Das Raumfahrtunternehmen Astrium investiert am Standort Ottobrunn 10 Millionen Euro aus Eigenmitteln in den Ausbau und die Modernisierung der Triebwerkfertigung für Trägerraketen. Speziell die Stufen der Ariane 5-Trägerraketen werden in Ottobrunn gebaut. Durch die vorgesehenen Erweiterungen der Brennkammergalvanik und der dazugehörigen Abwasseranlage erhöht sich die Produktionsfläche in diesem Bereich von derzeit 1.300 auf 2.200 qm.
Baubeginn für den Neu- und Anbau ist Mitte April 2013 und die Inbetriebnahme ist für Mitte 2015 vorgesehen. Die zurzeit in Betrieb befindliche Anlage deckt die aktuelle Produktion des Hauptantriebs und des Oberstufentriebwerks der Trägerrakete Ariane 5 ab. Die Entwicklung und Produktion des Oberstufentriebwerks für die neue Ariane 5ME sowie zukünftig mögliche weitere Triebwerksentwicklungen bringen die Anlage allerdings an ihre Grenzen und erfordern eine Erhöhung der Kapazität.
Einmalige Kompetenz in Galvanoformung
Der geplante Erweiterungsbau sieht vor, die momentan verfügbare Kapazität – zwei Standard-Nickel-Bäder und drei so genannte Pulse-Plating-Nickelbäder – um zwei Pulse-Plating-Nickelbäder zu erhöhen. Durch die Möglichkeit, bei Bedarf um nochmals zwei weitere Wirkbäder zu erweitern, kann die neue Anlage zukünftig flexibel an eine mögliche Produktionserhöhung angepasst werden.
Astrium in Ottobrunn zählt mit dem dort entwickelten Pulse-Plating-Verfahren zur galvanischen Beschichtung der Ariane 5-Brennkammern zu den Pionieren auf dem Gebiet der Galvanoformung. Die Aufbringung dicker, tragender Nickelschichten auf den Kupfermantel der Brennkammer wird mit diesem Verfahren weltweit nur hier beherrscht. Der Ausbau dieser Kernkompetenz sichert den deutschen Beitrag für die Triebwerksfertigung innerhalb des Ariane-Programms – auch im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen.
„Die Erweiterung der Triebwerkfertigung in Ottobrunn zeigt unser klares Bekenntnis zum Standort“, sagte Thomas Müller, Standortleiter von Astrium in Ottobrunn. „Wir sind hier in Ottobrunn immer größer geworden, werden auch in Zukunft wachsen und sind der größte Raumfahrtstandort in Bayern. Wir gehören heute gleichzeitig zu den Weltmarktführern im Bereich Raumfahrt-Ausrüstung und auch mit dem Ausbau der Brennkammerproduktion können wir unsere Position weiter stärken.“
Einhergehend mit dem Ausbau der Brennkammerfertigung muss auch die Abwasseranlage für die höheren Kapazitäten nachgerüstet werden. Hier ist ein Anbau an das bestehende Gebäude vorgesehen. Umweltschutz und Sicherheitsregularien werden im Sinne umweltschonender Abwasserbehandlungsprozesse nachhaltig verfolgt und umgesetzt.
Die Erhöhung des Automatisierungsgrades sowie die Ausstattung mit neuester Umwelttechnologie erlauben zukünftig einen ökologischen wie auch ökonomisch ausgerichteten Betrieb der Abwasseranlage. Die bisher schon geringe Schadstoff- und Lärmemission wird durch den Einsatz neuester Technologie noch weiter reduziert werden.
Raktetentriebwerke von Astrium
Astrium in Ottobrunn ist verantwortlich für das Herzstück des Haupttriebwerks der Ariane 5, die Schubkammer. Die technologische Herausforderung dabei sind die extremen Temperatur-Unterschiede. Die Schubkammer wird mit tiefkaltem flüssigen Wasserstoff (minus 237 Grad) und flüssigem Sauerstoff (minus 176 Grad) betrieben. Das in der Schubkammer entzündete Gasgemisch erreicht dann Temperaturen von bis zu plus 3.500 Grad Celsius.
Um ein Schmelzen der Schubkammer zu verhindern, sind in den Kupfermantel 486 Kühlkanäle eingefräst, die durch den Durchfluss von flüssigem Wasserstoff gekühlt werden. Damit kann die Innenwand auf einer konstanten Temperatur von 400 Grad Celsius gehalten werden. Die mit einem speziellen Galvanikprozess aufgebrachte Nickelschicht trägt die hohen auf die Schubkammer wirkenden mechanischen Lasten beim Start und während der Flugphase.
Standort Ottobrunn
Ottobrunn, südöstlich von München, steht für eine jahrzehntelange Raumfahrt aus Bayern, verbunden mit bekannten Namen wie Bölkow, Messerschmitt oder DaimlerChrysler Aerospace. Heute ist es die Astrium GmbH, die Raumfahrtsparte der EADS, die mit 1.050 hochqualifizierten Mitarbeitern vor Ort in Ottobrunn vor allem die neue Datenautobahn im Weltraum EDRS industriell führt und Raumfahrtantriebe sowie Satellitensubsysteme für Telekommunikation, Navigation und Erdbeobachtung baut.
Der Standort Ottobrunn ist führend bei den Solargeneratoren, die als ultraleichte „Kraftwerke“ moderne Satelliten mit Energie versorgen. Ein weiterer Schwerpunkt der Astrium-Raumfahrtaktivitäten aus Bayern sind Antriebe für Trägerraketen. So werden am Astrium-Standort Ottobrunn die Schubkammern – das Herz eines Raketentriebwerks – für die erste und zweite Stufe der europäischen Trägerrakete Ariane 5 gebaut. Die Ariane 5 zeigt sich dabei mit 54 erfolgreichen Starts in Folge als extrem zuverlässig.
Satellitendienste und Komponenten
Astrium betreibt über seine Tochtergesellschaft Milsat Services in Ottobrunn SatcomBW Stufe 2, das Satellitenkommunikationssystem für die Deutsche Bundeswehr und sichert so die permanate Kommunikation der deutschen Streitkräfte im Einsatz, egal wo auf der Erde. Astrium betreibt zudem private Telefonie- und Internetdienste für deutsche Truppen im Auslandseinsatz durch seinen Service „Connect-D“. Die Raumfahrt-Ingenieure am Standort konzipieren und setzen derzeit die zukünftigen europäische Datenautobahn im Weltraum um, das Projekt EDRS.
EDRS ermöglicht Europa eigenständig und bei Bedarf auf Echtzeit-Erdbeobachtungsdaten von erdnahen Satelliten zuzugreifen. Damit können Daten der Beobachtungssatelliten permanent empfangen werden und nicht nur, wenn der Satellit die Bodenstation überfliegt. Das ist bei Naturkatastrophen und anderen Krisen entscheidend für schnelle und zielgerichtete Hilfeleistungen.
Außerdem werden somit Erdbeobachtungs-Satelliten effizienter genutzt. Astrium trägt im Auftrag der ESA hat die Verantwortung für den europäischen Beitrag zum James Webb Space Telescope (JWST) der NASA. An Bord des JWST wird sich das zentrale optische Instrument aus Ottobrunn befinden – der Near Infrared Spectrograph (NIRSpec), der schwächste Strahlungen von den am weitesten entfernten Galaxien aufspüren soll.