Der Asteroid Vesta, den die Raumsonde Dawn seit Juli 2011 mit einem deutschen Kamerasystem an Bord umkreiste, hat die Wissenschaftler ins Staunen gebracht. Ein riesiges Einschlagbecken am Südpol. Tiefe Furchen um den Äquator. Dunkles Material an den Kratern, das die Planetenforscher ins Rätseln bringt. Und ein Berg, mehr als doppelt so hoch wie der Mount Everest. „Die Erwartungen an die Mission wurden mehr als erfüllt“, sagt Planetenforscher Prof. Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Jetzt heißt es Abschied nehmen: Die Sonde schwenkte Anfang September aus der Umlaufbahn und fliegt nun weiter zum Zwergplaneten Ceres. Unter dessen eisiger, von dunklem Kohlenstoff bedeckten Kruste könnte ein Ozean aus Wasser verborgen sein.
Die Raumsonde Dawn hat das erste Bild von Asteroid Vesta aus 975.000 Kilometern Entfernung aufgenommen, Vesta erschien damals noch als ein kleiner Punkt. Mittlerweile haben die Planetenforscher Vesta aus einer Höhe von nur 175 Kilometern fotografiert und erste Erkenntnisse gewonnen: „Wir wissen zum Beispiel, dass Vesta ein sogenannter differenzierter Körper ist, also wie ein Planet in drei Schichten – Kern, Mantel und Kruste – aufgebaut ist“, erläutert DLR-Planetenforscher Jaumann. Zudem haben die spektralen Signaturen des Asteroiden bestätigt, dass eine bestimmte, seltene Sorte von auf der Erde entdeckten Meteoriten von der Vesta stammt. Vestas Besonderheiten haben die Wissenschaftler Staunen lassen: Gleich zwei mal wurde der Himmelskörper von einem mächtigen Einschlag an seinem Südpol erschüttert, so dass zwei riesige, sich überlagernde Becken an dieser Stelle entstanden, rund um den Äquator hat sich durch die Einschläge ein System aus Furchen gebildet.
„Dass gleich zwei Mal im Laufe der Zeit so große Kollisionen an ein und derselben Stelle stattfanden, ist sehr ungewöhnlich.“ Doch diese erstaunliche Tatsache hat auch für die Wissenschaftler und ihre Forschung Konsequenzen: Statt auf eine intakte Kruste blicken zu können, sehen die Planetenforscher auf ein wahres Trümmerfeld. „Die Einschläge haben die ursprüngliche Kruste zerstört und mit diesen Trümmern zudem Teile der intakten Kruste überdeckt“, sagt Jaumann. „Wir sehen also auf Auswurfmassen die gerade einmal ein bis zwei Milliarde Jahre alt sind, das ist für Planetengeologen sehr jung. „Wie ein Scherbenhaufen seien Trümmer und Auswürfe fast über den gesamten Asteroiden verteilt. „Diesen Scherbenhaufen müssen wir jetzt wie ein Puzzle zusammensetzen.“
Rätsel für die Planetenforscher: Sonderbare Krater und 20 Kilometer hohe Berge
Die mehr als 28.000 Bilder, die die deutsche Kamera an Bord während der bisherigen Mission von Vesta aufzeichnete, zeigen zudem dunkles Material an und in den zahlreichen Kratern. Woher stammt dieses dunkle Material? Und welche Prozesse liefen in der Vergangenheit auf dem Asteroiden Vesta ab? „Diese Beobachtung gibt uns viele Rätsel auf“, betont DLR-Planetenforscher Jaumann. Ebenso die große Menge Wasserstoffprotonen, die die Wissenschaftler des Dawn-Teams auf Vesta feststellten. Ein Teil von ihnen könnte aus dem Sonnenwind stammen, „aber auf Vesta gibt es bedeutend mehr Wasserstoffprotonen, als wir erwartet haben.“ Auch für die unterschiedlichen, teilweise sehr ungewöhnlichen Kraterformen haben die Planetengeologen noch keine endgültige Erklärung.
Das globale topographische Oberflächenmodell von Vesta wurde von DLR-Wissenschaftlern aus tausenden Einzelbildern durch Stereo-Photogrammetrie abgeleitet. So lässt sich auch das Rheasilvia-Einschlagsbecken am Südpol von Vesta perspektivische darstellen. Die Falschfarben geben die Topographie des Südpols von Vesta wieder und zeigen in blauen Farbtönen Teile des 500 Kilometer großen Rheasilvia-Einschlagsbeckens sowie im Zentrum der Struktur ein über 20 Kilometer hohes Bergmassiv in grünen, gelben und roten Tönen. Ungewohnlich ist auch die Topographie des 58 Kilometer großer Kraters Marcia mit seinen Hangrutschungen, in der Nähe des Äquators von Vesta. Sie hat nicht die typische Schüsselform wie beispielsweise bei einem Mondkrater. Die Ursache hierfür liegt vermutlich in Massenbewegungen im Innern des Kraters. Vom rechten Kraterrand ist Material in das Innere des Kraters gerutscht und hat dabei einen flacheren Abhang erzeugt. Bilder zeigen Details ab 70 Metern Größe.
Bis die Geschichte von Asteroid Vesta erklärt werden kann, müssen noch viele Forscher mit den bisher gewonnenen Daten arbeiten, schätzt Jaumann. „Wir haben bisher nur an der Oberfläche gekratzt.“ In dem einen Jahr, in dem Dawn um Vesta kreiste, haben die Wissenschaftler des DLR die gesamte Oberfläche des Asteroiden vermessen und kartiert. Auch wenn Vesta kleiner ist als ein Planet, ist die Schnelligkeit, mit der die Geologen, Physiker und Photogrammeter des DLR diese Vermessungsaufgabe durchgeführt haben, ein Rekord für sich. Nun sollen die Erkenntnisse zur Topografie mit Ergebnissen beispielsweise von Gravitations- und Spektralmessungen im Zusammenhang betrachtet werden. „Es gibt sehr viele Fragen, die wir noch nicht beantwortet haben.“
Nächstes Ziel: Asteroid Ceres
Mit dem Flug zu Ceres, dem größten bisher entdeckten Asteroiden, seit kurzem laut der Internationalen Astronomischen Union ein Zwergplanet, beginnt ein neues Kapitel der Dawn-Mission. Erstmals hat eine Raumsonde den Orbit eines Körpers verlassen, um anschließend einen weiteren Himmelskörper anzufliegen und aus dessen Umlaufbahn zu beobachten. Im Februar 2015 soll Dawn an ihrem neuen Ziel, 415 Millionen Kilometer entfernt von der Sonne, ankommen. Dabei ist Ceres ein Objekt, wie es gegensätzlicher zu Vesta kaum sein könnte: Statt einer festen Gesteinskruste wie bei Vesta wird Ceres über seinem inneren Gesteinskern eine Außenschicht aus Eis besitzen. In dieser Schicht könnte auch Wasser enthalten sein. Eventuell könnte der Zwergplanet auch eine hauchdünne Atmosphäre haben. „Bisher ist noch nie ein Raumschiff in einer Umlaufbahn um solch einen Körper gekreist“, betont Planetenforscher Jaumann.
NASA leitet Mission, Kamerasystem vom Max-Planck-Institut
Die Mission DAWN wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. JPL ist eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Teil der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kamera-Projekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und NASA/JPL unterstützt.