Der Erdbeobachtungssatellit Sentinel-3A ist am 16. Februar 2016 um 18:57 Uhr MEZ erfolgreich mit einer Rockot-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof in Plesetsk gestartet und stellt die Grundlage dafür dar, wichtige Fragen über unsere Umwelt zu beantworten.
Etwa: Welchen Schwankungen unterliegt der Meeresspiegel? Wie hoch ist die Wasserqualität von Nord- und Ostsee? Welche Rolle spielt der Ozean im Kohlenstoffkreislauf der Erde? Welchen Einfluss hat die Oberflächentemperatur der Meere auf die Ozeanzirkulation? Wie ändert sich Pflanzenproduktivität mit dem Klimawandel? Sentinel-3A ist der erste Teil der Ozeanmission im Copernicus-Programm der Europäischen Kommission und der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Der ESA-Teil wird mit einem Drittel von Deutschland finanziert und vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) betreut. Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR wertet spezielle Daten der Sentinel-3-Mission aus.
Ausblick von 815 Kilometern über der Erde
Nach zwei Triebwerkszündungen, eine ca. fünf und eine weitere etwa 75 Minuten nach dem Start, brachte die Rockot-Oberstufe Sentinel-3A planmäßig auf seine Umlaufbahn. Die Abtrennung des Satelliten von der Trägeroberstufe erfolgte 79 Minuten nach dem Start. Das erste Signal des Satelliten wurde nach 92 Minuten von der Bodenstation Kiruna in Schweden empfangen. Anschließend stellte das ESOC, das Raumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt, die Telemetrieverbindungen und die Lageregelung sicher, um den Betriebszustand von Sentinel-3A überwachen zu können.
Nach einer dreitägigen Start- und Einsatzerprobungsphase wird die Bodenkontrolle überprüfen, ob alle Satellitenkomponenten funktionstüchtig sind, woraufhin die Satelliteninstrumente für ihren Einsatz kalibriert werden. Der Missionsbetrieb soll in fünf Monaten eingeleitet werden. „Nach dem erfolgreichen Start von Sentinel-3 blicken wir nun zuversichtlich auf unsere Expertenteams, die die Mission auf ihren Routinebetrieb vorbereiten werden, wie sie dies bereits für die beiden Vorgängermissionen getan haben“, so ESA-Generaldirektor Jan Wörner. Der Zwillingssatellit Sentinel-3B soll nächstes Jahr gestartet werden.
Dieser „Hightech-Ozeanwächter im All“ wird aus seinem Orbit in 815 Kilometern Höhe – ähnlich wie bei einem Schiffsausguck – die Meere beobachten und so Ozeanvorhersagen sowie Umwelt- und Klimaüberwachung unterstützen. Denn neben der Meeresbeobachtung hat Sentinel-3A die Aufgabe, die globalen Landoberflächen in zeitlich hoher Frequenz zu beobachten. So können die Vegetation überwacht, Waldbrände und andere Feuer aufgespürt und Frühwarnsysteme wie etwa gegen illegale Tropenwaldabholzung betrieben werden.
„Sentinel-3A lässt uns den Zustand und die Entwicklung unserer Meere und der Landoberfläche nun mit anderen Augen sehen. Dadurch können wir die Auswirkungen des globalen Wandels besser verstehen, Anpassungsmaßnahmen entwickeln sowie für ein nachhaltiges Management natürlicher Ressourcen sorgen“, erklärt Dr. Michael Nyenhuis, der im DLR Raumfahrtmanagement die Sentinel-3-Missionen betreut. „Für die richtige Bewertung der Informationen müssen hochwertige Daten zuverlässig zur Verfügung stehen – auch durch die Verarbeitung und Archivierung der Sentinel-3-Daten auch durch das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum sind die Voraussetzungen gegeben“, ergänzt Prof. Stefan Dech, Direktor des DFD.
Sentinel-3A aus 1.150 Kilogramm Hightech
Seine Sensoren vermessen Ozean-, Eis- und Landoberflächen. Ein hochpräzises Radar-Altimeter erfasst die Meeresspiegelhöhe (SRAL). Ein Radiometer misst die Ozean- und Landoberflächentemperatur (SLSTR) mit einer Genauigkeit von 0,3 Grad Celsius. Außerdem beobachtet ein optisches Instrument die Ozean- und Landoberflächen (OLCI). Damit setzt Sentinel-3A die Messungen früherer Satelliten fort – insbesondere des 2012 außer Betrieb gestellten ESA-Satelliten ENVISAT. Seine Instrumente steigern zusätzlich die Produktqualität durch eine verbesserte spektrale Auflösung, erhöhen die zeitliche Auflösung und verbessern die Messung von Atmosphärenparametern.
Sieben Jahre lang soll der „Wächter“ die Erde beobachten. Seine Lebensdauer kann aber unter günstigen Bedingungen auf bis zu zwölf Jahre verlängert werden. 2017 soll der baugleiche Satellit Sentinel-3B seine Arbeit im Weltraum aufnehmen. Er wird die Erde zeitversetzt auf einer identischen polaren Umlaufbahn in 815 Kilometern Höhe umrunden. Damit verdoppelt sich die Aufnahmekapazität und erlaubt dem Satellitenpaar alle zwei Tage eine globale Abdeckung.
Ozean auch an Daten
Big Data ist in aller Munde – auch bei Copernicus bestimmen riesige Datenmengen das Geschehen. Immerhin sollen nicht nur die Daten von sechs Satellitenfamilien, sondern auch die dazugehörigen Informationsprodukte jederzeit zuverlässig zur Verfügung gestellt werden. „Zur Vorbereitung auf die realen Datenströme fördert das DLR Raumfahrtmanagement die Entwicklung der notwendigen Technologien und unterstützt dadurch Forschungsinstitutionen, Dienstleistungsunternehmen und andere öffentliche und private Nutzer in der Nutzung der Satellitendaten.
So wurden auf der Basis simulierter Beobachtungen neue mathematische Verfahren und Technologien zur Datenverarbeitung entwickelt, um etwa Wasserinhaltsstoffe, Meeresspiegelhöhe oder Ozeanoberflächentemperatur bestimmen zu können“, erklärt Nyenhuis. Auch auf europäischer Ebene wurden und werden Anstrengungen unternommen: Durch die ESA wurden Software-Werkzeugkisten – sogenannte Toolboxes – zur Visualisierung, Analyse und Verarbeitung von Satellitendaten der Sentinels entwickelt. Die Daten sämtlicher Sentinel-Missionen werden allen Nutzern weltweit gebührenfrei zugänglich sein.
DLR ist Teil des Bodensegments
Neben den Antennensystemen zum Empfang von Satellitendaten und den Prozessoren zur Erstellung von Informationsprodukten gehören Systeme zur Archivierung und zum Datenmanagement zu den Bestandteilen des sogenannten Bodensegments. Ein Teil davon wird in europäischer Zusammenarbeit aufgebaut und besteht unter anderem aus Processing and Archiving Centers (PACs) zur Verarbeitung, Langzeitarchivierung und Verteilung der Satellitendaten. Die PACs in Europa sind an das Copernicus-Wide-Area-Network (WAN) zum schnellen Transport von Massendaten angeschlossen, das von der Firma T-Systems betrieben wird. Um die von Sentinel-3A gelieferten Rohdaten effizient verarbeiten und archivieren zu können, besteht eine Aufteilung zwischen der ESA und der Europäischen Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT) für die Bereitstellung der Datenprodukte. Meeresbezogene Datenprodukte werden von EUMETSAT bereitgestellt.
In der Verantwortung der ESA wurden in europäischer Zusammenarbeit drei PACs geschaffen, die sich speziell um die Daten der Sentinel-3-Mission kümmern. Das DFD in Oberpfaffenhofen ist eines dieser Sentinel-3-PACs und kümmert sich speziell um die sogenannten OLCI-Daten für Landanwendungen. Über das Copernicus-Wide-Area-Network kommen die Rohdaten aus der Empfangsstation im norwegischen Svalbard (Spitzbergen) an. Diese Daten werden dann in Oberpfaffenhofen in einem zweistufigen Verarbeitungsverfahren zu höherwertigen Daten prozessiert. Die dabei entstandenen Produkte werden anschließend in einem Long-Term Archive (LTA) für mehrere Jahre gespeichert. Über ein europäisches Hochleistungsnetzwerk werden diese Datenweltweiten Nutzern zur Verfügung gestellt.
Die Mitarbeiter des PACs im DFD beginnen bereits wenige Tage nach dem Start des Satelliten Sentinel-3A mit ihrer Arbeit. Spätestens ein halbes Jahr nach Beginn der Mission sind dann die Daten auf der europäischen Plattform einer breiten Öffentlichkeit verfügbar. Die riesigen Datenmengen werden im Deutschen Satellitendatenarchiv des DFD gespeichert. Das DFD rechnet damit, dass innerhalb eines Jahres bis zu 300 Terabyte an OLCI-Daten in Oberpfaffenhofen archiviert werden. Dort lagern sie unter anderem neben mehr als 700.000 Datensätzen der Sentinel-1-Mission, die ebenfalls vom dortigen PAC betreuet wird.
Beiträge aus Deutschland
Sentinel-3A ist der dritte Satellit der sechs Satellitenfamilien im Copernicus-Programm der Europäischen Union (EU) und der ESA. Der ESA-Teil wird mit einem Drittel von Deutschland finanziert und vom DLR Raumfahrtmanagement betreut. Entwicklung und Bau von Sentinel-3A streckten sich über einen Zeitraum von acht Jahren im Rahmen einer Zusammenarbeit von über 100 europäischen Firmen. Aus Deutschland beteiligte sich beispielsweise die Firma AIM Infrarot-Module aus Heilbronn am Bau des SLSTR-Instruments, das die Oberflächentemperatur mit neuartigen Infrarotsensoren misst.
Die Firma Jena Optronik war für die thermalen und mechanischen Ingenieurarbeiten und für das Design, die Entwicklung und Fertigung des optisch-mechanischen Teils des SLSTR-Instruments verantwortlich. Dazu gehörten auch das Teleskop, das Scan- und das Kalibrationssystem. Die Firma Brockmann Consult GmbH aus Geesthacht entwickelt zusammen mit europäischen Partnern die Sentinel-3-Toolbox und ebnet damit den Weg für die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten der Satellitendaten. Schließlich wird der Routinebetrieb von Sentinel-3 von Deutschland aus gesteuert: Das Sentinel-3 Mission Control Center befindet sich bei EUMETSAT in Darmstadt. Die Gesellschaft ist außerdem für die Verteilung und Archivierung aller meeresbezogenen Datenprodukte verantwortlich.
Das Copernicus-Programm von EU und ESA
EU und ESA bauen mit Copernicus – ehemals Global Monitoring for Environment and Security (GMES) – eine leistungsfähige und nachhaltige Erdbeobachtungsinfrastruktur für Europa auf. Die EU betreibt mit dem Programm satellitengestützte Informationsdienste für Erdoberflächen, Ozeane, Atmosphäre, Katastrophenmanagement, Klimawandel und Sicherheit. Grundlage dieser Dienste sind sechs Satellitenfamilien, die so genannten Sentinels – zu Deutsch „Wächter“. Sie werden von der ESA im Programm „GMES Space Component“ (GSC) entwickelt und im Auftrag der EU betrieben.
Mit Sentinel-2 und Sentinel-3 sind nun großte Schritte im Aufbau der Copernicus Weltraumkomponenten getan. Gegen Ende dieses Jahrzehnts sollen die Missionen Sentinel-4, -5 und -6 starten. In Copernicus werden auch Satellitendaten von Dritten einbezogen, so Daten der deutschen Satelliten TerraSAR-X, TanDEM-X und RapidEye. Die Sentinels ergänzen die aktuellen Satellitenmissionen zum weltweit umfassendsten und leistungsfähigsten zivilen Erdbeobachtungssystem aus dem All.
Auf den Bildern
- Start von Sentinel-3A: Am 16. Februar 2016 startet Sentinel-3A an Bord einer Rockot-Rakete vom russischen Weltraumbahnhof in Plesetsk (Quelle: ESA)
- Sentinel-3A wird eingekapselt: Bevor Sentinel-3A ins Weltall starten kann, muss der Ozeanwächter in die Nutzlastspitze (Fairing) einer Rockot-Rakete eingekapselt werden. Dies geschah am 08. Februar 2016 im russischen Kosmodrom Plesetsk in Nordrussland (Quelle: ESA – Stephane Corvaja, 2016).
- Im Inneren des Deutschen Satellitendatenarchivs: Im Deutschen Satellitendatenarchiv im Deutschen Fernerkundungsdatenzentrum (DFD) des DLR lagern unter anderem die Daten der Copernicus-Missionen Sentinel-1. Innerhalb eines Jahres sollen weitere 300 Terabyte an OLCI-Daten von Sentinel-3A dazukommen (Quelle: DLR CC-BY 3.0).