Wissenschaft und Forschung produzieren häufig enorme Mengen an Daten. Auch auf der Raumstation ISS wächst das Datenaufkommen bei den Experimenten stetig. Mit „Columbus Ka-Band Terminal„, kurz „ColKa“ erhält das europäische Columbus-Labor auf der ISS seinen eigenen direkten High-Speed-Anschluss an den sogenannten SpaceDataHighway.
Die Hochgeschwindigkeitssatellitenverbindung beschleunigt den „Datenverkehr“ nach Europa erheblich. Davon werden viele Wissenschaftler mit ihren Experimenten profitieren – und zwar schon während der „Cosmic Kiss“-Mission von Matthias Maurer und vor allem direkt danach unter der italienischen Astronautin Samantha Cristoforetti, wie Volker Schmid, „Cosmic Kiss“-Missionsleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR, erläutert. Denn diese etwa kühlschrankgroße Antenne macht nun einen Datentransfer in Echtzeit zwischen der Internationalen Raumstation ISS und dem Columbus-Kontrollzentrum am Standort des DLR in Oberpfaffenhofen möglich, wo das ColKa-Terminal betrieben wird. Die Antenne und auch der SpaceDataHighway ist ein Projekt von Airbus in Zusammenarbeit mit der europäischen Weltraumorganisation ESA. Jetzt hat das ColKa seinen Dienst aufgenommen.
Tests für Daten-High Throughput
Am 27. Januar des vergangenen Jahres installierten die beiden NASA-Astronauten Mike Hopkins und Victor Glover mit einem Außenbordeinsatz – einer sogenannten Extra Vehicular Activity (EVA) – die Antenne an der Außenseite des europäischen Columbus-Labors der ISS. Bei diesem Einsatz wurden die beiden sowohl vom Columbus-Kontrollzentrum sowie vom dänischen ESA-Astronauten Andreas Mogensen vom Boden aus unterstützt.
„Nach der erfolgreichen Installation haben wir zahlreiche Tests vom Columbus-Kontrollzentrum aus durchgeführt. Wir haben zum Beispiel überprüft, ob die Antenne sich nach unseren Kommandos korrekt ausrichtet, ob die Kommunikation mit dem Datennetzwerk richtig funktioniert und ob Daten erfolgreich übertragen werden“, erklärt Daria Margiotta, Flugdirektorin im Columbus-Kontrollzentrum am DLR-Standort in Oberpfaffenhofen.
Außerdem wurden noch Temperaturtests durchgeführt. Denn die Antenne muss zum Beispiel auch unter den harschen Bedingungen des Weltraums funktionieren. Ist die ISS zum Beispiel zur Sonne gedreht, herrschen bis zu 121 Grad Celsius an der Außenhülle. Verschwindet sie im Erdschatten, herrschen auf einmal minus 157 Grad Celsius. Um unter diesen Bedingungen optimal zu funktionieren, wird die Antenne automatisch je nach Bedarf runtergekühlt und wieder aufgeheizt. Außerdem wurden in Oberpfaffenhofen sämtliche System- und Softwaretests durchgeführt. Nach dem Abschluss dieser Tests ist ColKa nun für den Dauerbetrieb einsatzbereit.
50 Mbit/s zum Satelliten
Doch wie funktioniert der Datentransfer eigentlich genau? In 36.000 Kilometern über der Erde stehen sogenannte geostationäre Kommunikationssatelliten immer über einem Punkt, weil sie sich in der gleichen Geschwindigkeit mit der Erde mitdrehen. Diese Relaissatelliten sind lange im „Sichtfeld“ von anderen tieffliegenden Satelliten, wie zum Beispiel der Umweltsatellitenflotte im europäischen Copernicus-Programm, können deshalb auch große Datenpakete von den „Tieffliegern“ empfangen und sie besonderes schnell und vor allem ununterbrochen an Bodenstationen weitergeben.
„ColKa sendet seine Daten zum EDRS-A-Kommunikationssatelliten, der wiederum sendet sie zur Bodenstation nach Harwell in Großbritannien. Von dort aus gehen die Daten dann über das Interconnection Ground Subnetwork (IGS) zu uns zum Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen und umgekehrt. Wir erreichen so Datenübertragungsraten von 50 Megabit pro Sekunde“, erklärt Daria Margiotta. Für das Columbus-Kontrollzentrum ergeben sich so ganz neue Möglichkeiten für Tests sowie im Bereich Flugdynamik, Bodensoftware und im generellen Betrieb der Raumstation.
Erprobung für Esprit-Modul und Mond-Gateway
Von dem Anschluss an die Datenautobahn werden viele Wissenschaftler profitieren, denn sie haben einen direkteren Zugriff auf ihr jeweiliges Experiment. „Wir werden durch ColKa sehr viel schneller als jemals zuvor die Daten von sämtlichen europäischen Racks und den Nutzlasten bekommen. Im Columbus-Kontrollzentrum wachen wir daher sehr genau über den reibungsfreien Datenverkehr, den wir mit den anderen Nutzern in Europa koordinieren. Wir sind aber auch in dauerhaftem Kontakt zur NASA, weil die Antenne zum Beispiel nicht während Außenbordeinsätzen der Astronauten betrieben werden kann“, erklärt Daria Margiotta.
Außerdem soll ColKa auch in besonderen Fällen für die sogenannte „Space-To-Ground“-Kommunikation eingesetzt werden. So sollen zum Beispiel Audio- und Videokonferenzen für öffentliche Veranstaltungen über die „AstroPi“-Hardware der ESA möglich werden. „ColKa erweitert das Kommunikationsspektrum mit der Raumstation immens. Aber nicht nur das. Beim Entwurf, Bau und Betrieb von der Antenne wurde viel Know-how gewonnen, das nun auch wichtige Dienste für die Entwicklung des Telekommunikations- und Betankungsmodul am europäischen Esprit-Modul des „Lunar Gateway“ – dem geplanten Außenposten in der Mondumlaufbahn – leisten wird. Hier muss Kommunikation über eine tausendmal größere Distanz zur Erde als bei der ISS funktionieren“, erklärt Volker Schmid.