Der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst und seine Teamkollegen der "Expedition"-Mannschaften 40 und 41, der russische Kosmonaut Maxim Suraev und der amerikanische Astronaut Reid Wiseman sind auf der Internationalen Raumstation ISS eingetroffen.
Gerst ist der dritte Deutsche Astronaut an Bord der ISS und der sechste ESA-Astronaut auf einer Langzeitmission auf der Station. Die Crew war gestern Abend um 21:57 Uhr mitteleuropäischer Zeit (01:57 Uhr Ortszeit) an Bord einer Sojus TMA‑09M vom Weltraumbahnhof Baikonur ins All gestartet. Der Flug vom Startplatz in Kasachstan bis zur ISS dauerte sechs Stunden – noch in der Nacht, um 03:44 Uhr mitteleuropäischer Zeit – dockte die Sojus-Kapsel mit der Crew an das Rasswet-Modul der Raumstation.
6.000 Stunden Vorbereitung für sechs Monate Intensiv-Forschung
Um 05:52 Uhr MESZ öffnete sich die Verbindungstür zur ISS. Dort wurden sie von den Kosmonauten Alexander Skworzow und Oleg Artemjew sowie NASA-Astronaut Steven Swanson begrüßt, die als Mitglieder der "Expedition"-Mannschaften 39 und 40 einen Teil der Mission gemeinsam mit ihnen durchführen werden – Alexander Gersts Mission "Blue Dot" hat damit begonnen. Der Name der Mission geht auf die Beschreibung der fernen Erde als "blassen blauen Punkt" durch den amerikanischen Astronomen Carl Sagan zurück, als dieser eine Bildaufnahme der NASA-Sonde Voyager aus sechs Milliarden Kilometern Entfernung von der Erde kommentierte.
"Mit dem Flug von Alexander Gerst wird das deutsche Engagement in der bemannten Raumfahrt konsequent fortgesetzt. In den letzten Jahrzehnten, beginnend mit den Flügen von Sigmund Jähn und Ulf Merbold, haben deutsche Ingenieure und Wissenschaftler mit dazu beigetragen, dass sich der Mensch im Erdorbit etablieren konnte", sagt Prof. Johann-Dietrich Wörner, Vorstandsvorsitzender des DLR.
Alexander Gerst hat es einmal grob überschlagen: Rund 6.000 Stunden hat er für seine Mission weltweit trainiert und sich in Houston, Moskau, Tokio und Köln auf das Leben und Arbeiten in der ISS vorbereitet. Mit dem Start vom kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur hat das Training ein Ende, und Gerst muss seine erworbenen Kenntnisse in seinen sechs Monaten im Weltall anwenden. Während seiner Zeit im All wird Alexander Gerst rund 100 Experimente durchführen.
25 dieser Experimente finden unter Führung deutscher Projektwissenschaftler oder mit deutscher Industriebeteiligung statt. Dazu gehören Experimente des Deutschen Zentrums für Luft– und Raumfahrtforschung (DLR) wie DOSIS-3D zur Charakterisierung der Weltraumstrahlung oder materialwissenschaftliche Experimente im Elektromagnetischen Levitator EML, aber auch Experimente von Forschungseinrichtungen wie der Charité Berlin, der Deutschen Sporthochschule oder dem Fraunhofer Institut für Physikalische Messtechnik sowie von Unternehmen wie Airbus werden auf dem täglichen Stundenplan des 38-jährigen Astronauten stehen.
Aufgaben an Bord:
Raumkapseln einfangen und Wunden NähenNeben seiner Arbeit als "verlängerter Arm" der Wissenschaftler auf der Erde, wird Gerst in dem sechsköpfigen Team in der ISS als Bordingenieur für Wartungs- und Reparaturarbeiten in und an der Raumstation eingesetzt. Er unterstützt die Crew aber auch als "Medical Officer" bei gesundheitlichen Problemen und steht dann mit dem Ärzteteam am Boden in Kontakt. Dafür erhielt er eine medizinische Ausbildung, so dass er Wunden nähen oder auch Zahnfüllungen ersetzen kann.
Auch bei der Ankunft verschiedener Transportraumschiffe ist der deutsche Astronaut im Einsatz: So wird im Juni der Transporter Cygnus des Unternehmens Orbital Sciences an der ISS andocken. Im Juli und September wird das Unternehmen SpaceX jeweils einen Dragon-Transporter mit Fracht an Bord zur Raumstation schicken. Gerst hat dafür das Greifen und Einfangen mit dem an der Außenseite angebrachten Roboterarm trainiert. Am 25. Juli wird planmäßig zudem der europäische Raumtransporter ATV (Automated Transfer Vehicle) "Georges Lemaître" automatisch an der ISS andocken – der deutsche Astronaut wird diesen Vorgang überwachen und im Notfall eingreifen. Das ATV‑5 wird den neuen Laser-Infrarotbildsensor LIRIS testen, der es künftigen Raumfahrzeugen ermöglichen soll, an Zielen wie Raumkapseln oder Weltraummüll anzudocken.
Vorgesehen sind als Höhepunkte der Mission auch Ausstiege aus der ISS, bei denen die Astronauten im mehrstündigen Einsatz Reparaturen und Installationen an der Außenseite der Raumstation durchführen.
Arbeitszeit im Minutentakt durchgeplant
Sechs Arbeitstage in der Woche sind so für ihn im Minutentakt geplant. Dazu kommen noch ein sportliches Pflichtprogramm, freiwilliges Experimentieren in seiner Freizeit, Videokonferenzen und Telefongespräche mit den Kontrollzentren, Familienmitgliedern und Freunden – und auch der Hausputz in der Raumstation. 166 Tage wird Alexander Gerst im All verbringen, bevor er am 10. November 2014 wieder in einer Sojus-Kapsel zur Erde zurückkehren wird.