SpaceX bringt Tumor- und Immunzellen zur ISS

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Im All ist alles anders: Jede noch so kleine Zelle des menschlichen Körpers merkt, dass die Schwerkraft fehlt, auch die Körperfunktionen sind verändert. So schwächt ein Aufenthalt im All auch das Immunsystem der Astronauten.

Warum das so ist, wollen Forscher der Universität Magdeburg in zwei vom Raumfahrtmanagement des DLR organisierten Experimenten auf der Internationalen Raumstation ISS herausfinden. An Bord eines Dragon-Raumschiffs der US-amerikanischen Firma SpaceX sind am 18. April 2014 um 21:25 Uhr MESZ (15:25 Uhr Ortszeit) zwei Zellkulturen vom Weltraumbahnhof in Cape Canaveral (Florida) zur ISS gestartet.

Dragon bringt HD-Kameras für Schülerprojekt

Außerdem hat das Raumschiff eine weitere für das DLR wichtige Fracht an Bord: das HDEV- (High Definition Earth Viewing) der . „Das ist eine Box mit vier HD-Videokameras, die am europäischen Columbus-Modul der ISS angebracht werden“, berichtet Johannes Weppler vom DLR Raumfahrtmanagement. Die Kameras werden als „Augen“ an Columbus Bilder von der aufnehmen, die für das Schülerprojekt „Columbus Eye“ im Rahmen der ISS-Mission „The Blue Dot“ des nächsten deutschen ESA-Astronauten Alexander Gerst genutzt werden können. Gerst soll am 28. Mai 2014 zu einem sechsmonatigen Aufenthalt zur ISS starten.

Die beiden biologischen Experimente der Universität Magdeburg „dienen dazu, zu erforschen, wie menschliche Fresszellen und Schilddrüsenkrebszellen in reagieren. Nach 30 Tagen auf der ISS sollen die Zellkulturen in kleinen Experimentkammern mit der Dragon-Kapsel wieder zur zurückgebracht werden, hier können die Wissenschaftler die Proben dann analysieren“, erklärt DLR-Projektleiter Dr. Markus Braun.

Für und Durchführung der Experimente wurde erstmals ein kommerzieller Dienstleister beauftragt. Die Firma Nanoracks wurde 2008 gegründet, um die Nutzung der ISS zu kommerzialisieren und in den USA für weitere Nutzer zu öffnen. Heute kommt etwa ein Viertel der Einnahmen von der NASA, der weitaus überwiegende Teil aber von Kunden aus aller Welt. Das DLR testet mit der Cellbox-Mission – zusätzlich zur ISS-Nutzung über die ESA und über bilaterale Kooperationen – neue Wege, um deutschen Wissenschaftlern vergleichsweise schnell und kostengünstig Experimentiermöglichkeiten im anzubieten.

Fresszellen jagen Eindringlnge in der

Im Cellbox- werden dabei zwei unterschiedliche Zelltypen eingesetzt: Zum einen Makrophagen, die sogenannten „Fresszellen“ des Immunsystems, zum anderen menschliche Schilddrüsenkrebszellen. Vor dem Start werden die Zellen im Labor vorbereitet und in die Probenkammern eingefüllt. Die Wissenschaftler werden dabei durch ein Team von Defence & Space vor Ort unterstützt.

„Makrophagen wandern durch den Körper und ‚fressen‘ eingedrungene Mikroorganismen und andere körperfremde Substanzen. Im Experiment werden insbesondere bestimmte Oberflächenmoleküle, die für die Erkennung von Fremdkörpern und die Kommunikation zwischen den Zellen zuständig sind, in Schwerelosigkeit und unter erdähnlichen Bedingungen analysiert. Außerdem sollen das Zellskelett und bestimmte Sekretionsprodukte wie beispielsweise Cytokine, die unter anderem Wachstum und Differenzierung von Zellen regulieren, untersucht werden“, fasst DLR-Projektleiter Markus Braun zusammen.

Auf diese Weise können der Zustand der Zellen festgestellt und eventuelle Veränderungen präzise erfasst werden. Denn nur, wenn die zellulären Ursachen für die Immunschwäche in Schwerelosigkeit erkannt sind, können Gegenmaßnahmen in Form von Therapien oder Medikamenten entwickelt werden. Vorversuche bei DLR-Parabelflügen deuten darauf hin, dass die Aktivität der Makrophagen durch veränderte Schwerkraftbedingungen beeinflusst ist. Dies könnte eine Ursache für die beeinträchtigte Immunfunktion beim Menschen im All sein.

Molekulare Veränderungen bei Tumorzellen

Bei dem zweiten „Cellbox“-Experiment stehen Schilddrüsenkrebszellen im Fokus. „Es geht darum, zelluläre und molekulare Veränderungen der Funktionsweise dieser Zellen zu untersuchen, die entstehen, weil die Schwerkraft fehlt. Dieses Wissen wollen die Zellbiologen der Universität Magdeburg nutzen, um neue therapeutische Ansätze für die Tumorbekämpfung zu finden“, erklärt Markus Braun. Die Krebszellen bilden in Schwerelosigkeit dreidimensionale kugelförmige Ansammlungen aus mehreren Tausend Tumorzellen, die dem ursprünglichen Tumor ähneln.

Aus Weltraumexperimenten wie dem deutsch-chinesischen SIMBOX-Projekt wissen die Forscher, dass die Schilddrüsentumorzellen in Schwerelosigkeit die Produktion verschiedenster Proteine aus unterschiedlichen physiologischen Prozessen verändern. So sind Krebszellvermehrung und Metastasierung genauso beeinflusst wie Zelltod, Zellbewegungen und Reizverarbeitung. Diese Ergebnisse sollen nun im Cellbox-Experiment bestätigt und erweitert werden.

Außerdem ist die Neigung der Zellen, in Schwerelosigkeit als kugelförmige Ansammlungen zu wachsen, auch in einem ganz anderen Zusammenhang interessant: „Beim so genannten Tissue Engineering geht es darum, dreidimensionale Gewebe herzustellen“, berichtet Markus Braun. Bisher gelang es den Wissenschaftlern, Gefäß-ähnliche Strukturen in Schwerelosigkeit zu züchten – daran wollen die Forscher auch im Rahmen des Cellbox-Experiments weiterarbeiten.