ESA-Astronaut Luca Parmitano ist im Rahmen seiner Mission „Beyond“ an Bord der Internationalen Raumstation ISS angekommen, womit das Team der neuen Expedition 60 seine Arbeit aufnehmen kann.
Parmitano und seine Mannschaftsmitglieder, der NASA–Astronaut Andrew Morgan und der russische Kosmonaut Alexander Skworzow, waren am 20. Juli 2019 um 18:28 Uhr MESZ vom Kosmodrom in Baikonur aus gestartet und dockten nach einem sechsstündigen Flug an Bord ihrer Sojus MS-13 am 21. Juli um 00:48 Uhr MESZ an der ISS an. Nach einer gründlichen Ãœberprüfung der Dichtungen konnten die NASA-Astronauten Christina Koch und Nick Hague sowie der russische Kosmonaut und derzeitige ISS-Kommandant Alexej Owtschinin die neuen Mannschaftmitglieder um 03:04 Uhr schließlich an Bord willkommen heißen.
Mit dem Rückflug des Kosmonauten Owtschinin zur Erde bzw. der Beendigung der Expedition 60 wird Parmitano im Herbst auch die Rolle des ISS-Kommandanten für die anschließende Expedition 61 übernehmen, womit nach den ESA-Astronauten Frank De Winne (2009) und Alexander Gerst (2018) zum dritten Mal ein europäischer Astronaut und zum ersten Mal ein italienischer ESA-Astronaut diese Funktion innehaben wird.
Fernsteuerung für Mondroboter
Luca Parmitano war bereits als Astronaut der ESA auf der Raumstation. In den kommenden sechs Monaten wird Parmitano die Durchführung von mehr als 50 europäischen und 200 internationalen Experimenten unterstützen. Hierzu gehören z. B. Untersuchungen, wie sich die Schwerelosigkeit auf bestimmte Aspekte des menschlichen Körpers auswirkt oder wie Astronauten Roboter zur Exploration des Mondes fernsteuern könnten.
Für De Winne, heute Leiter des Astronautenzentrums der ESA in Köln, beweist Parmitanos Ernennung zum ISS-Kommandanten die Anerkennung der Rolle der ESA im Kreise der internationalen Raumfahrtagenturen: „Wir sind verlässlich und man verlässt sich auf uns“, so De Winne. „Und das nicht nur bei dem Gerät, das wir liefern, sei es für die Raumstation oder das neue Service-Modul für das Raumfahrzeug Orion, sondern auch bei der Organisation der Mannschaftstätigkeiten an Bord. Ich denke, die Investitionen der ESA-Mitgliedstaaten haben hier zu sehr bemerkenswerten Resultaten geführt.“
Angesichts von Parmitanos Starttermin genau 50 Jahre nach der ersten Apollo-Mondlandung erscheint es nur logisch, dass er Experimente durchführen wird, die den Weg für künftige Weltraumexplorationsvorhaben ebnen sollen. Zu diesen Experimenten zählt beispielsweise BioRock. Es soll Wissenschaftlern helfen zu verstehen, ob für den biologischen Abbau von Substanzen auf der Erde eingesetzte Mikroben ihre Arbeit auch auf anderen Himmelskörpern verrichten könnten und wie sich Bakterienstämme auf Gesteinen im Weltraum vermehren.
Darüber hinaus wird Parmitano das Life Support Rack der ESA erproben und nutzen, mit dem Kohlendioxyd in zum Atmen nutzbaren Sauerstoff umgewandelt werden kann. Dieses Gerät ist Teil der von der ESA anvisierten Fähigkeit, Astronauten unabhängig vom Planeten Erde im All dauerhaft überlebensfähig zu machen. Parmitano wird ferner von der ISS aus einen auf der Erde befindlichen Rover bedienen, um Fernsteuerungsfunktionen zu testen, die auch auf dem Mond zum Einsatz kommen könnten.
Vorarbeit für Mondmission Heracles der ESA
Die Ergebnisse dieser Experimente werden in den Beitrag der ESA zum Lunar Gateway und zur Mondmission Heracles einfließen, die im Rahmen von Gemeinschaftsvorhaben mit ihren internationalen Partnern verwirklicht werden sollen. „Der heutige Flug ist auch Teil unserer künftigen Reise in Richtung Mond„, verkündete ESA-Generaldirektor Jan Wörner. „Wir freuen uns gemeinsam mit unseren internationalen Partnern darauf, Mitglieder einer neuen Generation von Entdeckern des Weltraums zu werden und allen unseren Mitgliedstaaten Forschungsmöglichkeiten und einen Zugang zum Weltraum eröffnen zu können.“
Ausstieg in den Weltraum
Luca Parmitano hat sich auch auf Außenbordeinsätze vorbereitet, bei denen er mit Teams am Boden zusammengearbeitet hat, die neue Verfahren und Werkzeuge zur Reparatur des Alpha-Magnetspektrometers (AMS-02) entwickelt haben. Bei dem im Jahr 2011 an der Außenseite der Raumstation angebrachten AMS-02 handelt es sich um einen Teilchenphysik-Detektor zur Erfassung kosmischer Strahlung, von dem sich Wissenschaftler einen Beitrag zum Verständnis der dunklen Materie sowie der Antimaterie erhoffen. Das Spektrometer war ursprünglich nur für eine dreijährige Nutzung im Weltraum ausgelegt, arbeitete jedoch so reibungslos, dass sein Einsatz verlängert wurde. Allerdings müssen hierfür drei seiner vier Kühlpumpen bei einem anspruchsvollen Außenbordeinsatz repariert werden.
Mission Beyond
Parmitanos Mission „Beyond“ ist Teil der langfristigen Vision der ESA, die eine erstmalige Entsendung europäischer Astronauten über die Erdumlaufbahn hinaus vorsieht und Europa als Schlüsselpartner bei der bemannten Exploration des Sonnensystems etablieren will. Ziel der ESA ist es, in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern allen Bürgern in Europa zu neuen Erkenntnissen, Innovationen und Inspirationen zu verhelfen und Wissenschaftlern mit neuen ISS-Einrichtungen, wie etwa dem 2018 im Columbus-Modul eingerichteten Dienst für internationale kommerzielle Experimente (ICE Cubes), den Zugang zu Forschungsmöglichkeiten zu erleichtern.
„Die Erfahrungen, die wir heute in der niedrigen Erdumlaufbahn gewinnen, werden es der nächsten Generation ermöglichen, bei ihren fortlaufenden Entdeckungen noch weiter vorzustoßen. Wenn wir erneut zum Mond und darüber hinaus bis zum Mars fliegen wollen, müssen wir wissen, wie wir in diesen anderen Welten überleben und arbeiten können. Auf dem Weg dahin stellt die Internationale Raumstation einen wichtige Etappe dar“, so Parmitano.