Die Oberstufe der neuen ESA-Rakete Ariane 6 kommt von der ArianeGroup in Bremen. In der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 2021 ist ein voll funktionsfähiges Testmodell in Originalgröße, wie es bei der Ariane 6 zum Einsatz kommen wird, in einem gut 14 Meter langen, knapp sieben Meter breiten und sechs Meter hohen Transportcontainer auf eine ganz besondere Reise nach Süddeutschland gestartet.
Die Ariane 6, Europas neue Trägerrakete, nähert sich ihrer Fertigstellung. Die erste Oberstufe hat mit ihrem Verlassen des Werksgeländes in Bremen den Countdown für den Erststart der Ariane 6 im Jahr 2022 eingeleitet.
Oberstufe Made in Germany
Mit der Oberstufe wird das Herzstück der Ariane 6 nicht nur in Deutschland gebaut, sondern auch für den Einsatz im All getestet. Ein unabhängiger Zugang zum All, den uns die Ariane 6 nach dem Ende der Ariane 5 sichert, ist nicht nur geopolitisch wichtig, sondern auch für die Zukunft des Hightech-Standorts Deutschland relevant“, erklärt Dr. Walther Pelzer, Vorstand und Leiter der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, die im Auftrag der Bundesregierung das deutsche ESA-Budget steuert.
Denn auch die beiden nächsten Ariane-6-Oberstufen stehen in Bremen kurz vor ihrer Fertigstellung: das sogenannte Combined Test Model (CTM), das im zweiten Halbjahr 2021 für gemeinsame Tests mit der Hauptstufe am europäischen Weltraumbahnhof in Kourou eingesetzt werden soll, sowie das sogenannte Flight Model 1 (FM-1) für den Erstflug, voraussichtlich im ersten Halbjahr 2022.
Rakete nimmt Weser, Waal, Rhein und Neckar
Die erste „A6“-Oberstufe soll am 07. Februar beim DLR in Lampoldshausen ankommen und in den kommenden Monaten auf Herz und Nieren getestet werden. „Der Container wiegt inklusive Oberstufe 57 Tonnen. Über Weser und Nordsee führt sein Weg zunächst zum Hochseehafen nach Rotterdam. Von da geht es weiter über die niederländische Waal in den Rhein Richtung Süden. In Mannheim wird das Transportschiff in den Neckar abbiegen, ehe dann im Baden-Württembergischen Bad Wimpfen die Schiffsreise endet. Dort wird der Container zurück auf einen Schwertransporter verladen Richtung Lampoldshausen„, berichtet Denis Regenbrecht, Ariane-6-Progammanager in der Deutschen Raumfahrtagentur in Bonn.
„Dass es mit der Oberstufenentwicklung und den dazugehörigen Tests vorangeht, ist ein wichtiges Signal. Denn eigentlich sollte die im Dezember 2014 auf der ESA-Ministerratskonferenz in Luxemburg beschlossene, neue europäische Trägerrakete im Jahr 2020 zum ersten Mal in den Weltraum starten“, sagt DLR-Vorstand Dr. Walther Pelzer. Mit den Tests in Lampoldshausen komme man dem Erstflug der Ariane 6 nun einen bedeutenden Schritt näher.
Die Oberstufe – Herzstück von Raketen
Die Oberstufe der Ariane 6 ist 11,6 Meter hoch, hat einen Durchmesser von 5,4 Metern und ohne sie kommt die Rakete nicht in den Weltraum. Denn ihr neu entwickeltes, kryogenes „Vinci“-Triebwerk liefert mit seiner Treibstoffkombination aus flüssigem Sauerstoff und flüssigem Wasserstoff den notwendigen Schub, um die Nutzlast an Bord genau an der gewünschten Position im Orbit auszusetzen. Die Brenndauer beträgt mehr als 14 Minuten und „Vinci“ kann bis zu viermal gezündet werden. Dadurch können mehrere Nutzlasten in verschiedenen Orbits ausgesetzt werden. Außerdem ist die Steuerungselektronik, die die Ariane 6 auf Kurs bringt und hält, in der Oberstufe untergebracht.
Ariane 6: Zukunft durch Innovation
Genau wie ihre Vorgängerinnen wird die Ariane 6 ein „dynamischer“ Träger sein, der sich kontinuierlich weiterentwickeln soll. Auf der letzten ESA-Ministerkonferenz „Space19+“ in Sevilla haben die Teilnehmerstaaten deshalb ein Weiterentwicklungsprogramm beschlossen, um die Ariane 6 noch leistungsfähiger und auch kostengünstiger zu machen. Ein Kernelement dieses Programms ist die zusätzliche kleine Kick-Stufe „ASTRIS“, die wie ihre „große Schwester“ in Deutschland entwickelt und gebaut werden wird. Diese besondere Raketenstufe soll es zum Beispiel möglich machen, mehrere Satelliten mit völlig unterschiedlichen Zielen in einem Start zu befördern oder Ziele weit außerhalb der Erdumlaufbahn zu erreichen. Für diese Stufe wird in Ottobrunn das neue kompakte Triebwerk „BERTA“ entwickelt, das ebenfalls beim DLR in Lampoldshausen getestet wird.