannten Hubschraubers an und muss die Position selbstständig halten. „Sinn und Zweck der relativen Navigation ist es, einen Flug im engen Verband zu ermöglichen“, erklärt Voigt. „Sie kann zum Beispiel zur Entlastung der Besatzung bei Überführungsflügen eingesetzt werden.“
Fliegt man eine solch enge Formation ohne ein Assistenzsystem, bedeutet das eine hohe Arbeitsbelastung für die Piloten, da die Position innerhalb des Verbandes immer manuell eingehalten und visuell kontrolliert werden muss. Das von den Wissenschaftlern entwickelte Assistenzsystem übernimmt diese Aufgaben, indem das UAS die Position durch einen Algorithmus von selber hält und die UAS-Position zusätzlich durch ein Antikollisionsdisplay dargestellt wird.
Das dritte Szenario ist der so genannte Korridormodus. Dabei fliegt das UAS einen zuvor berechneten Flugpfad innerhalb eines Korridors ab, der bemannte Hubschrauber folgt ihm in sicherem Abstand. Der Pfad ist nicht so streng festgelegt wie der im Wegpunktmodus. Kommen sich in diesem Szenario bemannter und unbemannter Hubschrauber zu nahe, darf das unbemannte Luftfahrzeug innerhalb des vorgegebenen Korridors frei ausweichen. So können die Flugbewegungen auch entsprechend voneinander abweichen. Das Sagen hat auch hier der bemannte Hubschrauber.
Damit die Arbeitslast für die Piloten möglichst klein gehalten wird, muss das UAS selbständig im Sichtbereich des bemannten Hubschraubers bleiben. Ist dies nicht möglich, schaltet das System automatisch in den Modus der relativen Navigation. Besonders in arbeitsintensiven Situationen soll durch diese Modi die Arbeitslast aufgrund des kooperativen Verhaltens des UAS deutlich reduziert werden. Außerdem ist das UAS in der Lage, im Falle einer kritischen Situation den Formationsflug automatisch zu beenden.
Zwei Modi im Flugversuch bewertet
Danach stand den realen Flugversuchen auf dem Flughafen Magdeburg-Cochstedt nichts mehr im Wege. Der unbemannte superARTIS und der DLR-Forschungshubschrauber FHS flogen in mehreren Versuchen zwei der drei im Simulator erprobten Modi: den Wepunkt- und den Korridormodus.
„Die Erprobung der Modi lief praktisch reibungslos und wir konnten vor allem den vielversprechenden Korridormodus ausgiebig testen. Die offensichtliche Entlastung und die zunehmende Akzeptanz der Piloten hat uns besonders gefreut“, sagt Voigt über die erfolgreichen Flugversuche. „Als nächstes hoffen wir auf eine breiter angelegte Erprobungskampagne in der wir die Modi in weiteren Testmanövern durch externe Piloten bewerten lassen können.“
superARTIS für Formationsflug auf den Bildern
FHS und superARTIS auf dem Vorfeld: Die Flugversuche wurden mit dem FHS und dem superARTIS durchgeführt und kooperatives Verhalten der Drohne erprobt. Dabei wurden die Position- und Geschwindigkeitsdaten übermittelt, um so die gegenseitige situative Wahrnehmung zu verbessern.
Zur Verbesserung der Sicherheit wurde ein Modus entwickelt, der es jederzeit ermöglicht, die Formation zu beenden. Dieser Modus kann durch die Piloten des bemannten Hubschraubers und automatisch durch den unbemannten Hubschrauber ausgelöst werden, sobald eine potentiell gefährliche Situation entsteht. Die Piloten des bemannten Hunschraubers bewerteten das System als positiv und bestätigten eine deutliche Reduzierung des Arbeitsaufwandes.
FHS (Flying Helicopter Simulator) und superARTIS im geregelten Formationsflug: Es wurden mehrere Formationsflugalgorithmen entwickelt und im Flugversuch erprobt. Das Ziel ist es, Formationsflugalgorithmen zu entwickeln, die die Arbeitslast der Hubschrauberbesatzung verringern. Die Drohne reagiert automatisch auf die Bewegungen des bemannten Hubschraubers.
Bodenstationsfahrzeug mit Antennenaufbau zur Überwachung des Flugversuchs: In der Bodenstation wird der gesamte Flugversuch überwacht und geleitet. Die Bodenstation des unbemannten Hubschraubers superARTIS wird hier zur Überwachung untergebracht. Außerdem besteht eine dauerhafte Datenverbindung zu beiden Luftfahrzeugen, um die Verbandsflugalgorithmen zu überwachen.
Der unbemannte Forschungshubschrauber superARTIS (Autonomous Research Testbed for Intelligent Systems): superARTIS wird in den Versuchen als unbemannter Teamingpartner genutzt. Er ist mit einer umfangreichen Instrumentierung ausgestattet. Außerdem verfügt er über einen DLR-eigenen Flugsteuerungsrechner der das Verhalten der Drohne im Formationsflug regelt.
Aufbringen der Bodenmarkierungen zur Definition der Testmanöver: Zur Evaluierung der Verbandsflugalgorithmen wurden diverse Manöver entwickelt, die der bemannte und unbemannte Hubschrauber im Formationsflug durchführen. Die Manöver sind unterschiedlich „schwer“ und testen unterschiedliche Aspekte des Formationsfluges.
FHS (Flying Helicopter Simulator) im Anflug: Der FHS ist ein vom DLR modifizierter Hubschrauber, mit dem moderne Flugregelungsalgorithmen und Steuerungskonzepte erprobt werden. Er verfügt über ein Experimentalsystem, das alle relevanten Messgrößen erfassen kann. Für diese Flugversuche wurde ein Antikollisionsdisplay entwickelt und ein Tablet in den Hubschrauber eingerüstet, um die Drohne steuern und überwachen zu können.
Fliegen im Verband (Bilderserie): Im Rahmen des Projektes Fliegen im Verband wurden Algorithmen entwickelt, um den Verbandsflug von unbemannten und bemannten Hubschraubern zu ermöglichen. Dabei wurden für den bemannten Hubschrauber Anzeigen entwickelt, die eine verbesserte situative Wahrnehmung bereitstellen. Auf der Seite des unbemannten Hubschraubers wurden Algorithmen entwickelt, die ein kooperatives Verhalten des unbemannten Hubschraubers ermöglichen. Diese Algorithmen wurden in zwei Flugversuchskampagnen erprobt und von den Piloten positiv bewertet. Dabei wurden diverse Testmanöver bei bis zu 85 Kilometern pro Stunde erprobt, die anschließend von den Piloten mittels diverser Fragebögen beurteilt wurden.
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