Baumkronen und Zweige dicht an dicht, nur vereinzelt geben Lichtungen den Blick auf Stamm und Wurzeln preis. Ob deutscher Fichtenwald oder tropischer Regenwald – nur wenige Sensoren sind in der Lage durch diesen grünen Teppich zu blicken und die Strukturen deutlich sichtbar zu machen.
Das Deutsche Zentrum für Luft– und Raumfahrt (DLR) entwickelt eine Radartechnologie, die Waldgebiete erstmals in hoher Auflösung dreidimensional abbildet, von den Wipfeln bis zum Boden. In einer gemeinsamen Messkampagne mit der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA haben die Radarexperten des DLR die Leistungsfähigkeit des speziellen F-SAR Systems nun bestätigt. Ziel der Zusammenarbeit war es die Möglichkeiten von Radardaten hinsichtlich der Ableitung von verschiedenen Parametern zu validieren, etwa die Höhe oder die vertikale Struktur eines Waldes.
„Die Zusammenarbeit mit der NASA ermöglicht es uns, sowohl die Sensortechnik als auch die verwendete Algorithmik auf Herz und Nieren zu testen. Schön, dass alles so gut geklappt hat“, sagt Projektkoordinator Priv.-Doz. Dr. Andreas Reigber vom DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme.
Dornier und Gulfstream über Traunstein
Für einen Kreuzvergleich der Daten erstellten NASA und DLR Aufnahmen desselben Gebiets mit jeweils unterschiedlichen Sensorsystemen. Die Messflüge fanden über einem Testgebiet bei Traunstein statt: Das NASA-Jet Propulsion Laboratory nutzte seinen UAVSAR-Sensor an Bord eines Forschungsflugzeugs vom Typ Gulfstream-III. Nach zwei Tagen hatten die Partner aus Pasadena alle Aufnahmen „im Kasten“.
Unter Beachtung möglichst identischer Bedingungen und Wetterverhältnisse startete rund eine Woche später das DLR-Team vom Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme seine Messreihe. Mit dem DLR-Forschungsflugzeug Dornier Do-228 überflogen Reigber und seine Kollegen das Testgebiet Gebiet zehn Mal in kurzer Abfolge. Der Wald wurde dabei aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen. Nur so lässt sich aus den Einzelaufnahmen später ein dreidimensionales Bild erstellen.
Das F-SAR System des DLR-Instituts für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme ist für den Wald-Einsatz besonders geeignet, da es Messungen in mehreren Wellenlängen gleichzeitig erlaubt. In nur einem Überflug kann das F-SAR so verschiedene Ebenen eines Gebiets erfassen. Für die räumliche Vermessung des Traunsteiner Waldes wurden drei verschiedene Wellenlängen eingesetzt: Um den oberen Bereich der Waldkrone abzutasten, setzten die DLR-Wissenschaftler auf Radarsensoren im C-Band und X-Band Frequenzbereich. Das L-Band hingegen dringt durch die Vegetation und gibt sozusagen den Blick frei auf den Waldboden.
Die ersten Auswertungen der Messkampagne bestätigen nun die Messgenauigkeit des F-SAR Radars. Die Vergleichsdaten der NASA können die DLR-Wissenschaftler außerdem nutzen, um das Radarsystem noch gezielter zu kalibrieren. Unterschiede in den Aufnahmen geben den Radarexperten Aufschluss über die Fähigkeit eines Sensors bestimmte Waldeigenschaften zu erkennen. Die dreidimensionalen Radarbilder des Waldes, das „Endprodukt“, erstellen die Wissenschaftler nach der vollständigen Auswertung der Daten.
Klimafaktor Biomasse: Grün der Wälder
Die Eigenschaften eines Waldes auf einem Blick zu erhalten, egal wie komplex, undurchdringlich und weitläufig dieser ist – davon träumen nicht zuletzt Umwelt- und Klimaforscher. Denn anhand der Struktur eines Waldes können sie seine Biomasse ermitteln. Biomasse hat als natürlicher Kohlenstoffspeicher unmittelbaren Einfluss auf den Treibhauseffekt. Die Radar-Tomographie eröffnet damit ganz neue und effiziente Methoden einen grundlegenden Klimafaktor zu bestimmen.
Die DLR-Wissenschaftler wollen die 3D-Radarvermessung von Waldgebieten für den Regelbetrieb etablieren – und auch auf Satelliten zum Einsatz bringen. Die erfolgreiche Messkampagne zusammen mit dem NASA-Jet Propulsion Laboratory hat nun bestätigt, dass die Radartechnologie aus Oberpfaffenhofen genau auf dem richtigen Weg ist. Die Zusammenarbeit war somit ein wichtiger Schritt zur Vorbereitung der nächsten Erdbeobachtungsmissionen.
Im Auftrag der europäischen Weltraumorganisation ESA bereitet das DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme derzeit „BIOMASS“ vor, eine satellitengestützte Mission zur Radarbeobachtung der Erdoberfläche. Im Fokus: die Bestimmung der Biomasse tropischer Regenwälder. Darüber hinaus steht das Institut an der Speerspitze von „Tandem-L„, einer hochinnovativen Satellitenmission zur Erfassung von dynamischen Prozessen auf der Erdoberfläche mittels Radar. Ausblicke der Forschung, die ein Waldüberflug zunächst nicht vermuten lässt.
Bilder aus der Messreihe
Waldgebiet Traunstein – F-SAR Aufnahme: Polarimetrische Radaraufnahme des Testgebiets Traunstein, aufgenommen durch den F-SAR Sensor im L-Band (22 cm Wellenlänge) am 30. Juni 2015. Darstellung in Falschfarben: Waldgebiete erscheinen in grün, Oberflächen mit niedriger Vegetation in blau/rot.
Vertikales Profil des Waldgebiets, Testgebiet Traunstein: Beispiel für ein vertikales Profil der Radarrückstreuung dieses Waldgebiets. Die Rückstreuung ist in Grüntönen skaliert, von dunkelgrün (geringe Rückstreuung) bis weiß (hohe Rückstreuung). Die durchgezogenen Linien stellen die Höhen von Waldboden und -krone, bestimmt durch Lidarmessungen, dar.
NASA/DLR-Teamfoto: Gruppenbild der NASA- und DLR-Wissenschaftler bei der gemeinsamen Messkampagne zur dreidimensionalen Vermessung von Waldgebieten. Das DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme und das Jet Propulsion der NASA (JPL) verbindet seit vielen Jahren eine gute Zusammenarbeit.
Forschungsflugzeug der NASA: Die Wissenschaftler des NASA-Jet Propulsion Laboratory nutzten dieses Forschungsflugzeug vom Typ Gulfstream III (G-III).
Forschungsflugzeug des DLR: Für die Messflüge mit dem F-SAR-System nutzten die DLR-Wissenschaftler das DLR-Forschungsflugzeug Dornier Do-228. Für die Bereitstellung und den Einsatz der Forschungsflotte ist der Flugbetrieb der DLR-Einrichtung Flugexperimente in Oberpfaffenhofen und Braunschweig zuständig.
Fotos: DLR/DLR (CC-BY 3.0)