Auf dem Mars: Feuerspeiende Vulkane und Mengen an Lava

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Wissenschaftler hegen seit langem die Vermutung, dass es auf dem nicht nur ‚feuerspeiende‘ Vulkane gab, die große an glutflüssiger Lava über den Planeten verteilten. So sind zahlreiche konische Bergkegel auf der Nordhalbkugel des Roten Planeten möglicherweise das Ergebnis von Schlammvulkanismus. Allerdings fehlten den Forschern bisher Erkenntnisse, wie sich wasserreicher Schlamm an der Marsoberfläche verhält. Ein außergewöhnlicher Laborversuch unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für – und Raumfahrt (DLR) konnte nun zeigen, wie Schlamm bei sehr tiefen Temperaturen und unter sehr geringem Atmosphärendruck fließt: Er verhält sich ähnlich fließender Lava auf der .

Marsgeschichte

„Wir wissen seit langem, dass in der frühen Marsgeschichte vor mehreren Milliarden Jahren große Wassermengen in kurzer Zeit freigesetzt wurden und dabei Täler riesigen Ausmaßes in die Landschaft erodierten, die heute längst trockengefallen sind“, erklärt Ernst Hauber vom DLR-Institut für Planetenforschung in -Adlershof, der an der Studie beteiligt ist. „Von diesen Ausflusstälern wurden umfangreich abgetragene zerkleinerte Gesteinsmassen in die nördlichen Tiefebenen des Planeten transportiert und dort schnell abgelagert. Später wurden diese Gesteinsmassen dann von jüngeren Sedimenten und vulkanischen Gesteinen überdeckt.“ Einige Marsforscher vermuteten schon bisher, dass diese wasserreichen Sedimente im Untergrund unter bestimmten Umständen verflüssigt worden sein könnten und unter Druck wieder an die Oberfläche gepresst wurden. In Anlehnung an den Aufstieg von Magma wird dieser Prozess, der auf der in vielen Sedimentbecken gut dokumentiert ist, sedimentärer Vulkanismus oder kurz Schlammvulkanismus genannt.

: Kleine Vulkankegel als Ergebnis von Schlammeruptionen?

In den nördlichen Tiefebenen des Mars befinden sich zehntausende konischer Hügel, die oft auf ihrem Gipfel einen kleinen Krater aufweisen und Ergebnis des Schlammvulkanismus sein könnten. Der Beweis dafür ist allerdings nicht leicht zu erbringen, was auch daran liegt, dass über das Verhalten von dünnflüssigem Schlamm unter den Umweltbedingungen an der Marsoberfläche wenig bekannt ist. Um diese Wissenslücke zu schließen führte eine Gruppe europäischer Wissenschaftler eine Reihe von Experimenten in einer zylinderförmigen Unterdruckkammer von 90 Zentimeter Durchmesser und 1,8 Meter Länge durch, bei denen wasserreicher Schlamm über eine kalte Sandfläche gegossen wurde. Ein Experimentaufbau, der – von der nicht simulierbaren Marsschwerkraft abgesehen – etwas an eine riesige „Klecker-Burg“ unter marsähnlichen Bedingungen erinnert.

Das Ziel der ungewöhnlichen Versuche war herauszufinden, wie die unterschiedlichen physikalischen Parameter die Wasserbestandteile im Schlamm beeinflussen und dadurch das Fließverhalten verändern. Das Resultat war überraschend: „Der Schlamm fließt unter dem geringen Atmosphärendruck auf dem Mars so ähnlich wie dünnflüssige sogenannte Pahoehoe- oder Stricklavaströme, die etwa von den großen Vulkanen auf Hawaii oder bekannt sind“, erklärt der Erstautor der Studie Dr. Petr Brož von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Dieses Ergebnis war für die Forscher unerwartet, weil vergleichbare geologische Prozesse auf anderen Körpern im oft so ähnlich ablaufen wie auf der Erde. „Unsere Experimente zeigen, dass selbst ein vermeintlich so einfacher Prozess wie das Fließen von Schlamm, den viele von uns seit ihrer Kindheit aus eigener Anschauung kennen, auf dem Mars ganz anders ablaufen würde.“

Mars: Kleiner Atmosphärendruck mit großer Wirkung

Der entscheidende Grund für das Fließverhalten des Schlamms ist die sehr dünne Marsatmosphäre, deren Druck 150mal geringer ist als der Atmosphärendruck auf der Erde in Meereshöhe. Dieser Unterschied hat eine große Wirkung: Unter diesen Bedingungen ist Wasser in flüssiger Form an der Marsoberfläche nicht stabil und fängt an zu kochen und zu verdunsten. Dieser Prozess absorbiert latente Wärme im Wasserdampf und kühlt den restlichen Schlamm, der daraufhin oberflächlich gefriert und eine Kruste bildet. Latente Wärme wird bei einem Phasenübergang, etwa beim Gefrieren oder beim Auftauen von einem Gegenstand abgegeben oder aufgenommen ohne dass sich dabei seine Temperatur ändert. „Natürlich wussten wir schon vorher, dass flüssiges Wasser unter niedrigem Druck schneller anfängt zu kochen – deswegen dauert es beispielsweise auch länger, Nudeln auf hohen Bergen auf der Erde weich zu kochen“, erklärt Ernst Hauber. „Doch welche Auswirkungen dieser bekannte Effekt auf Schlamm hat, wurde noch nie vorher experimentell untersucht. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass man die unterschiedlichen physikalischen Bedingungen immer berücksichtigen muss, wenn man scheinbar einfache Oberflächenformen auf anderen Planeten untersucht. Wir wissen jetzt, dass wir bei der Analyse von manchen Fließerscheinungen nicht nur an Lava, sondern auch an Schlamm denken müssen“, so Hauber weiter.

Experimentelle Schlammströme wie Pahoehoe-Laven

Im Detail konnte das Forscherteam zeigen, dass sich die experimentellen Schlammströme wie Pahoehoe-Laven verhalten, weil jeweils kleine flüssigen Schlamms aus kleinen Rissen in der Eiskruste an der Oberfläche austreten und weitere Fließzungen bilden, bevor sie selbst wieder zufrieren. Falls Schlamm tatsächlich auf dem Mars an der Oberfläche austritt, kann er also tatsächlich eine Zeit lang fließen, ehe er bei den niedrigen Temperaturen erstarrt. Allerdings wird sich die Morphologie, also die Form der Schlammströme, von denen auf der Erde unterscheiden. Die jetzt durchgeführten Forschungsarbeiten sind auch für andere planetare Körper wichtig, denn ähnliche Prozesse könnten bei sogenannten kryovulkanischen Eruptionen, bei denen statt Magma oder Schlamm flüssiges Wasser an die Oberfläche gelangt, ebenfalls eine Rolle spielen, so etwa auf Eismonden im äußeren Sonnensystem.