Längs des Marsäquators erstreckt sich mit einer Ausdehnung von etwa 4.000 Kilometern und einer Tiefe von 7.000 Metern das Valles Marineris – das größte Canyon-System des Sonnensystems und ein möglicher Hort für extraterrestrisches Leben. Doch eine effiziente Erkundung dieses komplexen Terrains aus Bergen, Schluchten, Canyons und Höhlen kann nur von einem Schwarm aus Flug– und Bodeneinheiten erfolgen. Das vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gemeinsam mit dem Freistaat Bayern geförderte Verbundprojekt "Valles Marineris Explorer" bestehend aus Forschern der TU Braunschweig, des DLR-Instituts für Kommunikation und Navigation sowie der TU München soll in Simulationen und praktischen Versuchen auf der Erde Navigationslösungen finden, mit denen ein solcher Schwarm in tiefen Kratern und Schluchten fremder Planeten nach Leben suchen kann.
Valles Marineris mögliches Umfeld für Leben
Der Mars Canyon Valles Marineris ist ein interessantes Explorationsziel: Die tiefen Einschnitte in der Kruste des Mars bieten neue Einblicke in die geologische Geschichte des Roten Planeten und womöglich Aussichten auf das Finden extraterrestrischen Lebens. Raumsonden nehmen nur aus dem Orbit einsehbare Bereiche auf und sind für den Nachweis von Mikroorganismen kaum geeignet. Halbautonome Bodenfahrzeuge, wei sie bisher zum Einsatz kamen, können wiederum nur leicht zugängliche Areale ohne größere Hindernisse untersuchen.
"Doch dies sind für die Suche nach extraterrestrischem Leben auf dem Mars die eher uninteressanten Gebiete. Sollte sich vor Milliarden Jahren Leben auf dem Mars entwickelt haben, so könnte es aufgrund der mittlerweile lebensfeindlich gewordenen Umgebungsbedingungen nur in geschützten Nischen überlebt haben. Jene tiefen Schluchten des Valles Marineris bilden eine solche biologische Nische. An ihrem Grund kann sogar ein atmosphärischer Druck herrschen, der hoch genug für das Vorkommen von Wassertümpeln ist – ideale Habitate für Mikroorganismen, wie wir von der Erde her wissen. Diese nur schwer zugängliche Gegend lässt sich besonders effizient nur im Schwarm erkunden", erklärt Dr. Oliver Funke, Projektleiter beim DLR Raumfahrtmanagement.
Exploration im Schwarm unter Testbedingungen auf der Erde
Die Schlüsseltechnologien für eine robuste und infrastrukturunabhängige Ortung eines Schwarms von Fluggeräten und Bodenfahrzeugen müssen zunächst auf der Erde entwickelt und getestet werden. Hier bieten sich auch weitere Einsatzmöglichkeiten wie die Navigation untertage oder in durch Katastrophen verwüstete Regionen (Search and Rescue, SAR) an. Doch wie könnte das Szenario für eine solche Mission aussehen? Ein Schwarm wird von einer Basisstation zum Zielgebiet entsandt. Dort angekommen, muss auf dem Weg zum unbekannten Terrain autonom, zuverlässig und präzise navigiert werden. Mögliche Hindernisse sollen erkannt und umfahren beziehungsweise umflogen werden. Um sich zu orientieren, bedarf es einer gegenseitigen Ortung der einzelnen Schwarmelemente. Zum anderen erkunden sie das Zielgebiet mit Kameras, Laserscanner und Messeinheiten, die federführend von der Technischen Universität Braunschweig als Verbundführer zu einer kompakten Navigationslösung zusammengeführt werden.
"Während die fliegenden Teilnehmer schnell weite Flächen aufklären und eine Umgebungskarte erstellen, führen die Bodeneinheiten in der bekannten Umgebung an interessanten Objekten genauere Untersuchungen durch. Die Orientierung der Bodenfahrzeuge verbessert sich durch die gute Übersicht der fliegenden Einheiten des Schwarms und die Kenntnis aller Lagebeziehungen. Das kann sowohl im Valles Marineris auf dem Mars als auch bei Katastropheneinsätzen auf der Erde sehr hilfreich sein", erklärt Funke den Vorteil der Schwarmnavigation. In einer von einem Erdbeben verwüsteten Stadt sind Straßenkarten aufgrund von Trümmern schnell für Logistikaufgaben unbrauchbar. Hier müssen zügig auch für schweres Räumgerät passierbare Wege gefunden werden.
Sobald alle Schwarmelemente positioniert sind, wird ein Kommunikationsnetzwerk eingerichtet. Die gewonnenen Informationen über das schwierige Terrain werden so an alle Schwarmteilnehmer übertragen. Um technische Lösungen für diese Schwarmkommunikation und -kooperation sowie um den Aufbau eines Mars-Szenario-Simulators wird sich das DLR Institut für Kommunikation und Navigation kümmern. Das durch den Schwarm aufgebaute Netzwerk bietet Redundanz für die Erkundung und Datenübertragung sowie bei Ausfall einzelner Schwarmelemente. Fallen dennoch einige Systeme aus, müssen diese Fehler kompensiert werden. Die Technische Universität München wird sich neben der Flugregelung und der optischen Navigation auch mit dieser Herausforderung beschäftigen.
Selbstständige Navigation ohne GPS
Für einen Einsatz eines Fluggeräts auf dem Mars müssen allerdings eine Vielzahl technologischer Herausforderungen gelöst werden: Da Systeme wie GPS oder Galileo dort nicht zur Verfügung stehen, kann ein Fluggerät nur das Gelände und eine beschränkte Menge an mitgebrachten Sensoren zur Navigation nutzen. "Weil eingesetzte Fluggeräte die gewonnenen Informationen unmittelbar zur Flugregelung brauchen, muss die Navigation also wesentlich autonomer als bei den NASA-Mars-Rovern "Spirit" und "Opportunity" ablaufen. Ein Funksignal von der Erde zum Mars und wieder zurück braucht 40 Minuten. Da ist an Fernsteuerung per Telemetrie nicht zu denken. Das Fluggerät muss deshalb in der Lage sein, diese Bereiche selbstständig zu erforschen", so Funke. Bislang existieren große Lücken in den Fähigkeiten zur Erkundung fremder Planeten. Die beteiligten Projektpartner wollen diese Lücken mit dem Projekt Valles Marineres Explorer nun schließen.